Louis Philipp, wenn er in einem Jahre noch König ist, wird sich krönen lassen; aber nicht zu Rheims in St. Remi, sondern zu Paris in Notre-Dame de la bourse und Rotschild wird dabei als Erzbischof fungiren. Nach der Krönung wird man, wie üblich, Tauben auffliegen lassen, und eine unter ihnen, eine lustige Lachtaube, wird nach St. Helena hinüberfliegen, sich auf das Grab Napoleons setzen und seinen Ge¬ beinen lachend erzählen, sie habe gestern seinen Nach¬ folger salben sehen, aber nicht vom Papste, sondern von einem Juden, und der jetzige Beherrscher Frank¬ reichs habe den Titel angenommen: Empereur des cinq pour Cent, Roi des trois pour Cent, pro¬ tecteur des banquiers et mediatiseur des agens de change. Ich weiß aber wahrhaftig nicht, was die dumme Taube dabei zu lachen findet. Wäre es nicht das größte Glück für die Welt, wenn man alle Könige wegjagte und die Familie Rothschild auf deren Throne setzte? Man bedenke die Vortheile. Die neue Dynastie würde keine Anleihen machen, denn sie wüßte am besten, wie theuer ihnen das zu stehen käme, und schon dadurch allein würde die Abgaben¬ last der Unterthanen jährlich um viele Millionen er¬ leichtert werden. Die Bestechungen der Minister müßten aufhören, die activen wie die passiven; denn womit sollten sie, wofür sollte man sie bestechen? Das wird dann alte Regel. Dadurch würde die
Louis Philipp, wenn er in einem Jahre noch König iſt, wird ſich krönen laſſen; aber nicht zu Rheims in St. Remi, ſondern zu Paris in Notre-Dame de la bourse und Rotſchild wird dabei als Erzbiſchof fungiren. Nach der Krönung wird man, wie üblich, Tauben auffliegen laſſen, und eine unter ihnen, eine luſtige Lachtaube, wird nach St. Helena hinüberfliegen, ſich auf das Grab Napoleons ſetzen und ſeinen Ge¬ beinen lachend erzählen, ſie habe geſtern ſeinen Nach¬ folger ſalben ſehen, aber nicht vom Papſte, ſondern von einem Juden, und der jetzige Beherrſcher Frank¬ reichs habe den Titel angenommen: Empereur des cinq pour Cent, Roi des trois pour Cent, pro¬ tecteur des banquiers et médiatiseur des agens de change. Ich weiß aber wahrhaftig nicht, was die dumme Taube dabei zu lachen findet. Wäre es nicht das größte Glück für die Welt, wenn man alle Könige wegjagte und die Familie Rothſchild auf deren Throne ſetzte? Man bedenke die Vortheile. Die neue Dynaſtie würde keine Anleihen machen, denn ſie wüßte am beſten, wie theuer ihnen das zu ſtehen käme, und ſchon dadurch allein würde die Abgaben¬ laſt der Unterthanen jährlich um viele Millionen er¬ leichtert werden. Die Beſtechungen der Miniſter müßten aufhören, die activen wie die paſſiven; denn womit ſollten ſie, wofür ſollte man ſie beſtechen? Das wird dann alte Regel. Dadurch würde die
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Louis Philipp, wenn er in einem Jahre noch König
iſt, wird ſich krönen laſſen; aber nicht zu Rheims
in St. Remi, ſondern zu Paris in Notre-Dame de
la bourse und Rotſchild wird dabei als Erzbiſchof
fungiren. Nach der Krönung wird man, wie üblich,
Tauben auffliegen laſſen, und eine unter ihnen, eine
luſtige Lachtaube, wird nach St. Helena hinüberfliegen,
ſich auf das Grab Napoleons ſetzen und ſeinen Ge¬
beinen lachend erzählen, ſie habe geſtern ſeinen Nach¬
folger ſalben ſehen, aber nicht vom Papſte, ſondern
von einem Juden, und der jetzige Beherrſcher Frank¬
reichs habe den Titel angenommen: Empereur des
cinq pour Cent, Roi des trois pour Cent, pro¬
tecteur des banquiers et médiatiseur des agens
de change. Ich weiß aber wahrhaftig nicht, was
die dumme Taube dabei zu lachen findet. Wäre es
nicht das größte Glück für die Welt, wenn man alle
Könige wegjagte und die Familie Rothſchild auf deren
Throne ſetzte? Man bedenke die Vortheile. Die
neue Dynaſtie würde keine Anleihen machen, denn ſie
wüßte am beſten, wie theuer ihnen das zu ſtehen
käme, und ſchon dadurch allein würde die Abgaben¬
laſt der Unterthanen jährlich um viele Millionen er¬
leichtert werden. Die Beſtechungen der Miniſter
müßten aufhören, die activen wie die paſſiven; denn
womit ſollten ſie, wofür ſollte man ſie beſtechen?
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/112>, abgerufen am 21.11.2024.
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