Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Dolche hingab, sich in die Wolken erhob, und wie Dolche hingab, ſich in die Wolken erhob, und wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="7"/> Dolche hingab, ſich in die Wolken erhob, und wie<lb/> ein Sturmwind die ganze Welt der Leidenſchaften<lb/> umbrauſte, Liebe, Haß, Zorn, Schrecken, Spott,<lb/> Trotz, Verachtung, und dann wieder zur Liebe kam,<lb/> und noch einmal Alles umkreiſte — da wurde mir<lb/> heiß am ganzen Körper. Ein vernünftiger Menſch<lb/> hätte ruhig fortgeſchwitzt und ſich nicht ſtören laſſen;<lb/> aber ein Philoſoph, wie ich, will durchaus wiſſen,<lb/> warum er denn eigentlich ſchwitzt. Und ich wußte<lb/> es nicht; denn ich hatte aus der Pſychologie vergeſſen,<lb/> welche Leidenſchaft, welche Gemüthsbewegung den<lb/> Menſchen in Schweiß bringt. Da fiel mir ein, in<lb/> Goethe's Leben geleſen zu haben, wie in der Schlacht<lb/> von Valmy, zwar in beſcheidener Entfernung vom<lb/> Schlachtfelde, doch nahe genug, daß er den Kanonen¬<lb/> donner hören konnte, dem Dichter ganz heiß gewor¬<lb/> den war, wie mir im Othello. Daraus ſchloß ich<lb/> denn, daß es die <hi rendition="#g">Furcht</hi> ſei, die den Menſchen<lb/> ſchwitzen mache. Darüber mußte ich lachen und das<lb/> erleichterte mir das ſchwere Herz. Und als darauf<lb/> die Malibran herausgerufen worden und erſchien,<lb/> und ich ſah, daß Alles nur Spiel geweſen, ging ich<lb/> froh nach Hauſe, und ſegnete die Künſtlerin, die<lb/> Gott ſo geſegnet. Shakeſpeare's Othello, wie ihn<lb/> der italieniſche Operntext zugerichtet, iſt dumm bis<lb/> zur Genialität. Man hat ſeine Luſt daran. Die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0021]
Dolche hingab, ſich in die Wolken erhob, und wie
ein Sturmwind die ganze Welt der Leidenſchaften
umbrauſte, Liebe, Haß, Zorn, Schrecken, Spott,
Trotz, Verachtung, und dann wieder zur Liebe kam,
und noch einmal Alles umkreiſte — da wurde mir
heiß am ganzen Körper. Ein vernünftiger Menſch
hätte ruhig fortgeſchwitzt und ſich nicht ſtören laſſen;
aber ein Philoſoph, wie ich, will durchaus wiſſen,
warum er denn eigentlich ſchwitzt. Und ich wußte
es nicht; denn ich hatte aus der Pſychologie vergeſſen,
welche Leidenſchaft, welche Gemüthsbewegung den
Menſchen in Schweiß bringt. Da fiel mir ein, in
Goethe's Leben geleſen zu haben, wie in der Schlacht
von Valmy, zwar in beſcheidener Entfernung vom
Schlachtfelde, doch nahe genug, daß er den Kanonen¬
donner hören konnte, dem Dichter ganz heiß gewor¬
den war, wie mir im Othello. Daraus ſchloß ich
denn, daß es die Furcht ſei, die den Menſchen
ſchwitzen mache. Darüber mußte ich lachen und das
erleichterte mir das ſchwere Herz. Und als darauf
die Malibran herausgerufen worden und erſchien,
und ich ſah, daß Alles nur Spiel geweſen, ging ich
froh nach Hauſe, und ſegnete die Künſtlerin, die
Gott ſo geſegnet. Shakeſpeare's Othello, wie ihn
der italieniſche Operntext zugerichtet, iſt dumm bis
zur Genialität. Man hat ſeine Luſt daran. Die
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