Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.König seines Volkes; ihn gestürzt, und wie leicht -- Saphir wurde von allerhöchsten Händen aus König ſeines Volkes; ihn geſtürzt, und wie leicht — Saphir wurde von allerhöchſten Händen aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0121" n="107"/> König ſeines Volkes; ihn geſtürzt, und wie leicht<lb/> dann mit dem Volke fertig zu werden! Dieſer Mann<lb/> eines Jahrhunderts hat eine ungeheuer <hi rendition="#g">hindernde</hi><lb/> Kraft; er iſt ein grauer Staar im deutſchen Auge,<lb/> wenig, nichts, ein bischen Horn — aber beſeitigt<lb/> das und eine ganze Welt wird offenbar. Seit ich<lb/> fühle, habe ich Goethe gehaßt, ſeit ich denke, weiß<lb/> ich warum. Wir haben oft davon geſprochen und<lb/> Sie begreifen meine Freude, in einer Geiſtes-Wüſte,<lb/> wie Oeſterreich iſt, einem menſchlichen Weſen begeg¬<lb/> net zu ſein, das fühlt und denkt wie ich.</p><lb/> <p>— Saphir wurde von allerhöchſten Händen aus<lb/> Baiern gejagt, weil er gegen einen Komödianten ge¬<lb/> ſchrieben! <hi rendition="#aq">C'est perruque</hi> — würde ein Pariſer<lb/> ſagen; aber ich kann nicht lachen darüber. Was<lb/> helfen Barrikaden gegen ſolche <hi rendition="#g">Charlesdischen</hi>, ge¬<lb/> gen ſolche <hi rendition="#g">Ordonnänzchen</hi>? Das kriecht einem<lb/> zwiſchen die Beine durch, das macht ſich, wie Waſ¬<lb/> ſer, durch die kleinſte Lücke Bahn. Es iſt zum Ver¬<lb/> zweifeln, daß deutſche Tyrannei zugleich ſo viel Lä¬<lb/> cherliches hat: das lähmt den Widerſtand. Warum<lb/> aber unſere Fürſten ſich ſo große Mühe geben, die<lb/> franzöſiſche Revolution, die viel Metaphyſiſches hat,<lb/> den Bürgern und Landleuten durch Zeichnungen, Mo¬<lb/> delle und Experimente faßlich zu machen — das be¬<lb/> greife ich freilich nicht. Es muß wohl Schickung<lb/> ſeyn.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0121]
König ſeines Volkes; ihn geſtürzt, und wie leicht
dann mit dem Volke fertig zu werden! Dieſer Mann
eines Jahrhunderts hat eine ungeheuer hindernde
Kraft; er iſt ein grauer Staar im deutſchen Auge,
wenig, nichts, ein bischen Horn — aber beſeitigt
das und eine ganze Welt wird offenbar. Seit ich
fühle, habe ich Goethe gehaßt, ſeit ich denke, weiß
ich warum. Wir haben oft davon geſprochen und
Sie begreifen meine Freude, in einer Geiſtes-Wüſte,
wie Oeſterreich iſt, einem menſchlichen Weſen begeg¬
net zu ſein, das fühlt und denkt wie ich.
— Saphir wurde von allerhöchſten Händen aus
Baiern gejagt, weil er gegen einen Komödianten ge¬
ſchrieben! C'est perruque — würde ein Pariſer
ſagen; aber ich kann nicht lachen darüber. Was
helfen Barrikaden gegen ſolche Charlesdischen, ge¬
gen ſolche Ordonnänzchen? Das kriecht einem
zwiſchen die Beine durch, das macht ſich, wie Waſ¬
ſer, durch die kleinſte Lücke Bahn. Es iſt zum Ver¬
zweifeln, daß deutſche Tyrannei zugleich ſo viel Lä¬
cherliches hat: das lähmt den Widerſtand. Warum
aber unſere Fürſten ſich ſo große Mühe geben, die
franzöſiſche Revolution, die viel Metaphyſiſches hat,
den Bürgern und Landleuten durch Zeichnungen, Mo¬
delle und Experimente faßlich zu machen — das be¬
greife ich freilich nicht. Es muß wohl Schickung
ſeyn.
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