alle die Urkräfte der Natur. Die schaffende Phantasie, die Macht hat, ihre Sehnsucht zu Realitäten zu festigen; die eherne Logik; und die Wunderkraft der Liebe, der Zeugung, die ewig einen anderen Menschen neu gebiert und doch im Herzen den gleichen, den einen immer wieder.
[Abbildung]
"Friede auf Erden!"
Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied verhallt ist, soll auch unsere Rede von der Liebe zu Ende sein. Ein letztes aber muß noch gesagt werden.
Es giebt noch einen letzten, äußersten Kampf, den die Liebe mit dem Menschen gehabt hat, -- den schwersten von allen, schlimmer als der mit dem Phaethonsinn der Phantasie, schlimmer als der mit dem Kobold. Groß, wie sie war, hat sie auch mit dem Größten in ihm noch ringen müssen, ringen im alten Bibelsinne bis zum "du segnest mich denn".
Das Höchste, Eigenste was dieser Planetensohn besaß, war sein Verstand, sein Geist im tiefsten logischen Sinne. Mit diesem Geiste hat die Liebe ihren letzten Konflikt gehabt auf Leben und Tod.
Aus dem wogenden Meer der Menschheit tauchen zwei riesenhafte Gestalten. Ein nacktes Weib, wie die Venus von Milo. Und ein Mann mit dunklem Auge und wallendem Bart, wie Michelangelo den Moses geschaut hat.
Das Weib spricht: "Ich bin die Liebe. Ich bin das Höchste, denn ich erhalte die Menschheit im wilden Hagel¬ schauer der Sandkörner, die durch das Stundenglas der Zeit rinnen."
Der Mann aber hebt den düsteren Blick und krallt die Hand in den Bart und sagt: "Ist sie denn wert, erhalten zu sein?"
Das ist kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamschlag in der Hexenküche, kein Stein, den der Kobold wirft.
alle die Urkräfte der Natur. Die ſchaffende Phantaſie, die Macht hat, ihre Sehnſucht zu Realitäten zu feſtigen; die eherne Logik; und die Wunderkraft der Liebe, der Zeugung, die ewig einen anderen Menſchen neu gebiert und doch im Herzen den gleichen, den einen immer wieder.
[Abbildung]
„Friede auf Erden!“
Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied verhallt iſt, ſoll auch unſere Rede von der Liebe zu Ende ſein. Ein letztes aber muß noch geſagt werden.
Es giebt noch einen letzten, äußerſten Kampf, den die Liebe mit dem Menſchen gehabt hat, — den ſchwerſten von allen, ſchlimmer als der mit dem Phaethonſinn der Phantaſie, ſchlimmer als der mit dem Kobold. Groß, wie ſie war, hat ſie auch mit dem Größten in ihm noch ringen müſſen, ringen im alten Bibelſinne bis zum „du ſegneſt mich denn“.
Das Höchſte, Eigenſte was dieſer Planetenſohn beſaß, war ſein Verſtand, ſein Geiſt im tiefſten logiſchen Sinne. Mit dieſem Geiſte hat die Liebe ihren letzten Konflikt gehabt auf Leben und Tod.
Aus dem wogenden Meer der Menſchheit tauchen zwei rieſenhafte Geſtalten. Ein nacktes Weib, wie die Venus von Milo. Und ein Mann mit dunklem Auge und wallendem Bart, wie Michelangelo den Moſes geſchaut hat.
