seines Buches: "Die vollkommene und ganze Pre߬ freiheit nach ihrer sittlichen, rechtlichen und politischen Nothwendigkeit, nach ihrer Uebereinstimmung mit deutschem Fürstenwort und nach ihrer völligen Zeit¬ gemäßheit dargestellt, in ehrerbietigster Petition an die hohe deutsche Bundesversammlung."... Die Herren von der deutschen Bundesversammlung werden den ehrerbietigen Professor auslachen. Wenn ich über die Preßfreiheit schriebe, würde ich anfangen: "Die Preßfreiheit, oder der Teufel holt Euch alle mit ein¬ ander, Volk, Fürsten und deutsches Land!" Ich meine, das müsse einen ganz andern Effekt machen. Je mehr Gründe, je mehr Füße; je mehr Füße, je langsamer der Gang; das siehet man an den Insekten. Doch genug -- und habe ich nicht Recht, daß ich in die italienische Oper gehe?
Mein Tagebuch aus Soden habe ich, seit ich es geschrieben, nicht mehr gelesen. War es gut, so ist es noch gut; das hat keine Noth, Aelter ist dar¬ über wohl manches in Deutschland geworden, aber alt nichts. Es blühen alle Veilchen, vor wie nach.
Sie können sich wohl denken, daß ich den Un¬ fug, den die Studenten in der Sorbonne sich gegen den Minister Barthe zu Schulden kommen ließen, nicht billigen werde. Die Studenten selbst haben sich gegen dieses tadelnswürdige Betragen, das nur auf Einige unter ihnen fiel, laut geäußert. Aber selbst
ſeines Buches: „Die vollkommene und ganze Pre߬ freiheit nach ihrer ſittlichen, rechtlichen und politiſchen Nothwendigkeit, nach ihrer Uebereinſtimmung mit deutſchem Fürſtenwort und nach ihrer völligen Zeit¬ gemäßheit dargeſtellt, in ehrerbietigſter Petition an die hohe deutſche Bundesverſammlung.“... Die Herren von der deutſchen Bundesverſammlung werden den ehrerbietigen Profeſſor auslachen. Wenn ich über die Preßfreiheit ſchriebe, würde ich anfangen: „Die Preßfreiheit, oder der Teufel holt Euch alle mit ein¬ ander, Volk, Fürſten und deutſches Land!“ Ich meine, das müſſe einen ganz andern Effekt machen. Je mehr Gründe, je mehr Füße; je mehr Füße, je langſamer der Gang; das ſiehet man an den Inſekten. Doch genug — und habe ich nicht Recht, daß ich in die italieniſche Oper gehe?
Mein Tagebuch aus Soden habe ich, ſeit ich es geſchrieben, nicht mehr geleſen. War es gut, ſo iſt es noch gut; das hat keine Noth, Aelter iſt dar¬ über wohl manches in Deutſchland geworden, aber alt nichts. Es blühen alle Veilchen, vor wie nach.
Sie können ſich wohl denken, daß ich den Un¬ fug, den die Studenten in der Sorbonne ſich gegen den Miniſter Barthe zu Schulden kommen ließen, nicht billigen werde. Die Studenten ſelbſt haben ſich gegen dieſes tadelnswürdige Betragen, das nur auf Einige unter ihnen fiel, laut geäußert. Aber ſelbſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0045"n="31"/>ſeines Buches: „Die vollkommene und ganze Pre߬<lb/>
freiheit nach ihrer ſittlichen, rechtlichen und politiſchen<lb/>
Nothwendigkeit, nach ihrer Uebereinſtimmung mit<lb/>
deutſchem Fürſtenwort und nach ihrer völligen Zeit¬<lb/>
gemäßheit dargeſtellt, in ehrerbietigſter Petition an<lb/>
die hohe deutſche Bundesverſammlung.“... Die<lb/>
Herren von der deutſchen Bundesverſammlung werden<lb/>
den ehrerbietigen Profeſſor auslachen. Wenn ich über<lb/>
die Preßfreiheit ſchriebe, würde ich anfangen: „Die<lb/>
Preßfreiheit, oder der Teufel holt Euch alle mit ein¬<lb/>
ander, Volk, Fürſten und deutſches Land!“ Ich<lb/>
meine, das müſſe einen ganz andern Effekt machen.<lb/>
Je mehr Gründe, je mehr Füße; je mehr Füße, je<lb/>
langſamer der Gang; das ſiehet man an den Inſekten.<lb/>
Doch genug — und habe ich nicht Recht, daß ich<lb/>
in die italieniſche Oper gehe?</p><lb/><p>Mein Tagebuch aus Soden habe ich, ſeit ich<lb/>
es geſchrieben, nicht mehr geleſen. War es gut, ſo<lb/>
iſt es noch gut; das hat keine Noth, Aelter iſt dar¬<lb/>
über wohl manches in Deutſchland geworden, aber<lb/>
alt nichts. Es blühen alle Veilchen, vor wie nach.</p><lb/><p>Sie können ſich wohl denken, daß ich den Un¬<lb/>
fug, den die Studenten in der Sorbonne ſich gegen<lb/>
den Miniſter Barthe zu Schulden kommen ließen,<lb/>
nicht billigen werde. Die Studenten ſelbſt haben ſich<lb/>
gegen dieſes tadelnswürdige Betragen, das nur auf<lb/>
Einige unter ihnen fiel, laut geäußert. Aber ſelbſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[31/0045]
ſeines Buches: „Die vollkommene und ganze Pre߬
freiheit nach ihrer ſittlichen, rechtlichen und politiſchen
Nothwendigkeit, nach ihrer Uebereinſtimmung mit
deutſchem Fürſtenwort und nach ihrer völligen Zeit¬
gemäßheit dargeſtellt, in ehrerbietigſter Petition an
die hohe deutſche Bundesverſammlung.“... Die
Herren von der deutſchen Bundesverſammlung werden
den ehrerbietigen Profeſſor auslachen. Wenn ich über
die Preßfreiheit ſchriebe, würde ich anfangen: „Die
Preßfreiheit, oder der Teufel holt Euch alle mit ein¬
ander, Volk, Fürſten und deutſches Land!“ Ich
meine, das müſſe einen ganz andern Effekt machen.
Je mehr Gründe, je mehr Füße; je mehr Füße, je
langſamer der Gang; das ſiehet man an den Inſekten.
Doch genug — und habe ich nicht Recht, daß ich
in die italieniſche Oper gehe?
Mein Tagebuch aus Soden habe ich, ſeit ich
es geſchrieben, nicht mehr geleſen. War es gut, ſo
iſt es noch gut; das hat keine Noth, Aelter iſt dar¬
über wohl manches in Deutſchland geworden, aber
alt nichts. Es blühen alle Veilchen, vor wie nach.
Sie können ſich wohl denken, daß ich den Un¬
fug, den die Studenten in der Sorbonne ſich gegen
den Miniſter Barthe zu Schulden kommen ließen,
nicht billigen werde. Die Studenten ſelbſt haben ſich
gegen dieſes tadelnswürdige Betragen, das nur auf
Einige unter ihnen fiel, laut geäußert. Aber ſelbſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/45>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.