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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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haben. Im deutschen Theater gefiel sie den
Parisern sehr, und da kam die Eitelkeit über
sie und stach ihr die Augen aus. Jetzt be¬
geht sie gar noch den tollen Uebermuth und
tritt nächsten Sonntag zugleich mit der Mali¬
bran und zwar in einem Stücke auf, worin
sie deren Rolle übernimmt. Sie wird im
Othello die Desdemona singen und die Mali¬
bran den Mohr. *** sagte mir heute:
die Malibran (es ist ihr Benefiz) habe das
so angezettelt, um die Devrient auf einmal
und für immer zu stürzen. Mein vaterländi¬
sches Herz blutet mir bei dieser traurigen Aus¬
sicht. Ich bin in einer schrecklichen Lage.
Ich wünsche den Triumph der Malibran, und
würde doch den Fall der Devrient beweinen.
So zwischen Liebe und Patriotismus geklemmt
-- was soll ich thun, wie soll ich mich er¬
leichtern? Theure Freundin, helfen, rathen Sie.
Welche Zeit! wohin soll man sich wenden?

haben. Im deutſchen Theater gefiel ſie den
Pariſern ſehr, und da kam die Eitelkeit uͤber
ſie und ſtach ihr die Augen aus. Jetzt be¬
geht ſie gar noch den tollen Uebermuth und
tritt naͤchſten Sonntag zugleich mit der Mali¬
bran und zwar in einem Stuͤcke auf, worin
ſie deren Rolle uͤbernimmt. Sie wird im
Othello die Desdemona ſingen und die Mali¬
bran den Mohr. *** ſagte mir heute:
die Malibran (es iſt ihr Benefiz) habe das
ſo angezettelt, um die Devrient auf einmal
und fuͤr immer zu ſtuͤrzen. Mein vaterlaͤndi¬
ſches Herz blutet mir bei dieſer traurigen Aus¬
ſicht. Ich bin in einer ſchrecklichen Lage.
Ich wuͤnſche den Triumph der Malibran, und
wuͤrde doch den Fall der Devrient beweinen.
So zwiſchen Liebe und Patriotismus geklemmt
— was ſoll ich thun, wie ſoll ich mich er¬
leichtern? Theure Freundin, helfen, rathen Sie.
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[133/0147] haben. Im deutſchen Theater gefiel ſie den Pariſern ſehr, und da kam die Eitelkeit uͤber ſie und ſtach ihr die Augen aus. Jetzt be¬ geht ſie gar noch den tollen Uebermuth und tritt naͤchſten Sonntag zugleich mit der Mali¬ bran und zwar in einem Stuͤcke auf, worin ſie deren Rolle uͤbernimmt. Sie wird im Othello die Desdemona ſingen und die Mali¬ bran den Mohr. *** ſagte mir heute: die Malibran (es iſt ihr Benefiz) habe das ſo angezettelt, um die Devrient auf einmal und fuͤr immer zu ſtuͤrzen. Mein vaterlaͤndi¬ ſches Herz blutet mir bei dieſer traurigen Aus¬ ſicht. Ich bin in einer ſchrecklichen Lage. Ich wuͤnſche den Triumph der Malibran, und wuͤrde doch den Fall der Devrient beweinen. So zwiſchen Liebe und Patriotismus geklemmt — was ſoll ich thun, wie ſoll ich mich er¬ leichtern? Theure Freundin, helfen, rathen Sie. Welche Zeit! wohin ſoll man ſich wenden?

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/147>, abgerufen am 18.04.2024.