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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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zur Röhre, endlich zum reinen unterirdischen Kaninchenbau.
Die Uferschwalbe, der schöne Eisvogel und der farbenfrohe
Bienenfresser schlagen metertiefe Röhren in die Wände der
Flußufer. Aber der Vogel kann ja mehr, als schlangenhaft in
die Tiefe gehen: sein Reich ist die Luft. So sucht er sich hoch
auf der Astgabel eines Baumes seinen Fleck, dorthin trägt er
mit seinem prächtigen Organ, dem Schnabel, die Reisigfüllung
der Erdgrube, bis die Plattform der Ringeltaube und Turtel¬
taube zunächst einmal roh im Blätterversteck schwebt. Der Wind
will den losen Bau fortreißen, aber ein natürlicher Kitt hat
ihn verklebt: der Vogelmist. Das greift die Elster auf: sie
wirft den Mist hinaus, trägt aber feuchte Erde ein und kittet
mit der die Nestwölbung fest. Da es der Schnabel ist, der
die Erde bringt, fließt Speichel darauf und thut so natürlichen
Klebstoff dazu. Also bespuckt die Singdrossel um und um ein
Gebrösel von zerbissenem faulen Holz der Erlkönigsweiden und
klebt sich davon eine solide Nestwand. Die Salangane aber,
die indische Schwalbe, bringt es in der Übung des Spuckens
so weit, daß schließlich das ganze Nest aus Schleim zusammen¬
gerülpst wird, -- gerade dieses Nest hat der Mensch sich als
Leckerbissen auserkoren zur Vogelnestsuppe. Inzwischen haben
die andern Schwalben regelrecht aus Lehm mauern gelernt und
der Töpfervogel Amerikas mauert sich daraus gar schon ein
Häuslein mit zwei Kammern inwendig. Die Spechte aber
haben in das Baumholz Röhren getrieben wie der Eisvogel
in seine Uferwand. In solchem Baumloch brütet auch das
Weibchen des großen Hornvogels, damit es aber ja niemand
dort störe, mauert der Mann mit Lehm die Öffnung bis auf
ein winziges Löchlein zu, durch das er die Nonne im Kerker
so lange atzt. Die Kleinsten der Kleinen, deren Schnäbelchen
am allergewandtesten ist, lassen endlich Bohren und Spucken
und Mauern noch wieder als zu roh beiseite. Sie bauen ihr
Nest zur grünen Kugel aus mit nur einem kleinen Eingang,
wie der Zaunkönig. Sie pflanzen es als Pfahlbau zwischen

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zur Röhre, endlich zum reinen unterirdiſchen Kaninchenbau.
Die Uferſchwalbe, der ſchöne Eisvogel und der farbenfrohe
Bienenfreſſer ſchlagen metertiefe Röhren in die Wände der
Flußufer. Aber der Vogel kann ja mehr, als ſchlangenhaft in
die Tiefe gehen: ſein Reich iſt die Luft. So ſucht er ſich hoch
auf der Aſtgabel eines Baumes ſeinen Fleck, dorthin trägt er
mit ſeinem prächtigen Organ, dem Schnabel, die Reiſigfüllung
der Erdgrube, bis die Plattform der Ringeltaube und Turtel¬
taube zunächſt einmal roh im Blätterverſteck ſchwebt. Der Wind
will den loſen Bau fortreißen, aber ein natürlicher Kitt hat
ihn verklebt: der Vogelmiſt. Das greift die Elſter auf: ſie
wirft den Miſt hinaus, trägt aber feuchte Erde ein und kittet
mit der die Neſtwölbung feſt. Da es der Schnabel iſt, der
die Erde bringt, fließt Speichel darauf und thut ſo natürlichen
Klebſtoff dazu. Alſo beſpuckt die Singdroſſel um und um ein
Gebröſel von zerbiſſenem faulen Holz der Erlkönigsweiden und
klebt ſich davon eine ſolide Neſtwand. Die Salangane aber,
die indiſche Schwalbe, bringt es in der Übung des Spuckens
ſo weit, daß ſchließlich das ganze Neſt aus Schleim zuſammen¬
gerülpſt wird, — gerade dieſes Neſt hat der Menſch ſich als
Leckerbiſſen auserkoren zur Vogelneſtſuppe. Inzwiſchen haben
die andern Schwalben regelrecht aus Lehm mauern gelernt und
der Töpfervogel Amerikas mauert ſich daraus gar ſchon ein
Häuslein mit zwei Kammern inwendig. Die Spechte aber
haben in das Baumholz Röhren getrieben wie der Eisvogel
in ſeine Uferwand. In ſolchem Baumloch brütet auch das
Weibchen des großen Hornvogels, damit es aber ja niemand
dort ſtöre, mauert der Mann mit Lehm die Öffnung bis auf
ein winziges Löchlein zu, durch das er die Nonne im Kerker
ſo lange atzt. Die Kleinſten der Kleinen, deren Schnäbelchen
am allergewandteſten iſt, laſſen endlich Bohren und Spucken
und Mauern noch wieder als zu roh beiſeite. Sie bauen ihr
Neſt zur grünen Kugel aus mit nur einem kleinen Eingang,
wie der Zaunkönig. Sie pflanzen es als Pfahlbau zwiſchen

