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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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übrig, als daß die Leute von Welt Schriftsteller
werden. Er soll kein Geld haben; noch schöner, er
sei uns herzlich willkommen. Das ist der wahre
Stempel des Genies. Einem guten deutschen Schrift¬
steller ist nichts nöthiger als die Noth. Der Fürst
mag zwar keinen Ueberfluß an Mangel haben, wie
Fallstaff sagt, sondern nur Mangel an Ueberfluß.
Aber nur immer herein. Ist er kein armer Teufel,
kann er es doch noch werden. Doch müssen wir ihm,
wie allen adligen Schriftstellern, sehr auf die Finger
sehen. Nicht damit sie nichts mitnehmen, was nicht
ihnen gehört (was wäre bei uns zu holen?) sondern,
daß sie nichts da lassen, was nicht uns gehört --
keinen Hochmuth, keinen Adelstolz. Der blickt, der
dringt aber nicht selten in den Briefen eines Ver¬
storbenen durch. Ruft er doch einmal, als er im
Gebirge zwei Adler über seinem Haupte schweben
sah, aus: "Willkommen meine treuen Wap¬
penvögel
!" Hinaus mit ihm! Was Wappenvö¬
gel! Will er etwas besonderes haben? Ein deut¬
scher Schriftsteller hat kein anderes Wappen, als
einen leeren Beutel im blauen Felde. Wappenvögel!
Hinaus mit ihm aus dem Meß-Katolog! Der
Hochmuth soll Manuscript bleiben, nicht gedruckt
werden. Wenn er oben auf dem Snovdon, dem
höchsten Berge Englands, Champagner trinkt auf die

übrig, als daß die Leute von Welt Schriftſteller
werden. Er ſoll kein Geld haben; noch ſchöner, er
ſei uns herzlich willkommen. Das iſt der wahre
Stempel des Genies. Einem guten deutſchen Schrift¬
ſteller iſt nichts nöthiger als die Noth. Der Fürſt
mag zwar keinen Ueberfluß an Mangel haben, wie
Fallſtaff ſagt, ſondern nur Mangel an Ueberfluß.
Aber nur immer herein. Iſt er kein armer Teufel,
kann er es doch noch werden. Doch müſſen wir ihm,
wie allen adligen Schriftſtellern, ſehr auf die Finger
ſehen. Nicht damit ſie nichts mitnehmen, was nicht
ihnen gehört (was wäre bei uns zu holen?) ſondern,
daß ſie nichts da laſſen, was nicht uns gehört —
keinen Hochmuth, keinen Adelſtolz. Der blickt, der
dringt aber nicht ſelten in den Briefen eines Ver¬
ſtorbenen durch. Ruft er doch einmal, als er im
Gebirge zwei Adler über ſeinem Haupte ſchweben
ſah, aus: „Willkommen meine treuen Wap¬
penvögel
!“ Hinaus mit ihm! Was Wappenvö¬
gel! Will er etwas beſonderes haben? Ein deut¬
ſcher Schriftſteller hat kein anderes Wappen, als
einen leeren Beutel im blauen Felde. Wappenvögel!
Hinaus mit ihm aus dem Meß-Katolog! Der
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[40/0054] übrig, als daß die Leute von Welt Schriftſteller werden. Er ſoll kein Geld haben; noch ſchöner, er ſei uns herzlich willkommen. Das iſt der wahre Stempel des Genies. Einem guten deutſchen Schrift¬ ſteller iſt nichts nöthiger als die Noth. Der Fürſt mag zwar keinen Ueberfluß an Mangel haben, wie Fallſtaff ſagt, ſondern nur Mangel an Ueberfluß. Aber nur immer herein. Iſt er kein armer Teufel, kann er es doch noch werden. Doch müſſen wir ihm, wie allen adligen Schriftſtellern, ſehr auf die Finger ſehen. Nicht damit ſie nichts mitnehmen, was nicht ihnen gehört (was wäre bei uns zu holen?) ſondern, daß ſie nichts da laſſen, was nicht uns gehört — keinen Hochmuth, keinen Adelſtolz. Der blickt, der dringt aber nicht ſelten in den Briefen eines Ver¬ ſtorbenen durch. Ruft er doch einmal, als er im Gebirge zwei Adler über ſeinem Haupte ſchweben ſah, aus: „Willkommen meine treuen Wap¬ penvögel!“ Hinaus mit ihm! Was Wappenvö¬ gel! Will er etwas beſonderes haben? Ein deut¬ ſcher Schriftſteller hat kein anderes Wappen, als einen leeren Beutel im blauen Felde. Wappenvögel! Hinaus mit ihm aus dem Meß-Katolog! Der Hochmuth ſoll Manuſcript bleiben, nicht gedruckt werden. Wenn er oben auf dem Snovdon, dem höchſten Berge Englands, Champagner trinkt auf die

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/54>, abgerufen am 22.12.2024.