Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

München so wunderliche Reden geführt als ihre
Ankläger. Einer der ersten sagte: die Juden
seyen zur Zeit ihrer Selbstständigkeit ein tapfe¬
res Volk gewesen, und die hartnäckige Verthei¬
digung von Jerusalem sey mit der von Sara¬
gossa zu vergleichen. Aber, gerechter Gott! dar¬
auf kömmt es ja hier gar nicht an. Die staats¬
bürgerliche Gleichheit soll ja den Juden nicht als
ein Verdienst, als ein Lohn, sie soll ihnen als
ein unveräußerliches Recht zuerkannt werden.
Schlimm ist für die Juden, daß der Deutsche
in dieser Sache wie immer unter der strengen
Regierung seines Herzens steht. Selbst um ge¬
recht zu seyn, muß der Deutsche lieben. Nun
liebt man aber die Juden nicht. Aber der starke
Mann der Wahrheit und des Rechts muß auch
sein Herz zu meistern wissen. Sie wissen, wie
meines für die Juden schlägt! Und habe ich sie
darum nicht doch immer vertheidigt?


Muͤnchen ſo wunderliche Reden gefuͤhrt als ihre
Anklaͤger. Einer der erſten ſagte: die Juden
ſeyen zur Zeit ihrer Selbſtſtaͤndigkeit ein tapfe¬
res Volk geweſen, und die hartnaͤckige Verthei¬
digung von Jeruſalem ſey mit der von Sara¬
goſſa zu vergleichen. Aber, gerechter Gott! dar¬
auf koͤmmt es ja hier gar nicht an. Die ſtaats¬
buͤrgerliche Gleichheit ſoll ja den Juden nicht als
ein Verdienſt, als ein Lohn, ſie ſoll ihnen als
ein unveraͤußerliches Recht zuerkannt werden.
Schlimm iſt fuͤr die Juden, daß der Deutſche
in dieſer Sache wie immer unter der ſtrengen
Regierung ſeines Herzens ſteht. Selbſt um ge¬
recht zu ſeyn, muß der Deutſche lieben. Nun
liebt man aber die Juden nicht. Aber der ſtarke
Mann der Wahrheit und des Rechts muß auch
ſein Herz zu meiſtern wiſſen. Sie wiſſen, wie
meines fuͤr die Juden ſchlaͤgt! Und habe ich ſie
darum nicht doch immer vertheidigt?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0262" n="248"/>
Mu&#x0364;nchen &#x017F;o wunderliche Reden gefu&#x0364;hrt als ihre<lb/>
Ankla&#x0364;ger. Einer der er&#x017F;ten &#x017F;agte: die Juden<lb/>
&#x017F;eyen zur Zeit ihrer Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit ein tapfe¬<lb/>
res Volk gewe&#x017F;en, und die hartna&#x0364;ckige Verthei¬<lb/>
digung von Jeru&#x017F;alem &#x017F;ey mit der von Sara¬<lb/>
go&#x017F;&#x017F;a zu vergleichen. Aber, gerechter Gott! dar¬<lb/>
auf ko&#x0364;mmt es ja hier gar nicht an. Die &#x017F;taats¬<lb/>
bu&#x0364;rgerliche Gleichheit &#x017F;oll ja den Juden nicht als<lb/>
ein Verdien&#x017F;t, als ein Lohn, &#x017F;ie &#x017F;oll ihnen als<lb/>
ein unvera&#x0364;ußerliches Recht zuerkannt werden.<lb/>
Schlimm i&#x017F;t fu&#x0364;r die Juden, daß der Deut&#x017F;che<lb/>
in die&#x017F;er Sache wie immer unter der &#x017F;trengen<lb/>
Regierung &#x017F;eines Herzens &#x017F;teht. Selb&#x017F;t um ge¬<lb/>
recht zu &#x017F;eyn, muß der Deut&#x017F;che lieben. Nun<lb/>
liebt man aber die Juden nicht. Aber der &#x017F;tarke<lb/>
Mann der Wahrheit und des Rechts muß auch<lb/>
&#x017F;ein Herz zu mei&#x017F;tern wi&#x017F;&#x017F;en. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, wie<lb/>
meines fu&#x0364;r die Juden &#x017F;chla&#x0364;gt! Und habe ich &#x017F;ie<lb/>
darum nicht doch immer vertheidigt?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0262] Muͤnchen ſo wunderliche Reden gefuͤhrt als ihre Anklaͤger. Einer der erſten ſagte: die Juden ſeyen zur Zeit ihrer Selbſtſtaͤndigkeit ein tapfe¬ res Volk geweſen, und die hartnaͤckige Verthei¬ digung von Jeruſalem ſey mit der von Sara¬ goſſa zu vergleichen. Aber, gerechter Gott! dar¬ auf koͤmmt es ja hier gar nicht an. Die ſtaats¬ buͤrgerliche Gleichheit ſoll ja den Juden nicht als ein Verdienſt, als ein Lohn, ſie ſoll ihnen als ein unveraͤußerliches Recht zuerkannt werden. Schlimm iſt fuͤr die Juden, daß der Deutſche in dieſer Sache wie immer unter der ſtrengen Regierung ſeines Herzens ſteht. Selbſt um ge¬ recht zu ſeyn, muß der Deutſche lieben. Nun liebt man aber die Juden nicht. Aber der ſtarke Mann der Wahrheit und des Rechts muß auch ſein Herz zu meiſtern wiſſen. Sie wiſſen, wie meines fuͤr die Juden ſchlaͤgt! Und habe ich ſie darum nicht doch immer vertheidigt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/262
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/262>, abgerufen am 23.11.2024.