Pythagoräer, von dem man die unglaublichsten und lächerlichsten Wunder erzählt, (so soll er in der kur¬ zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des Freimüthigen zweimal durchgelesen haben) -- aber ein einzelner Mensch kann nicht alles wissen. Da¬ gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬ jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in seinem mythologischen Lexicon, behaupten, die Carme wäre eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors gewesen, crasse Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬ fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen sind, welchem Gesindel man einmal auf die Finger klopfen muß, daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß man sich sehr hüten müsse, die Deipna apo sku¬ ridos der Griechen mit den Sportulis der Römer zu verwechseln, daß man ungebetene Gäste skias nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht weniger ist mir aus meinen Studien bekannt, daß man bei den Römern diejenigen Causarii nannte, welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienste befreit werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬ reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege strenge Untersuchungen angestellt wurden, weßwegen der hohe Frankfurter Senat, als er den Beschluß gefaßt, mich bei der Polizei anzustellen, welches ein Kriegsdienst
Pythagoräer, von dem man die unglaublichſten und lächerlichſten Wunder erzählt, (ſo ſoll er in der kur¬ zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des Freimüthigen zweimal durchgeleſen haben) — aber ein einzelner Menſch kann nicht alles wiſſen. Da¬ gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬ jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in ſeinem mythologiſchen Lexicon, behaupten, die Carme wäre eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors geweſen, craſſe Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬ fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen ſind, welchem Geſindel man einmal auf die Finger klopfen muß, daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß man ſich ſehr hüten müſſe, die Δειπνα απο σϰυ¬ ριδος der Griechen mit den Sportulis der Römer zu verwechſeln, daß man ungebetene Gäſte σϰιας nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht weniger iſt mir aus meinen Studien bekannt, daß man bei den Römern diejenigen Causarii nannte, welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienſte befreit werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬ reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege ſtrenge Unterſuchungen angeſtellt wurden, weßwegen der hohe Frankfurter Senat, als er den Beſchluß gefaßt, mich bei der Polizei anzuſtellen, welches ein Kriegsdienſt
<TEI><text><body><divn="1"><div><divn="3"><p><pbfacs="#f0194"n="180"/>
Pythagoräer, von dem man die unglaublichſten und<lb/>
lächerlichſten Wunder erzählt, (ſo ſoll er in der kur¬<lb/>
zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des<lb/>
Freimüthigen zweimal durchgeleſen haben) — aber<lb/>
ein einzelner Menſch kann nicht alles wiſſen. Da¬<lb/>
gegen weiß ich, daß <hirendition="#g">Carme</hi> die Tochter <hirendition="#g">Eubulus</hi><lb/>
und Enkelin <hirendition="#g">Carmanors</hi> war, und daß <hirendition="#g">Jupiter</hi><lb/>
mit ihr die <hirendition="#g">Britonortis</hi> erzeugte, und daß die¬<lb/>
jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in ſeinem<lb/>
mythologiſchen Lexicon, behaupten, die <hirendition="#g">Carme</hi> wäre<lb/>
eine Tochter des <hirendition="#g">Phönix</hi> und Enkelin des <hirendition="#g">Agenors</hi><lb/>
geweſen, craſſe Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬<lb/>
fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen ſind, welchem<lb/>
Geſindel man einmal auf die Finger klopfen muß,<lb/>
daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß<lb/>
man ſich ſehr hüten müſſe, die Δειπνααποσϰυ¬<lb/>ριδος der Griechen mit den <hirendition="#aq">Sportulis</hi> der Römer<lb/>
zu verwechſeln, daß man ungebetene Gäſte σϰιας<lb/>
nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht<lb/>
weniger iſt mir aus meinen Studien bekannt, daß<lb/>
man bei den Römern diejenigen <hirendition="#aq">Causarii</hi> nannte,<lb/>
welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienſte befreit<lb/>
werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬<lb/>
reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege ſtrenge<lb/>
Unterſuchungen angeſtellt wurden, weßwegen der hohe<lb/>
Frankfurter Senat, als er den Beſchluß gefaßt, mich<lb/>
bei der Polizei anzuſtellen, welches ein Kriegsdienſt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[180/0194]
Pythagoräer, von dem man die unglaublichſten und
lächerlichſten Wunder erzählt, (ſo ſoll er in der kur¬
zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des
Freimüthigen zweimal durchgeleſen haben) — aber
ein einzelner Menſch kann nicht alles wiſſen. Da¬
gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus
und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter
mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬
jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in ſeinem
mythologiſchen Lexicon, behaupten, die Carme wäre
eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors
geweſen, craſſe Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬
fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen ſind, welchem
Geſindel man einmal auf die Finger klopfen muß,
daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß
man ſich ſehr hüten müſſe, die Δειπνα απο σϰυ¬
ριδος der Griechen mit den Sportulis der Römer
zu verwechſeln, daß man ungebetene Gäſte σϰιας
nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht
weniger iſt mir aus meinen Studien bekannt, daß
man bei den Römern diejenigen Causarii nannte,
welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienſte befreit
werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬
reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege ſtrenge
Unterſuchungen angeſtellt wurden, weßwegen der hohe
Frankfurter Senat, als er den Beſchluß gefaßt, mich
bei der Polizei anzuſtellen, welches ein Kriegsdienſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/194>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.