Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Das zweite Stück, das ich am nemlichen
Abende gesehen, heißt Quoniam. Herr Quoniam
ist Koch. Ohne allen Geist, ohne allen Witz, ohne
alles Leben. Marschall Richelieu, in seiner Jugend,
verliebte sich in die Frau eines Koches, und, um ihr
nahe zu kommen, trat er als Küchenjunge in den
Dienst des Herrn Quoniam. Das Süjet ist merk¬
würdig schläfrig behandelt, und nimmt ein tugend¬
haftes Ende.

Das dritte Stück war le marchand de
la rue St. Denis ou magasin, la mai¬
rie et la cour d'assise
. Einmal unterhaltend,
immer lehrreich. Man erfährt, wie es in einer
Seidenhandlung hergeht; auf der Mairie, wo die
jungen Leuten getraut werden und vor dem Assisen-
Hofe, wo sie noch schlechter wegkommen. Mehrere
Schauspieler waren vortrefflich. Von den Regeln
der Kunst schienen sie nicht viel zu wissen; es sind
Naturalisten. Aber jeder Franzose hat den Teufel
im Leibe, und wenn eine Teufelei darzustellen ist,
mislingt ihnen das nie. Auf der Mairie hat es mir
gar zu gut gefallen. Es muß recht angenehm seyn,
sich in Paris bürgerlich trauen zu lassen. Es ist
wie eine deutsche Doktor-Promotion. Man antwor¬

Das zweite Stück, das ich am nemlichen
Abende geſehen, heißt Quoniam. Herr Quoniam
iſt Koch. Ohne allen Geiſt, ohne allen Witz, ohne
alles Leben. Marſchall Richelieu, in ſeiner Jugend,
verliebte ſich in die Frau eines Koches, und, um ihr
nahe zu kommen, trat er als Küchenjunge in den
Dienſt des Herrn Quoniam. Das Süjet iſt merk¬
würdig ſchläfrig behandelt, und nimmt ein tugend¬
haftes Ende.

Das dritte Stück war le marchand de
la rue St. Denis ou magasin, la mai¬
rie et la cour d'assise
. Einmal unterhaltend,
immer lehrreich. Man erfährt, wie es in einer
Seidenhandlung hergeht; auf der Mairie, wo die
jungen Leuten getraut werden und vor dem Aſſiſen-
Hofe, wo ſie noch ſchlechter wegkommen. Mehrere
Schauſpieler waren vortrefflich. Von den Regeln
der Kunſt ſchienen ſie nicht viel zu wiſſen; es ſind
Naturaliſten. Aber jeder Franzoſe hat den Teufel
im Leibe, und wenn eine Teufelei darzuſtellen iſt,
mislingt ihnen das nie. Auf der Mairie hat es mir
gar zu gut gefallen. Es muß recht angenehm ſeyn,
ſich in Paris bürgerlich trauen zu laſſen. Es iſt
wie eine deutſche Doktor-Promotion. Man antwor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0213" n="199"/>
          <p>Das zweite Stück, das ich am nemlichen<lb/>
Abende ge&#x017F;ehen, heißt <hi rendition="#aq">Quoniam</hi>. Herr Quoniam<lb/>
i&#x017F;t Koch. Ohne allen Gei&#x017F;t, ohne allen Witz, ohne<lb/>
alles Leben. Mar&#x017F;chall Richelieu, in &#x017F;einer Jugend,<lb/>
verliebte &#x017F;ich in die Frau eines Koches, und, um ihr<lb/>
nahe zu kommen, trat er als Küchenjunge in den<lb/>
Dien&#x017F;t des Herrn Quoniam. Das Süjet i&#x017F;t merk¬<lb/>
würdig &#x017F;chläfrig behandelt, und nimmt ein tugend¬<lb/>
haftes Ende.</p><lb/>
          <p>Das dritte Stück war <hi rendition="#aq #g">le marchand de<lb/>
la rue St. Denis ou magasin, la mai¬<lb/>
rie et la cour d'assise</hi>. Einmal unterhaltend,<lb/>
immer lehrreich. Man erfährt, wie es in einer<lb/>
Seidenhandlung hergeht; auf der Mairie, wo die<lb/>
jungen Leuten getraut werden und vor dem A&#x017F;&#x017F;i&#x017F;en-<lb/>
Hofe, wo &#x017F;ie noch &#x017F;chlechter wegkommen. Mehrere<lb/>
Schau&#x017F;pieler waren vortrefflich. Von den Regeln<lb/>
der Kun&#x017F;t &#x017F;chienen &#x017F;ie nicht viel zu wi&#x017F;&#x017F;en; es &#x017F;ind<lb/>
Naturali&#x017F;ten. Aber jeder Franzo&#x017F;e hat den Teufel<lb/>
im Leibe, und wenn eine Teufelei darzu&#x017F;tellen i&#x017F;t,<lb/>
mislingt ihnen das nie. Auf der Mairie hat es mir<lb/>
gar zu gut gefallen. Es muß recht angenehm &#x017F;eyn,<lb/>
&#x017F;ich in Paris bürgerlich trauen zu la&#x017F;&#x017F;en. Es i&#x017F;t<lb/>
wie eine deut&#x017F;che Doktor-Promotion. Man antwor¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0213] Das zweite Stück, das ich am nemlichen Abende geſehen, heißt Quoniam. Herr Quoniam iſt Koch. Ohne allen Geiſt, ohne allen Witz, ohne alles Leben. Marſchall Richelieu, in ſeiner Jugend, verliebte ſich in die Frau eines Koches, und, um ihr nahe zu kommen, trat er als Küchenjunge in den Dienſt des Herrn Quoniam. Das Süjet iſt merk¬ würdig ſchläfrig behandelt, und nimmt ein tugend¬ haftes Ende. Das dritte Stück war le marchand de la rue St. Denis ou magasin, la mai¬ rie et la cour d'assise. Einmal unterhaltend, immer lehrreich. Man erfährt, wie es in einer Seidenhandlung hergeht; auf der Mairie, wo die jungen Leuten getraut werden und vor dem Aſſiſen- Hofe, wo ſie noch ſchlechter wegkommen. Mehrere Schauſpieler waren vortrefflich. Von den Regeln der Kunſt ſchienen ſie nicht viel zu wiſſen; es ſind Naturaliſten. Aber jeder Franzoſe hat den Teufel im Leibe, und wenn eine Teufelei darzuſtellen iſt, mislingt ihnen das nie. Auf der Mairie hat es mir gar zu gut gefallen. Es muß recht angenehm ſeyn, ſich in Paris bürgerlich trauen zu laſſen. Es iſt wie eine deutſche Doktor-Promotion. Man antwor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/213
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/213>, abgerufen am 03.05.2024.