Siegern von Göttingen wären in meiner Loge gewesen, und hätten nicht gewußt, das ich deutsch verstehe.
-- Also Israel in Frankfurt hat wieder einen guten Tag gehabt, ihr Lebenspuls hat sich wieder einmal gehoben? Israel jammert mich manchmal, seine Lage ist gar zu betrübt. Kurse oben, Kurse unten, wie der tolle Wind das Rad schwingt -- es sind die Qualen des Ixion. Aber ist es nicht furcht¬ bar lächerlich, daß die niedrigste und gemeinste aller Leidenschaften so viele Aehnlichkeit hat mit der er¬ habensten und edelsten, die Gewinnsucht mit der Liebe? Ja wohl, Gott hat das Volk verflucht und darum hat er es reich gemacht. Aber von den ekel¬ haften Geschichten mit den jüdischen Heirathserlaub¬ nissen und jüdischen Handwerksgesellen erzählen Sie mir nichts mehr. Ich will nichts davon hören, ich will nichts damit zu thun haben. Wenn ich kämpfen soll, sei es mit Löwen und Tigern, aber vor Kröten habe ich einen Abscheu, der mich lähmt. Es hilft auch nichts. Man muß den Sumpf ausrotten, dann stirbt das Schlammgezücht von selbst weg. Unsere Frankfurter Herren, finde ich, haben ganz recht. Sie denken, Gott ist doch nun einmal im höchsten Zorne, ob wir ihn ein Bischen mehr, ein Bischen weniger ärgern, das kann nichts verschlimmern. Den Juden in Frankfurt ist jetzt am wenigsten zu helfen, wenn sie klagen bei den großen Herren der Bundesversamm¬
Siegern von Göttingen wären in meiner Loge geweſen, und hätten nicht gewußt, das ich deutſch verſtehe.
— Alſo Israel in Frankfurt hat wieder einen guten Tag gehabt, ihr Lebenspuls hat ſich wieder einmal gehoben? Israel jammert mich manchmal, ſeine Lage iſt gar zu betrübt. Kurſe oben, Kurſe unten, wie der tolle Wind das Rad ſchwingt — es ſind die Qualen des Ixion. Aber iſt es nicht furcht¬ bar lächerlich, daß die niedrigſte und gemeinſte aller Leidenſchaften ſo viele Aehnlichkeit hat mit der er¬ habenſten und edelſten, die Gewinnſucht mit der Liebe? Ja wohl, Gott hat das Volk verflucht und darum hat er es reich gemacht. Aber von den ekel¬ haften Geſchichten mit den jüdiſchen Heirathserlaub¬ niſſen und jüdiſchen Handwerksgeſellen erzählen Sie mir nichts mehr. Ich will nichts davon hören, ich will nichts damit zu thun haben. Wenn ich kämpfen ſoll, ſei es mit Löwen und Tigern, aber vor Kröten habe ich einen Abſcheu, der mich lähmt. Es hilft auch nichts. Man muß den Sumpf ausrotten, dann ſtirbt das Schlammgezücht von ſelbſt weg. Unſere Frankfurter Herren, finde ich, haben ganz recht. Sie denken, Gott iſt doch nun einmal im höchſten Zorne, ob wir ihn ein Bischen mehr, ein Bischen weniger ärgern, das kann nichts verſchlimmern. Den Juden in Frankfurt iſt jetzt am wenigſten zu helfen, wenn ſie klagen bei den großen Herren der Bundesverſamm¬
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Siegern von Göttingen wären in meiner Loge geweſen,
und hätten nicht gewußt, das ich deutſch verſtehe.
— Alſo Israel in Frankfurt hat wieder einen
guten Tag gehabt, ihr Lebenspuls hat ſich wieder
einmal gehoben? Israel jammert mich manchmal,
ſeine Lage iſt gar zu betrübt. Kurſe oben, Kurſe
unten, wie der tolle Wind das Rad ſchwingt — es
ſind die Qualen des Ixion. Aber iſt es nicht furcht¬
bar lächerlich, daß die niedrigſte und gemeinſte aller
Leidenſchaften ſo viele Aehnlichkeit hat mit der er¬
habenſten und edelſten, die Gewinnſucht mit der
Liebe? Ja wohl, Gott hat das Volk verflucht und
darum hat er es reich gemacht. Aber von den ekel¬
haften Geſchichten mit den jüdiſchen Heirathserlaub¬
niſſen und jüdiſchen Handwerksgeſellen erzählen Sie
mir nichts mehr. Ich will nichts davon hören, ich
will nichts damit zu thun haben. Wenn ich kämpfen
ſoll, ſei es mit Löwen und Tigern, aber vor Kröten
habe ich einen Abſcheu, der mich lähmt. Es hilft
auch nichts. Man muß den Sumpf ausrotten, dann
ſtirbt das Schlammgezücht von ſelbſt weg. Unſere
Frankfurter Herren, finde ich, haben ganz recht. Sie
denken, Gott iſt doch nun einmal im höchſten Zorne,
ob wir ihn ein Bischen mehr, ein Bischen weniger
ärgern, das kann nichts verſchlimmern. Den Juden
in Frankfurt iſt jetzt am wenigſten zu helfen, wenn
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/42>, abgerufen am 16.07.2024.
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