Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Volk habe ihn nicht gewählt, damit er die
Minister ungeschoren lasse. Noch eine merk¬
würdige Sitzung fand neulich in Karlsruhe
statt. Der Deputirte Welker, der für seinen
Geist, seinen Muth und seine Beharrlichkeit
die Bewunderung und den Dank von ganz
Europa verdient (denn die Freiheit selber des
kleinsten Staats ist eine Angelegenheit der
ganzen Welt), hat die Motion gemacht: die
badische Regierung solle bei der deutschen Bun¬
desversammlung den Antrag machen, daß ne¬
ben den Diplomaten, die doch eigentlich nur
die Fürsten repräsentiren, auch eine deutsche
Volkskammer gebildet werde. Die Carlsruher
Minister, als diese Motion von Welker ange¬
kündigt wurde, hatten nicht einmal den Muth,
sie mit anzuhören und sind vor Angst aus der
Kammer gelaufen. Ist das nicht köstlich, deutsch,
eine in Spiritus zu verwahrende Geschichte?
Auch Rotteck und Fecht haben sich bei dieser Ge¬

Volk habe ihn nicht gewaͤhlt, damit er die
Miniſter ungeſchoren laſſe. Noch eine merk¬
wuͤrdige Sitzung fand neulich in Karlsruhe
ſtatt. Der Deputirte Welker, der fuͤr ſeinen
Geiſt, ſeinen Muth und ſeine Beharrlichkeit
die Bewunderung und den Dank von ganz
Europa verdient (denn die Freiheit ſelber des
kleinſten Staats iſt eine Angelegenheit der
ganzen Welt), hat die Motion gemacht: die
badiſche Regierung ſolle bei der deutſchen Bun¬
desverſammlung den Antrag machen, daß ne¬
ben den Diplomaten, die doch eigentlich nur
die Fuͤrſten repraͤſentiren, auch eine deutſche
Volkskammer gebildet werde. Die Carlsruher
Miniſter, als dieſe Motion von Welker ange¬
kuͤndigt wurde, hatten nicht einmal den Muth,
ſie mit anzuhoͤren und ſind vor Angſt aus der
Kammer gelaufen. Iſt das nicht koͤſtlich, deutſch,
eine in Spiritus zu verwahrende Geſchichte?
Auch Rotteck und Fecht haben ſich bei dieſer Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="86[89]"/>
Volk habe ihn nicht gewa&#x0364;hlt, damit er die<lb/>
Mini&#x017F;ter unge&#x017F;choren la&#x017F;&#x017F;e. Noch eine merk¬<lb/>
wu&#x0364;rdige Sitzung fand neulich in Karlsruhe<lb/>
&#x017F;tatt. Der Deputirte Welker, der fu&#x0364;r &#x017F;einen<lb/>
Gei&#x017F;t, &#x017F;einen Muth und &#x017F;eine Beharrlichkeit<lb/>
die Bewunderung und den Dank von ganz<lb/>
Europa verdient (denn die Freiheit &#x017F;elber des<lb/>
klein&#x017F;ten Staats i&#x017F;t eine Angelegenheit der<lb/>
ganzen Welt), hat die Motion gemacht: die<lb/>
badi&#x017F;che Regierung &#x017F;olle bei der deut&#x017F;chen Bun¬<lb/>
desver&#x017F;ammlung den Antrag machen, daß ne¬<lb/>
ben den Diplomaten, die doch eigentlich nur<lb/>
die Fu&#x0364;r&#x017F;ten repra&#x0364;&#x017F;entiren, auch eine deut&#x017F;che<lb/>
Volkskammer gebildet werde. Die Carlsruher<lb/>
Mini&#x017F;ter, als die&#x017F;e Motion von Welker ange¬<lb/>
ku&#x0364;ndigt wurde, hatten nicht einmal den Muth,<lb/>
&#x017F;ie mit anzuho&#x0364;ren und &#x017F;ind vor Ang&#x017F;t aus der<lb/>
Kammer gelaufen. I&#x017F;t das nicht ko&#x0364;&#x017F;tlich, deut&#x017F;ch,<lb/>
eine in Spiritus zu verwahrende Ge&#x017F;chichte?<lb/>
Auch Rotteck und Fecht haben &#x017F;ich bei die&#x017F;er Ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86[89]/0103] Volk habe ihn nicht gewaͤhlt, damit er die Miniſter ungeſchoren laſſe. Noch eine merk¬ wuͤrdige Sitzung fand neulich in Karlsruhe ſtatt. Der Deputirte Welker, der fuͤr ſeinen Geiſt, ſeinen Muth und ſeine Beharrlichkeit die Bewunderung und den Dank von ganz Europa verdient (denn die Freiheit ſelber des kleinſten Staats iſt eine Angelegenheit der ganzen Welt), hat die Motion gemacht: die badiſche Regierung ſolle bei der deutſchen Bun¬ desverſammlung den Antrag machen, daß ne¬ ben den Diplomaten, die doch eigentlich nur die Fuͤrſten repraͤſentiren, auch eine deutſche Volkskammer gebildet werde. Die Carlsruher Miniſter, als dieſe Motion von Welker ange¬ kuͤndigt wurde, hatten nicht einmal den Muth, ſie mit anzuhoͤren und ſind vor Angſt aus der Kammer gelaufen. Iſt das nicht koͤſtlich, deutſch, eine in Spiritus zu verwahrende Geſchichte? Auch Rotteck und Fecht haben ſich bei dieſer Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/103
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 86[89]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/103>, abgerufen am 26.04.2024.