Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Mittwoch, den 19. Januar. -- Die Nachricht, die Sie mir gestern gege¬ Mittwoch, den 19. Januar. — Die Nachricht, die Sie mir geſtern gege¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0222" n="208"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Mittwoch, den 19. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p>— Die Nachricht, die Sie mir geſtern gege¬<lb/> ben, daß das engliſche Miniſterium ſelbſt die Revo¬<lb/> lution in Hannover angeſtiftet, habe ich auf der<lb/> Stelle nebſt einigen Bemerkungen in die Zeitungen<lb/> ſetzen laſſen, und ſie ſteht geſtern im Meſſager.<lb/> Wahr oder nicht, man muß die Spitzbuben hinter<lb/> einander hetzen. Es iſt aber doch ſchön, daß man<lb/> hier alles gleich in die Zeitung bringen kann, und<lb/> die Redacteurs küſſen einem für jede Nachricht die<lb/> Hände, und für jede Lüge die Füße. Was mich ge¬<lb/> gen die deutſche Cenſur am meiſten aufbringt, iſt nicht,<lb/> daß ſie das Bekanntwerden der Wahrheit verhindert<lb/> — dieſe macht ſich früher oder ſpäter doch Luft —<lb/> ſondern daß ſie die Lüge unterdrückt, die nur einen<lb/> armen kurzen Tag zu leben hat, und einmal todt,<lb/> vergeſſen iſt. Am intereſſanteſten, und merken Sie<lb/> ſich das, ſind die hieſigen Blätter immer am Mon¬<lb/> tage; denn da Sonntag keine Kammerſitzung iſt,<lb/> bleibt den Tag darauf den Zeitungen kein anderes<lb/> Mittel, ihre Seiten zu füllen, als ſo viel Lügen als<lb/> möglich herbei zu ſchaffen. Wie angenehm beſchäf¬<lb/> tigt das die Einbildungskraft. Und was liegt daran!<lb/> Was heißt Lüge? Kann Einer in unſern Tagen<lb/> etwas erſinnen, was nicht den Tag darauf wahr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0222]
Mittwoch, den 19. Januar.
— Die Nachricht, die Sie mir geſtern gege¬
ben, daß das engliſche Miniſterium ſelbſt die Revo¬
lution in Hannover angeſtiftet, habe ich auf der
Stelle nebſt einigen Bemerkungen in die Zeitungen
ſetzen laſſen, und ſie ſteht geſtern im Meſſager.
Wahr oder nicht, man muß die Spitzbuben hinter
einander hetzen. Es iſt aber doch ſchön, daß man
hier alles gleich in die Zeitung bringen kann, und
die Redacteurs küſſen einem für jede Nachricht die
Hände, und für jede Lüge die Füße. Was mich ge¬
gen die deutſche Cenſur am meiſten aufbringt, iſt nicht,
daß ſie das Bekanntwerden der Wahrheit verhindert
— dieſe macht ſich früher oder ſpäter doch Luft —
ſondern daß ſie die Lüge unterdrückt, die nur einen
armen kurzen Tag zu leben hat, und einmal todt,
vergeſſen iſt. Am intereſſanteſten, und merken Sie
ſich das, ſind die hieſigen Blätter immer am Mon¬
tage; denn da Sonntag keine Kammerſitzung iſt,
bleibt den Tag darauf den Zeitungen kein anderes
Mittel, ihre Seiten zu füllen, als ſo viel Lügen als
möglich herbei zu ſchaffen. Wie angenehm beſchäf¬
tigt das die Einbildungskraft. Und was liegt daran!
Was heißt Lüge? Kann Einer in unſern Tagen
etwas erſinnen, was nicht den Tag darauf wahr
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