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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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schnell bis zu einem der Hauptmänner hinaufstieg.
Er begriff leicht, daß alles darauf ankomme, die
Weiber zu gewinnen, und es gelang ihm mit einem
Streiche. Er stellte sich in eine schöne Schauspie¬
lerin verliebt, die ihn abwies. Grimm legt sich ins
Bett und bekommt eine Art Starrkrampf. Er be¬
wegt sich nicht, spricht nicht, ißt und trinkt nichts,
außer wenige eingemachte Kirschen, die er aber mit
nicht ganz unsichtbarem Vergnügen herunter schluckt.
Seine besorgten Freunde, worunter auch Rousseau,
umgeben sein Bett. Einer derselben beobachtete
ängstlich die Miene des Arztes, wie man es in sol¬
chen Fällen gewöhnlich thut. Der Arzt sagt, es
hätte nichts zu bedeuten, und man sah in lächeln, als
er wegging. Eines Morgens stand Grimm auf,
kleidete sich an, und war gesund. Jetzt war sein
Glück gemacht. Er wurde als das Muster treuer
Liebe gepriesen. Seine Correspondenz machte ihn
reich, er stand mit einem Dutzend nordischer Fürsten
und Fürstinnen in Briefwechsel, die sich die Früchte
des französischen Geistes, wie Apfelsinen, kommen und
schmecken ließen. Er bekam einen großen Gehalt
dafür. Uebrigens machte er auch noch für Privat¬
leute Abschriften von den literarischen Berichten, für
ein Abonnement von 300 Fr. monatlich. Zweimal
monatlich, den 1. und den 15., schrieb er solche
Briefe, die gewöhnlich keinen Druckbogen groß sind.

ſchnell bis zu einem der Hauptmänner hinaufſtieg.
Er begriff leicht, daß alles darauf ankomme, die
Weiber zu gewinnen, und es gelang ihm mit einem
Streiche. Er ſtellte ſich in eine ſchöne Schauſpie¬
lerin verliebt, die ihn abwies. Grimm legt ſich ins
Bett und bekommt eine Art Starrkrampf. Er be¬
wegt ſich nicht, ſpricht nicht, ißt und trinkt nichts,
außer wenige eingemachte Kirſchen, die er aber mit
nicht ganz unſichtbarem Vergnügen herunter ſchluckt.
Seine beſorgten Freunde, worunter auch Rouſſeau,
umgeben ſein Bett. Einer derſelben beobachtete
ängſtlich die Miene des Arztes, wie man es in ſol¬
chen Fällen gewöhnlich thut. Der Arzt ſagt, es
hätte nichts zu bedeuten, und man ſah in lächeln, als
er wegging. Eines Morgens ſtand Grimm auf,
kleidete ſich an, und war geſund. Jetzt war ſein
Glück gemacht. Er wurde als das Muſter treuer
Liebe geprieſen. Seine Correſpondenz machte ihn
reich, er ſtand mit einem Dutzend nordiſcher Fürſten
und Fürſtinnen in Briefwechſel, die ſich die Früchte
des franzöſiſchen Geiſtes, wie Apfelſinen, kommen und
ſchmecken ließen. Er bekam einen großen Gehalt
dafür. Uebrigens machte er auch noch für Privat¬
leute Abſchriften von den literariſchen Berichten, für
ein Abonnement von 300 Fr. monatlich. Zweimal
monatlich, den 1. und den 15., ſchrieb er ſolche
Briefe, die gewöhnlich keinen Druckbogen groß ſind.

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[213/0227] ſchnell bis zu einem der Hauptmänner hinaufſtieg. Er begriff leicht, daß alles darauf ankomme, die Weiber zu gewinnen, und es gelang ihm mit einem Streiche. Er ſtellte ſich in eine ſchöne Schauſpie¬ lerin verliebt, die ihn abwies. Grimm legt ſich ins Bett und bekommt eine Art Starrkrampf. Er be¬ wegt ſich nicht, ſpricht nicht, ißt und trinkt nichts, außer wenige eingemachte Kirſchen, die er aber mit nicht ganz unſichtbarem Vergnügen herunter ſchluckt. Seine beſorgten Freunde, worunter auch Rouſſeau, umgeben ſein Bett. Einer derſelben beobachtete ängſtlich die Miene des Arztes, wie man es in ſol¬ chen Fällen gewöhnlich thut. Der Arzt ſagt, es hätte nichts zu bedeuten, und man ſah in lächeln, als er wegging. Eines Morgens ſtand Grimm auf, kleidete ſich an, und war geſund. Jetzt war ſein Glück gemacht. Er wurde als das Muſter treuer Liebe geprieſen. Seine Correſpondenz machte ihn reich, er ſtand mit einem Dutzend nordiſcher Fürſten und Fürſtinnen in Briefwechſel, die ſich die Früchte des franzöſiſchen Geiſtes, wie Apfelſinen, kommen und ſchmecken ließen. Er bekam einen großen Gehalt dafür. Uebrigens machte er auch noch für Privat¬ leute Abſchriften von den literariſchen Berichten, für ein Abonnement von 300 Fr. monatlich. Zweimal monatlich, den 1. und den 15., ſchrieb er ſolche Briefe, die gewöhnlich keinen Druckbogen groß ſind.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/227>, abgerufen am 17.05.2024.