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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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weglichkeit, die ich noch bei keiner Tänzerin gepaart
gefunden. Sie umgaukelte sich selbst, und war zu¬
gleich Blume und Schmetterling. Sie bewegte sich
eigentlich gar nicht; sie erhob sich nicht, senkte sich
nicht; sie wurde hinauf und herab gezogen, Luft und
Erde stritten sich um ihren Besitz. "Wer ist diese
Tänzerin?" -- fragte ich meinem Nachbar in der
Loge, einen Mann von funfzig Jahren, der sehr vor¬
nehm aussah. Er sah mich mit Augen an -- aber
mit Augen -- und antwortete nach einigen Athem¬
zügen: mais ... c'est mademoiselle Taglioni!
Hätte ich den Mann zwanzig Jahre früher bei einer
Parade auf dem Marsfelde gefragt: wer ist der
kleine Mann dort zu Pferde, im grauen Ueberrocke
und mit dem kleinen Hute? .. mit nicht größern
Augen hätte er mich ansehen, nicht mit größere Ver¬
wunderung hätte er mir erwiedern können: mais ...
c'est Napoleon! Ganz recht hat der Herr, wenn
er nur Geld genug hat. Kurz, das Ballet machte
mir Freude. Aber zuletzt ward mir das Ding doch
zu süß, und da warf ich spanischen Pfeffer hinein.
Unter dem Tändeln, Kosen und Tanzen der olympi¬
schen Götter dachte ich an die polnischen Sensen¬
männer, welche die Köpfe der Russen, wie Schnitter
das Getreide mähen. Gräßlich! zu gräßlich!

weglichkeit, die ich noch bei keiner Tänzerin gepaart
gefunden. Sie umgaukelte ſich ſelbſt, und war zu¬
gleich Blume und Schmetterling. Sie bewegte ſich
eigentlich gar nicht; ſie erhob ſich nicht, ſenkte ſich
nicht; ſie wurde hinauf und herab gezogen, Luft und
Erde ſtritten ſich um ihren Beſitz. „Wer iſt dieſe
Tänzerin?“ — fragte ich meinem Nachbar in der
Loge, einen Mann von funfzig Jahren, der ſehr vor¬
nehm ausſah. Er ſah mich mit Augen an — aber
mit Augen — und antwortete nach einigen Athem¬
zügen: mais ... c'est mademoiselle Taglioni!
Hätte ich den Mann zwanzig Jahre früher bei einer
Parade auf dem Marsfelde gefragt: wer iſt der
kleine Mann dort zu Pferde, im grauen Ueberrocke
und mit dem kleinen Hute? .. mit nicht größern
Augen hätte er mich anſehen, nicht mit größere Ver¬
wunderung hätte er mir erwiedern können: mais ...
c'est Napoléon! Ganz recht hat der Herr, wenn
er nur Geld genug hat. Kurz, das Ballet machte
mir Freude. Aber zuletzt ward mir das Ding doch
zu ſüß, und da warf ich ſpaniſchen Pfeffer hinein.
Unter dem Tändeln, Koſen und Tanzen der olympi¬
ſchen Götter dachte ich an die polniſchen Senſen¬
männer, welche die Köpfe der Ruſſen, wie Schnitter
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[165/0179] weglichkeit, die ich noch bei keiner Tänzerin gepaart gefunden. Sie umgaukelte ſich ſelbſt, und war zu¬ gleich Blume und Schmetterling. Sie bewegte ſich eigentlich gar nicht; ſie erhob ſich nicht, ſenkte ſich nicht; ſie wurde hinauf und herab gezogen, Luft und Erde ſtritten ſich um ihren Beſitz. „Wer iſt dieſe Tänzerin?“ — fragte ich meinem Nachbar in der Loge, einen Mann von funfzig Jahren, der ſehr vor¬ nehm ausſah. Er ſah mich mit Augen an — aber mit Augen — und antwortete nach einigen Athem¬ zügen: mais ... c'est mademoiselle Taglioni! Hätte ich den Mann zwanzig Jahre früher bei einer Parade auf dem Marsfelde gefragt: wer iſt der kleine Mann dort zu Pferde, im grauen Ueberrocke und mit dem kleinen Hute? .. mit nicht größern Augen hätte er mich anſehen, nicht mit größere Ver¬ wunderung hätte er mir erwiedern können: mais ... c'est Napoléon! Ganz recht hat der Herr, wenn er nur Geld genug hat. Kurz, das Ballet machte mir Freude. Aber zuletzt ward mir das Ding doch zu ſüß, und da warf ich ſpaniſchen Pfeffer hinein. Unter dem Tändeln, Koſen und Tanzen der olympi¬ ſchen Götter dachte ich an die polniſchen Senſen¬ männer, welche die Köpfe der Ruſſen, wie Schnitter das Getreide mähen. Gräßlich! zu gräßlich!

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/179>, abgerufen am 28.11.2024.