da. Er sieht der Sonne in ihr Werk und er fragt sich, ob er das nicht auch kann, ob er es nicht gar besser kann. Und er schwingt sich auf den Sonnenwagen. Das Ende ist bekannt: er zündet den Himmel an und stürzt selber in Tod und Ver¬ derben. Er war zu schwach.
Es giebt einen Weg wo er nicht zu schwach wäre. Phaethon wird ein weiser Chaldäer, der tausend und tausend Nächte still in den Sternen liest. Phaethon wird Aristarch und Ptolemäus, er wird Kopernikus und Newton; er weiß endlich nach welchem Gesetz die Weltkörper laufen. Phaethon wird Faraday und Edison und er bringt die Kräfte der Natur, die vom fallenden Stein und Blitz bis zu Monden und Sonnen walten, eine um die andere in seine Gewalt. Wenn Phaethon noch einmal hunderttausend Jahre nach dem gelebt haben wird, so wird er sich fragen, ob er seinen Planeten nicht verlassen kann, ob er nicht wandern kann mit dem Licht, das vierzigtausend Meilen in der Sekunde saust, ob er nicht die Gravitation in seine Macht bringen kann wie ein Kind an einem Uhrzeiger dreht. Das ist Phaethon, der langsam, aber in unveränderlicher Stäte aus dem Schatten geht, der wahren Scheitelsonne zu. Wenn sie einst über ihm ist, wird sie zugleich er selbst sein: die Entwickelung liegt dann in seiner Hand, nicht mehr in un¬ berechenbar fremden Gewalten; in jenen Tagen fährt Phaethon selber als Sonnengott im goldenen Wagen, er ist die Natur, die sehend aufgewachte Natur.
Aber dieser Phaethon der Jahrtausende ist es nicht, den die Sage meint. Sie starrt in das Dunkel der werdenden Menschheit erst und sie sieht den Phaethon der Gefahr, der mit der Sehnsucht allein schon fahren will ohne die Kraft.
Auch durch das Liebesleben rauscht dieser Phaethon der Gefahr. Der Mensch, sehend zum erstenmal, denkend -- und nun sogleich der Mensch, der die Hand ausstrecken möchte, Herr der Liebe zu werden.
Es ist ja so wunderbar, dieses Erwachen des Menschen.
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da. Er ſieht der Sonne in ihr Werk und er fragt ſich, ob er das nicht auch kann, ob er es nicht gar beſſer kann. Und er ſchwingt ſich auf den Sonnenwagen. Das Ende iſt bekannt: er zündet den Himmel an und ſtürzt ſelber in Tod und Ver¬ derben. Er war zu ſchwach.
Es giebt einen Weg wo er nicht zu ſchwach wäre. Phaethon wird ein weiſer Chaldäer, der tauſend und tauſend Nächte ſtill in den Sternen lieſt. Phaethon wird Ariſtarch und Ptolemäus, er wird Kopernikus und Newton; er weiß endlich nach welchem Geſetz die Weltkörper laufen. Phaethon wird Faraday und Ediſon und er bringt die Kräfte der Natur, die vom fallenden Stein und Blitz bis zu Monden und Sonnen walten, eine um die andere in ſeine Gewalt. Wenn Phaethon noch einmal hunderttauſend Jahre nach dem gelebt haben wird, ſo wird er ſich fragen, ob er ſeinen Planeten nicht verlaſſen kann, ob er nicht wandern kann mit dem Licht, das vierzigtauſend Meilen in der Sekunde ſauſt, ob er nicht die Gravitation in ſeine Macht bringen kann wie ein Kind an einem Uhrzeiger dreht. Das iſt Phaethon, der langſam, aber in unveränderlicher Stäte aus dem Schatten geht, der wahren Scheitelſonne zu. Wenn ſie einſt über ihm iſt, wird ſie zugleich er ſelbſt ſein: die Entwickelung liegt dann in ſeiner Hand, nicht mehr in un¬ berechenbar fremden Gewalten; in jenen Tagen fährt Phaethon ſelber als Sonnengott im goldenen Wagen, er iſt die Natur, die ſehend aufgewachte Natur.
Aber dieſer Phaethon der Jahrtauſende iſt es nicht, den die Sage meint. Sie ſtarrt in das Dunkel der werdenden Menſchheit erſt und ſie ſieht den Phaethon der Gefahr, der mit der Sehnſucht allein ſchon fahren will ohne die Kraft.
Auch durch das Liebesleben rauſcht dieſer Phaethon der Gefahr. Der Menſch, ſehend zum erſtenmal, denkend — und nun ſogleich der Menſch, der die Hand ausſtrecken möchte, Herr der Liebe zu werden.
Es iſt ja ſo wunderbar, dieſes Erwachen des Menſchen.
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da. Er ſieht der Sonne in ihr Werk und er fragt ſich, ob
er das nicht auch kann, ob er es nicht gar beſſer kann. Und
er ſchwingt ſich auf den Sonnenwagen. Das Ende iſt bekannt:
er zündet den Himmel an und ſtürzt ſelber in Tod und Ver¬
derben. Er war zu ſchwach.
Es giebt einen Weg wo er nicht zu ſchwach wäre. Phaethon
wird ein weiſer Chaldäer, der tauſend und tauſend Nächte ſtill
in den Sternen lieſt. Phaethon wird Ariſtarch und Ptolemäus,
er wird Kopernikus und Newton; er weiß endlich nach welchem
Geſetz die Weltkörper laufen. Phaethon wird Faraday und
Ediſon und er bringt die Kräfte der Natur, die vom fallenden
Stein und Blitz bis zu Monden und Sonnen walten, eine um
die andere in ſeine Gewalt. Wenn Phaethon noch einmal
hunderttauſend Jahre nach dem gelebt haben wird, ſo wird er
ſich fragen, ob er ſeinen Planeten nicht verlaſſen kann, ob er
nicht wandern kann mit dem Licht, das vierzigtauſend Meilen
in der Sekunde ſauſt, ob er nicht die Gravitation in ſeine
Macht bringen kann wie ein Kind an einem Uhrzeiger dreht.
Das iſt Phaethon, der langſam, aber in unveränderlicher Stäte
aus dem Schatten geht, der wahren Scheitelſonne zu. Wenn
ſie einſt über ihm iſt, wird ſie zugleich er ſelbſt ſein: die
Entwickelung liegt dann in ſeiner Hand, nicht mehr in un¬
berechenbar fremden Gewalten; in jenen Tagen fährt Phaethon
ſelber als Sonnengott im goldenen Wagen, er iſt die Natur,
die ſehend aufgewachte Natur.
Aber dieſer Phaethon der Jahrtauſende iſt es nicht, den
die Sage meint. Sie ſtarrt in das Dunkel der werdenden
Menſchheit erſt und ſie ſieht den Phaethon der Gefahr, der
mit der Sehnſucht allein ſchon fahren will ohne die Kraft.
Auch durch das Liebesleben rauſcht dieſer Phaethon der
Gefahr. Der Menſch, ſehend zum erſtenmal, denkend — und
nun ſogleich der Menſch, der die Hand ausſtrecken möchte, Herr
der Liebe zu werden.
Es iſt ja ſo wunderbar, dieſes Erwachen des Menſchen.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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