Das Weib ſpricht: „Ich bin die Liebe. Ich bin das Höchſte, denn ich erhalte die Menſchheit im wilden Hagel¬ ſchauer der Sandkörner, die durch das Stundenglas der Zeit rinnen.“
Der Mann aber hebt den düſteren Blick und krallt die Hand in den Bart und ſagt: „Iſt ſie denn wert, erhalten zu ſein?“
Das iſt kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamſchlag in der Hexenküche, kein Stein, den der Kobold wirft.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0366"n="352"/>
alle die Urkräfte der Natur. Die ſchaffende Phantaſie, die<lb/>
Macht hat, ihre Sehnſucht zu Realitäten zu feſtigen; die eherne<lb/>
Logik; und die Wunderkraft der Liebe, der Zeugung, die ewig<lb/>
einen anderen Menſchen neu gebiert und doch im Herzen den<lb/>
gleichen, den einen immer wieder.</p><lb/><figure/><p>„Friede auf Erden!“</p><lb/><p>Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied<lb/>
verhallt iſt, ſoll auch unſere Rede von der Liebe zu Ende ſein.<lb/>
Ein letztes aber muß noch geſagt werden.</p><lb/><p>Es giebt noch einen letzten, äußerſten Kampf, den die Liebe<lb/>
mit dem Menſchen gehabt hat, — den ſchwerſten von allen,<lb/>ſchlimmer als der mit dem Phaethonſinn der Phantaſie, ſchlimmer<lb/>
als der mit dem Kobold. Groß, wie ſie war, hat ſie auch<lb/>
mit dem Größten in ihm noch ringen müſſen, ringen im alten<lb/>
Bibelſinne bis zum „du ſegneſt mich denn“.</p><lb/><p>Das Höchſte, Eigenſte was dieſer Planetenſohn beſaß, war<lb/>ſein Verſtand, ſein Geiſt im tiefſten logiſchen Sinne. Mit dieſem<lb/>
Geiſte hat die Liebe ihren letzten Konflikt gehabt auf Leben<lb/>
und Tod.</p><lb/><p>Aus dem wogenden Meer der Menſchheit tauchen zwei<lb/>
rieſenhafte Geſtalten. Ein nacktes Weib, wie die Venus von<lb/>
Milo. Und ein Mann mit dunklem Auge und wallendem Bart,<lb/>
wie Michelangelo den Moſes geſchaut hat.</p><lb/><p>Das Weib ſpricht: „Ich bin die Liebe. Ich bin das<lb/>
Höchſte, denn ich erhalte die Menſchheit im wilden Hagel¬<lb/>ſchauer der Sandkörner, die durch das Stundenglas der Zeit<lb/>
rinnen.“</p><lb/><p>Der Mann aber hebt den düſteren Blick und krallt die Hand<lb/>
in den Bart und ſagt: „Iſt ſie denn wert, erhalten zu ſein?“</p><lb/><p>Das iſt kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamſchlag in<lb/>
der Hexenküche, kein Stein, den der Kobold wirft.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[352/0366]
alle die Urkräfte der Natur. Die ſchaffende Phantaſie, die
Macht hat, ihre Sehnſucht zu Realitäten zu feſtigen; die eherne
Logik; und die Wunderkraft der Liebe, der Zeugung, die ewig
einen anderen Menſchen neu gebiert und doch im Herzen den
gleichen, den einen immer wieder.
[Abbildung]
„Friede auf Erden!“
Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied
verhallt iſt, ſoll auch unſere Rede von der Liebe zu Ende ſein.
Ein letztes aber muß noch geſagt werden.
Es giebt noch einen letzten, äußerſten Kampf, den die Liebe
mit dem Menſchen gehabt hat, — den ſchwerſten von allen,
ſchlimmer als der mit dem Phaethonſinn der Phantaſie, ſchlimmer
als der mit dem Kobold. Groß, wie ſie war, hat ſie auch
mit dem Größten in ihm noch ringen müſſen, ringen im alten
Bibelſinne bis zum „du ſegneſt mich denn“.
Das Höchſte, Eigenſte was dieſer Planetenſohn beſaß, war
ſein Verſtand, ſein Geiſt im tiefſten logiſchen Sinne. Mit dieſem
Geiſte hat die Liebe ihren letzten Konflikt gehabt auf Leben
und Tod.
Aus dem wogenden Meer der Menſchheit tauchen zwei
rieſenhafte Geſtalten. Ein nacktes Weib, wie die Venus von
Milo. Und ein Mann mit dunklem Auge und wallendem Bart,
wie Michelangelo den Moſes geſchaut hat.
Das Weib ſpricht: „Ich bin die Liebe. Ich bin das
Höchſte, denn ich erhalte die Menſchheit im wilden Hagel¬
ſchauer der Sandkörner, die durch das Stundenglas der Zeit
rinnen.“
Der Mann aber hebt den düſteren Blick und krallt die Hand
in den Bart und ſagt: „Iſt ſie denn wert, erhalten zu ſein?“
Das iſt kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamſchlag in
der Hexenküche, kein Stein, den der Kobold wirft.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/366>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.