Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtzehnter Brief.

Die Polen! .. Das Theater Francais hier
könnte Gott verklagen, daß er auf seinem Weltthea¬
ter Stücke aufführen läßt, wozu es allein privilegirt
ist -- hohe Tragödien. Ich begreife nicht, warum
die Leute noch ins Theater gehen. Mir ist die Zei¬
tung wie Shakespeare, wie Corneille. Das Schick¬
sal spricht in Versen und thut pathetisch wie ein
Schauspieler. Die Nacht der Rache in Warschau
muß fürchterlich gewesen seyn! Und doch, als die
Geschichten in Brüssel und Antwerpen vorfielen,
glaubten wir, alle Schrecken wären erschöpft. Ja
der Tag des Herrn ist gekommen und er hält ein
fürchterliches Gericht. In den hiesigen Blättern stand,
es wäre ausgebrochen in der Militärschule, als man
zwei jungen Leuten die Knute geben wollte. Hier

I. 9
Achtzehnter Brief.

Die Polen! .. Das Theater Français hier
könnte Gott verklagen, daß er auf ſeinem Weltthea¬
ter Stücke aufführen läßt, wozu es allein privilegirt
iſt — hohe Tragödien. Ich begreife nicht, warum
die Leute noch ins Theater gehen. Mir iſt die Zei¬
tung wie Shakeſpeare, wie Corneille. Das Schick¬
ſal ſpricht in Verſen und thut pathetiſch wie ein
Schauſpieler. Die Nacht der Rache in Warſchau
muß fürchterlich geweſen ſeyn! Und doch, als die
Geſchichten in Brüſſel und Antwerpen vorfielen,
glaubten wir, alle Schrecken wären erſchöpft. Ja
der Tag des Herrn iſt gekommen und er hält ein
fürchterliches Gericht. In den hieſigen Blättern ſtand,
es wäre ausgebrochen in der Militärſchule, als man
zwei jungen Leuten die Knute geben wollte. Hier

I. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0143" n="[129]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Achtzehnter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Dien&#x017F;tag den 14. Dezember 1830.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Die Polen! .. Das Theater Fran<hi rendition="#aq">ç</hi>ais hier<lb/>
könnte Gott verklagen, daß er auf &#x017F;einem Weltthea¬<lb/>
ter Stücke aufführen läßt, wozu es allein privilegirt<lb/>
i&#x017F;t &#x2014; hohe Tragödien. Ich begreife nicht, warum<lb/>
die Leute noch ins Theater gehen. Mir i&#x017F;t die Zei¬<lb/>
tung wie Shake&#x017F;peare, wie Corneille. Das Schick¬<lb/>
&#x017F;al &#x017F;pricht in Ver&#x017F;en und thut patheti&#x017F;ch wie ein<lb/>
Schau&#x017F;pieler. Die Nacht der Rache in War&#x017F;chau<lb/>
muß fürchterlich gewe&#x017F;en &#x017F;eyn! Und doch, als die<lb/>
Ge&#x017F;chichten in Brü&#x017F;&#x017F;el und Antwerpen vorfielen,<lb/>
glaubten wir, alle Schrecken wären er&#x017F;chöpft. Ja<lb/>
der Tag des Herrn i&#x017F;t gekommen und er hält ein<lb/>
fürchterliches Gericht. In den hie&#x017F;igen Blättern &#x017F;tand,<lb/>
es wäre ausgebrochen in der Militär&#x017F;chule, als man<lb/>
zwei jungen Leuten die Knute geben wollte. Hier<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I</hi>. 9<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[129]/0143] Achtzehnter Brief. Paris, Dienſtag den 14. Dezember 1830. Die Polen! .. Das Theater Français hier könnte Gott verklagen, daß er auf ſeinem Weltthea¬ ter Stücke aufführen läßt, wozu es allein privilegirt iſt — hohe Tragödien. Ich begreife nicht, warum die Leute noch ins Theater gehen. Mir iſt die Zei¬ tung wie Shakeſpeare, wie Corneille. Das Schick¬ ſal ſpricht in Verſen und thut pathetiſch wie ein Schauſpieler. Die Nacht der Rache in Warſchau muß fürchterlich geweſen ſeyn! Und doch, als die Geſchichten in Brüſſel und Antwerpen vorfielen, glaubten wir, alle Schrecken wären erſchöpft. Ja der Tag des Herrn iſt gekommen und er hält ein fürchterliches Gericht. In den hieſigen Blättern ſtand, es wäre ausgebrochen in der Militärſchule, als man zwei jungen Leuten die Knute geben wollte. Hier I. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/143
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. [129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/143>, abgerufen am 23.11.2024.