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[163/0177] zur Röhre, endlich zum reinen unterirdiſchen Kaninchenbau. Die Uferſchwalbe, der ſchöne Eisvogel und der farbenfrohe Bienenfreſſer ſchlagen metertiefe Röhren in die Wände der Flußufer. Aber der Vogel kann ja mehr, als ſchlangenhaft in die Tiefe gehen: ſein Reich iſt die Luft. So ſucht er ſich hoch auf der Aſtgabel eines Baumes ſeinen Fleck, dorthin trägt er mit ſeinem prächtigen Organ, dem Schnabel, die Reiſigfüllung der Erdgrube, bis die Plattform der Ringeltaube und Turtel¬ taube zunächſt einmal roh im Blätterverſteck ſchwebt. Der Wind will den loſen Bau fortreißen, aber ein natürlicher Kitt hat ihn verklebt: der Vogelmiſt. Das greift die Elſter auf: ſie wirft den Miſt hinaus, trägt aber feuchte Erde ein und kittet mit der die Neſtwölbung feſt. Da es der Schnabel iſt, der die Erde bringt, fließt Speichel darauf und thut ſo natürlichen Klebſtoff dazu. Alſo beſpuckt die Singdroſſel um und um ein Gebröſel von zerbiſſenem faulen Holz der Erlkönigsweiden und klebt ſich davon eine ſolide Neſtwand. Die Salangane aber, die indiſche Schwalbe, bringt es in der Übung des Spuckens ſo weit, daß ſchließlich das ganze Neſt aus Schleim zuſammen¬ gerülpſt wird, — gerade dieſes Neſt hat der Menſch ſich als Leckerbiſſen auserkoren zur Vogelneſtſuppe. Inzwiſchen haben die andern Schwalben regelrecht aus Lehm mauern gelernt und der Töpfervogel Amerikas mauert ſich daraus gar ſchon ein Häuslein mit zwei Kammern inwendig. Die Spechte aber haben in das Baumholz Röhren getrieben wie der Eisvogel in ſeine Uferwand. In ſolchem Baumloch brütet auch das Weibchen des großen Hornvogels, damit es aber ja niemand dort ſtöre, mauert der Mann mit Lehm die Öffnung bis auf ein winziges Löchlein zu, durch das er die Nonne im Kerker ſo lange atzt. Die Kleinſten der Kleinen, deren Schnäbelchen am allergewandteſten iſt, laſſen endlich Bohren und Spucken und Mauern noch wieder als zu roh beiſeite. Sie bauen ihr Neſt zur grünen Kugel aus mit nur einem kleinen Eingang, wie der Zaunkönig. Sie pflanzen es als Pfahlbau zwiſchen 11*

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/177>, abgerufen am 23.11.2024.