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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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streben zu können, und doch keinen ihrer Fehler zu
theilen. Ja, weil ich als Knecht geboren, darum
liebe ich die Freiheit mehr als Ihr. Ja, weil ich
die Sclaverei gelernt, darum verstehe ich die Freiheit
besser als Ihr. Ja, weil ich keinem Vaterlande ge¬
boren, darum wünsche ich ein Vaterland heißer als
Ihr, und weil mein Geburtsort nicht größer war,
als die Judengasse, und hinter dem verschlossenen
Thore das Ausland für mich begann, genügt mir
auch die Stadt nicht mehr zum Vaterlande, nicht
mehr ein Landgebiet, nicht mehr eine Provinz; nur
das ganze große Vaterland genügt mir, so weit seine
Sprache reicht. Und hätte ich die Macht, ich dul¬
dete nicht, daß Landgebiet von Landgebiet, daß deut¬
scher Stamm von deutschem Stamm auch nur eine
Gosse trennte, nicht breiter als meine Hand; und
hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß nur ein
einziges deutsches Wort aus deutschem Munde jen¬
seits der Grenzen zu mir herüberschallte. Und weil
ich einmal aufgehört, ein Knecht von Bürgern zu
seyn, will ich auch nicht länger der Knecht eines
Fürsten bleiben; ganz frei will ich werden. Ich
habe mir das Haus meiner Freiheit von Grunde auf
gebaut; macht es wie ich und begnügt Euch nicht,
das Dach eines baufälligen Staatsgebäudes mit neuen
Ziegeln zu decken. Ich bitte Euch, verachtet mir
meinen Juden nicht. Wäret Ihr nur wie sie, dann

ſtreben zu können, und doch keinen ihrer Fehler zu
theilen. Ja, weil ich als Knecht geboren, darum
liebe ich die Freiheit mehr als Ihr. Ja, weil ich
die Sclaverei gelernt, darum verſtehe ich die Freiheit
beſſer als Ihr. Ja, weil ich keinem Vaterlande ge¬
boren, darum wünſche ich ein Vaterland heißer als
Ihr, und weil mein Geburtsort nicht größer war,
als die Judengaſſe, und hinter dem verſchloſſenen
Thore das Ausland für mich begann, genügt mir
auch die Stadt nicht mehr zum Vaterlande, nicht
mehr ein Landgebiet, nicht mehr eine Provinz; nur
das ganze große Vaterland genügt mir, ſo weit ſeine
Sprache reicht. Und hätte ich die Macht, ich dul¬
dete nicht, daß Landgebiet von Landgebiet, daß deut¬
ſcher Stamm von deutſchem Stamm auch nur eine
Goſſe trennte, nicht breiter als meine Hand; und
hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß nur ein
einziges deutſches Wort aus deutſchem Munde jen¬
ſeits der Grenzen zu mir herüberſchallte. Und weil
ich einmal aufgehört, ein Knecht von Bürgern zu
ſeyn, will ich auch nicht länger der Knecht eines
Fürſten bleiben; ganz frei will ich werden. Ich
habe mir das Haus meiner Freiheit von Grunde auf
gebaut; macht es wie ich und begnügt Euch nicht,
das Dach eines baufälligen Staatsgebäudes mit neuen
Ziegeln zu decken. Ich bitte Euch, verachtet mir
meinen Juden nicht. Wäret Ihr nur wie ſie, dann

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[140/0154] ſtreben zu können, und doch keinen ihrer Fehler zu theilen. Ja, weil ich als Knecht geboren, darum liebe ich die Freiheit mehr als Ihr. Ja, weil ich die Sclaverei gelernt, darum verſtehe ich die Freiheit beſſer als Ihr. Ja, weil ich keinem Vaterlande ge¬ boren, darum wünſche ich ein Vaterland heißer als Ihr, und weil mein Geburtsort nicht größer war, als die Judengaſſe, und hinter dem verſchloſſenen Thore das Ausland für mich begann, genügt mir auch die Stadt nicht mehr zum Vaterlande, nicht mehr ein Landgebiet, nicht mehr eine Provinz; nur das ganze große Vaterland genügt mir, ſo weit ſeine Sprache reicht. Und hätte ich die Macht, ich dul¬ dete nicht, daß Landgebiet von Landgebiet, daß deut¬ ſcher Stamm von deutſchem Stamm auch nur eine Goſſe trennte, nicht breiter als meine Hand; und hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß nur ein einziges deutſches Wort aus deutſchem Munde jen¬ ſeits der Grenzen zu mir herüberſchallte. Und weil ich einmal aufgehört, ein Knecht von Bürgern zu ſeyn, will ich auch nicht länger der Knecht eines Fürſten bleiben; ganz frei will ich werden. Ich habe mir das Haus meiner Freiheit von Grunde auf gebaut; macht es wie ich und begnügt Euch nicht, das Dach eines baufälligen Staatsgebäudes mit neuen Ziegeln zu decken. Ich bitte Euch, verachtet mir meinen Juden nicht. Wäret Ihr nur wie ſie, dann

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/154>, abgerufen am 25.11.2024.