Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Revolutionsscenen, zu welchen ich gern den erklä¬
renden Text geliefert, ist es anders, als ich mir
gedacht. Es kömmt kein Text dazu; sondern die
Zeichnungen werden zu den schon vorhandenen Frei¬
heitsliedern, der Marseillaise, der Parisienne
und andern gemacht. Wenn nur die Zeichnungen
nicht von altdeutscher, süßlicher, wehmüthiger, ro¬
mantischer Art werden, wie ich es von dem Zeichner,
dessen frühere Arbeiten ich gesehen, fast erwarte.
Die praktischste Sache von der Welt, die letzte Re¬
volution, würde dann in lauter romantischen Rauch
aufgehen, und die Deutschen, die sich ja daran be¬
geisterten, würden lernen, wie sie einst in jener
Welt, im Himmel, den Satan mit seinem Volk
niederpflastern und verjagen, aber nicht wie in dieser
die Minister und Polizei. Das Freiheitsgedicht von
Simrock, das Sie mir geschickt, ist auch in diesem
unseligen romantischen Geiste. Gar nichts Muth¬
entflammendes darin, nur Muthtödtendes. Ich mag
mit diesem Heiligen nichts mehr zu thun haben. Es
ist aber eine schöne Erfindung mit den Pflastersteinen;
dem Gegengift der Pulvererfindung!


8*

Revolutionsſcenen, zu welchen ich gern den erklä¬
renden Text geliefert, iſt es anders, als ich mir
gedacht. Es kömmt kein Text dazu; ſondern die
Zeichnungen werden zu den ſchon vorhandenen Frei¬
heitsliedern, der Marſeillaiſe, der Pariſienne
und andern gemacht. Wenn nur die Zeichnungen
nicht von altdeutſcher, ſüßlicher, wehmüthiger, ro¬
mantiſcher Art werden, wie ich es von dem Zeichner,
deſſen frühere Arbeiten ich geſehen, faſt erwarte.
Die praktiſchſte Sache von der Welt, die letzte Re¬
volution, würde dann in lauter romantiſchen Rauch
aufgehen, und die Deutſchen, die ſich ja daran be¬
geiſterten, würden lernen, wie ſie einſt in jener
Welt, im Himmel, den Satan mit ſeinem Volk
niederpflaſtern und verjagen, aber nicht wie in dieſer
die Miniſter und Polizei. Das Freiheitsgedicht von
Simrock, das Sie mir geſchickt, iſt auch in dieſem
unſeligen romantiſchen Geiſte. Gar nichts Muth¬
entflammendes darin, nur Muthtödtendes. Ich mag
mit dieſem Heiligen nichts mehr zu thun haben. Es
iſt aber eine ſchöne Erfindung mit den Pflaſterſteinen;
dem Gegengift der Pulvererfindung!


8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="115"/>
Revolutions&#x017F;cenen, zu welchen ich gern den erklä¬<lb/>
renden Text geliefert, i&#x017F;t es anders, als ich mir<lb/>
gedacht. Es kömmt kein Text dazu; &#x017F;ondern die<lb/>
Zeichnungen werden zu den &#x017F;chon vorhandenen Frei¬<lb/>
heitsliedern, der <hi rendition="#g">Mar&#x017F;eillai&#x017F;e</hi>, der <hi rendition="#g">Pari&#x017F;ienne</hi><lb/>
und andern gemacht. Wenn nur die Zeichnungen<lb/>
nicht von altdeut&#x017F;cher, &#x017F;üßlicher, wehmüthiger, ro¬<lb/>
manti&#x017F;cher Art werden, wie ich es von dem Zeichner,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en frühere Arbeiten ich ge&#x017F;ehen, fa&#x017F;t erwarte.<lb/>
Die prakti&#x017F;ch&#x017F;te Sache von der Welt, die letzte Re¬<lb/>
volution, würde dann in lauter romanti&#x017F;chen Rauch<lb/>
aufgehen, und die Deut&#x017F;chen, die &#x017F;ich ja daran be¬<lb/>
gei&#x017F;terten, würden lernen, wie &#x017F;ie ein&#x017F;t in jener<lb/>
Welt, im Himmel, den Satan mit &#x017F;einem Volk<lb/>
niederpfla&#x017F;tern und verjagen, aber nicht wie in die&#x017F;er<lb/>
die Mini&#x017F;ter und Polizei. Das Freiheitsgedicht von<lb/>
Simrock, das Sie mir ge&#x017F;chickt, i&#x017F;t auch in die&#x017F;em<lb/>
un&#x017F;eligen romanti&#x017F;chen Gei&#x017F;te. Gar nichts Muth¬<lb/>
entflammendes darin, nur Muthtödtendes. Ich mag<lb/>
mit die&#x017F;em Heiligen nichts mehr zu thun haben. Es<lb/>
i&#x017F;t aber eine &#x017F;chöne Erfindung mit den Pfla&#x017F;ter&#x017F;teinen;<lb/>
dem Gegengift der Pulvererfindung!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">8*<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0129] Revolutionsſcenen, zu welchen ich gern den erklä¬ renden Text geliefert, iſt es anders, als ich mir gedacht. Es kömmt kein Text dazu; ſondern die Zeichnungen werden zu den ſchon vorhandenen Frei¬ heitsliedern, der Marſeillaiſe, der Pariſienne und andern gemacht. Wenn nur die Zeichnungen nicht von altdeutſcher, ſüßlicher, wehmüthiger, ro¬ mantiſcher Art werden, wie ich es von dem Zeichner, deſſen frühere Arbeiten ich geſehen, faſt erwarte. Die praktiſchſte Sache von der Welt, die letzte Re¬ volution, würde dann in lauter romantiſchen Rauch aufgehen, und die Deutſchen, die ſich ja daran be¬ geiſterten, würden lernen, wie ſie einſt in jener Welt, im Himmel, den Satan mit ſeinem Volk niederpflaſtern und verjagen, aber nicht wie in dieſer die Miniſter und Polizei. Das Freiheitsgedicht von Simrock, das Sie mir geſchickt, iſt auch in dieſem unſeligen romantiſchen Geiſte. Gar nichts Muth¬ entflammendes darin, nur Muthtödtendes. Ich mag mit dieſem Heiligen nichts mehr zu thun haben. Es iſt aber eine ſchöne Erfindung mit den Pflaſterſteinen; dem Gegengift der Pulvererfindung! 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/129
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/129>, abgerufen am 16.05.2024.