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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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Pythagoräer, von dem man die unglaublichsten und
lächerlichsten Wunder erzählt, (so soll er in der kur¬
zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des
Freimüthigen zweimal durchgelesen haben) -- aber
ein einzelner Mensch kann nicht alles wissen. Da¬
gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus
und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter
mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬
jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in seinem
mythologischen Lexicon, behaupten, die Carme wäre
eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors
gewesen, crasse Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬
fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen sind, welchem
Gesindel man einmal auf die Finger klopfen muß,
daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß
man sich sehr hüten müsse, die Deipna apo sku¬
ridos der Griechen mit den Sportulis der Römer
zu verwechseln, daß man ungebetene Gäste skias
nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht
weniger ist mir aus meinen Studien bekannt, daß
man bei den Römern diejenigen Causarii nannte,
welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienste befreit
werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬
reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege strenge
Untersuchungen angestellt wurden, weßwegen der hohe
Frankfurter Senat, als er den Beschluß gefaßt, mich
bei der Polizei anzustellen, welches ein Kriegsdienst

Pythagoräer, von dem man die unglaublichſten und
lächerlichſten Wunder erzählt, (ſo ſoll er in der kur¬
zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des
Freimüthigen zweimal durchgeleſen haben) — aber
ein einzelner Menſch kann nicht alles wiſſen. Da¬
gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus
und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter
mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬
jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in ſeinem
mythologiſchen Lexicon, behaupten, die Carme wäre
eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors
geweſen, craſſe Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬
fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen ſind, welchem
Geſindel man einmal auf die Finger klopfen muß,
daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß
man ſich ſehr hüten müſſe, die Δειπνα απο σϰυ¬
ριδος der Griechen mit den Sportulis der Römer
zu verwechſeln, daß man ungebetene Gäſte σϰιας
nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht
weniger iſt mir aus meinen Studien bekannt, daß
man bei den Römern diejenigen Causarii nannte,
welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienſte befreit
werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬
reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege ſtrenge
Unterſuchungen angeſtellt wurden, weßwegen der hohe
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[180/0194] Pythagoräer, von dem man die unglaublichſten und lächerlichſten Wunder erzählt, (ſo ſoll er in der kur¬ zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des Freimüthigen zweimal durchgeleſen haben) — aber ein einzelner Menſch kann nicht alles wiſſen. Da¬ gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬ jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in ſeinem mythologiſchen Lexicon, behaupten, die Carme wäre eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors geweſen, craſſe Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬ fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen ſind, welchem Geſindel man einmal auf die Finger klopfen muß, daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß man ſich ſehr hüten müſſe, die Δειπνα απο σϰυ¬ ριδος der Griechen mit den Sportulis der Römer zu verwechſeln, daß man ungebetene Gäſte σϰιας nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht weniger iſt mir aus meinen Studien bekannt, daß man bei den Römern diejenigen Causarii nannte, welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienſte befreit werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬ reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege ſtrenge Unterſuchungen angeſtellt wurden, weßwegen der hohe Frankfurter Senat, als er den Beſchluß gefaßt, mich bei der Polizei anzuſtellen, welches ein Kriegsdienſt

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/194>, abgerufen am 03.05.2024.