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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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Ich war wieder einmal im Theater gewesen.
Bin ich nicht ein fleißiger Junge? Im Vaudeville
habe ich zwei Stücke gesehen Madame Dubarry und
le bal d'Ouvriers. Die ist eine andere Dubarry,
als die, von der ich neulich berichtet und die im
Ambigü aufgeführt wird. Es ist ein Lustspiel im
höheren Style, vom bekannten Ancelot, dem Akade¬
miker. Ancelot's Komödie hat ungemeinen Beyfall
gefunden, sie wird seit drei Wochen täglich gegeben
und das Haus ist jedes mal toll und voll. Die
Komödie gefiel mir auch, nur durch andere Mittel
als sie den Franzosen gefällt. Diese haben ihre
schlichte Freude daran, ich aber habe den Humor
davon. Dem Stücke, um gut zu seyn, fehlt nichts
als deutsches Klima! hier ist es nur ein Treibhaus¬
gewächs. Es kommt erstaunlich viel Sentimentalität
darin vor; aber wenn französische Dichter und
Schauspieler Sentimentales darstellen, machen sie ein
Gesicht dazu, als hätten sie Leibschmerzen, und man
möchte ihnen statt Thränen Kamillenthee schenken.
Stellen Sie sich vor: die Dubarry erinnerte sich
mit Wehmuth ihrer schuldlosen Jugendjahre, da sie


Ich war wieder einmal im Theater geweſen.
Bin ich nicht ein fleißiger Junge? Im Vaudeville
habe ich zwei Stücke geſehen Madame Dubarry und
le bal d'Ouvriers. Die iſt eine andere Dubarry,
als die, von der ich neulich berichtet und die im
Ambigü aufgeführt wird. Es iſt ein Luſtſpiel im
höheren Style, vom bekannten Ancelot, dem Akade¬
miker. Ancelot's Komödie hat ungemeinen Beyfall
gefunden, ſie wird ſeit drei Wochen täglich gegeben
und das Haus iſt jedes mal toll und voll. Die
Komödie gefiel mir auch, nur durch andere Mittel
als ſie den Franzoſen gefällt. Dieſe haben ihre
ſchlichte Freude daran, ich aber habe den Humor
davon. Dem Stücke, um gut zu ſeyn, fehlt nichts
als deutſches Klima! hier iſt es nur ein Treibhaus¬
gewächs. Es kommt erſtaunlich viel Sentimentalität
darin vor; aber wenn franzöſiſche Dichter und
Schauſpieler Sentimentales darſtellen, machen ſie ein
Geſicht dazu, als hätten ſie Leibſchmerzen, und man
möchte ihnen ſtatt Thränen Kamillenthee ſchenken.
Stellen Sie ſich vor: die Dubarry erinnerte ſich
mit Wehmuth ihrer ſchuldloſen Jugendjahre, da ſie

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[185/0199] Mittwoch, den 23. März. Ich war wieder einmal im Theater geweſen. Bin ich nicht ein fleißiger Junge? Im Vaudeville habe ich zwei Stücke geſehen Madame Dubarry und le bal d'Ouvriers. Die iſt eine andere Dubarry, als die, von der ich neulich berichtet und die im Ambigü aufgeführt wird. Es iſt ein Luſtſpiel im höheren Style, vom bekannten Ancelot, dem Akade¬ miker. Ancelot's Komödie hat ungemeinen Beyfall gefunden, ſie wird ſeit drei Wochen täglich gegeben und das Haus iſt jedes mal toll und voll. Die Komödie gefiel mir auch, nur durch andere Mittel als ſie den Franzoſen gefällt. Dieſe haben ihre ſchlichte Freude daran, ich aber habe den Humor davon. Dem Stücke, um gut zu ſeyn, fehlt nichts als deutſches Klima! hier iſt es nur ein Treibhaus¬ gewächs. Es kommt erſtaunlich viel Sentimentalität darin vor; aber wenn franzöſiſche Dichter und Schauſpieler Sentimentales darſtellen, machen ſie ein Geſicht dazu, als hätten ſie Leibſchmerzen, und man möchte ihnen ſtatt Thränen Kamillenthee ſchenken. Stellen Sie ſich vor: die Dubarry erinnerte ſich mit Wehmuth ihrer ſchuldloſen Jugendjahre, da ſie

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/199>, abgerufen am 27.11.2024.