aufgeregt und widersetzlich, daß man die Hinrichtung nicht vorzunehmen wagte. Jetzt haben sie den Richt¬ platz an das Ende der Vorstadt St. Jaques verlegt, außerhalb des Gesichtskreises des Volkes, eine Stunde vom Mittelpunkte der Stadt entfernt. Die letzte Hinrichtung haben sie ganz im Stillen voll¬ zogen; erst zwei Tage später erfuhr Paris davon. Die Zeitungen der Minister haben es im Triumphe erzählt, wie schön Alles gelungen, und wie der Schleier des Geheimnisses alles dicht bedeckte. Das Schaffot wurde in der Nacht aufgerichtet und die Verbrecher morgens acht Uhr auf den Richtplatz ge¬ führt. Diese waren schon seit vielen Monaten ver¬ urtheilt, auf die Begnadigung hofften sie nicht mehr, sie war ihnen Gewißheit. Noch am Nachmit¬ tage gingen sie im Hofe der Conciergerie ruhig und rettungsfroh spatzieren, und als sie sich Abends zu Bette legen wollten, kündigte man ihnen für den andern Morgen den Tod an. Der eine Verurtheilte sagte am Fuße der Guillotine zum Henker: eilt Euch! eilt Euch! Aber sie haben ihn nicht ver¬ standen, diesen Donner des Himmels. Eilt Euch! Eilt Euch! ruft es ihnen von oben herab; kurz ist Eure Zeit! Die heillos verblendeten Thoren! Als der edle Tracy in der Kammer auf die Abschaffung der Todesstrafe angetragen, da hätten sie nicht ruhen und rasten, sie hätten ihre Kinder nicht wiedersehn,
aufgeregt und widerſetzlich, daß man die Hinrichtung nicht vorzunehmen wagte. Jetzt haben ſie den Richt¬ platz an das Ende der Vorſtadt St. Jaques verlegt, außerhalb des Geſichtskreiſes des Volkes, eine Stunde vom Mittelpunkte der Stadt entfernt. Die letzte Hinrichtung haben ſie ganz im Stillen voll¬ zogen; erſt zwei Tage ſpäter erfuhr Paris davon. Die Zeitungen der Miniſter haben es im Triumphe erzählt, wie ſchön Alles gelungen, und wie der Schleier des Geheimniſſes alles dicht bedeckte. Das Schaffot wurde in der Nacht aufgerichtet und die Verbrecher morgens acht Uhr auf den Richtplatz ge¬ führt. Dieſe waren ſchon ſeit vielen Monaten ver¬ urtheilt, auf die Begnadigung hofften ſie nicht mehr, ſie war ihnen Gewißheit. Noch am Nachmit¬ tage gingen ſie im Hofe der Conciergerie ruhig und rettungsfroh ſpatzieren, und als ſie ſich Abends zu Bette legen wollten, kündigte man ihnen für den andern Morgen den Tod an. Der eine Verurtheilte ſagte am Fuße der Guillotine zum Henker: eilt Euch! eilt Euch! Aber ſie haben ihn nicht ver¬ ſtanden, dieſen Donner des Himmels. Eilt Euch! Eilt Euch! ruft es ihnen von oben herab; kurz iſt Eure Zeit! Die heillos verblendeten Thoren! Als der edle Tracy in der Kammer auf die Abſchaffung der Todesſtrafe angetragen, da hätten ſie nicht ruhen und raſten, ſie hätten ihre Kinder nicht wiederſehn,
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aufgeregt und widerſetzlich, daß man die Hinrichtung
nicht vorzunehmen wagte. Jetzt haben ſie den Richt¬
platz an das Ende der Vorſtadt St. Jaques verlegt,
außerhalb des Geſichtskreiſes des Volkes, eine
Stunde vom Mittelpunkte der Stadt entfernt. Die
letzte Hinrichtung haben ſie ganz im Stillen voll¬
zogen; erſt zwei Tage ſpäter erfuhr Paris davon.
Die Zeitungen der Miniſter haben es im Triumphe
erzählt, wie ſchön Alles gelungen, und wie der
Schleier des Geheimniſſes alles dicht bedeckte. Das
Schaffot wurde in der Nacht aufgerichtet und die
Verbrecher morgens acht Uhr auf den Richtplatz ge¬
führt. Dieſe waren ſchon ſeit vielen Monaten ver¬
urtheilt, auf die Begnadigung hofften ſie nicht
mehr, ſie war ihnen Gewißheit. Noch am Nachmit¬
tage gingen ſie im Hofe der Conciergerie ruhig und
rettungsfroh ſpatzieren, und als ſie ſich Abends zu
Bette legen wollten, kündigte man ihnen für den
andern Morgen den Tod an. Der eine Verurtheilte
ſagte am Fuße der Guillotine zum Henker: eilt
Euch! eilt Euch! Aber ſie haben ihn nicht ver¬
ſtanden, dieſen Donner des Himmels. Eilt Euch!
Eilt Euch! ruft es ihnen von oben herab; kurz iſt
Eure Zeit! Die heillos verblendeten Thoren! Als
der edle Tracy in der Kammer auf die Abſchaffung
der Todesſtrafe angetragen, da hätten ſie nicht ruhen
und raſten, ſie hätten ihre Kinder nicht wiederſehn,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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