treiben auch der männlichen Zeugungsstoffe im Liebesakt. Der schlichte Wasserhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬ waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die köstliche Lebenswelle weit vorschleudern mußte.
Mit dieser neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat offenbar jetzt jene Verschlußhaut in den ernstesten Konflikt. So nützlich es für gewöhnlich sein mochte, auch die ruhende Geschlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gästen und anderem Eindringsel zu schützen: im Moment des Aktes war jede Einengung da vorne eine fatalste, zweckwidrigste Hemmung. Und um welchen größten Zweck handelte es sich doch!
Das Naturgemäßeste wäre gewesen, daß die zu weit gehende Vorhautkapsel etwa beim ersten reifen Liebesakt ge¬ platzt und so einfach beiseite getreten wäre nach Art des weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieser kleine Hautvorhang der weiblichen engeren Geschlechtspforte ein geradezu auffälliges Seitenstück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier zeigt sich ein kleiner Hautverschluß, der allerdings mit dem Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch macht auch er den Eindruck eines Schutzsegels vor einer wichtigsten Leibesöffnung. Auch er läßt soviel Raum, daß eine glatt abströmende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬ sprengen: die Menstruationsblutung nämlich. Wenn aber zum erstenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier Bahn haben will, so reißt eben das Jungfernhäutlein, -- das alte Schutzsegel muß brechen gegenüber diesem höheren Zweck.
Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬ heit, als hätten sich zwei Zwecke da im sonst so harmonischen Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬ gelöst. Ich halte es für sehr wohl möglich, daß das Jungfern¬ häutchen seinen eigentlichen logischen Naturzweck hatte bei tie¬ rischen Vorfahren des Menschen, bei denen die Brunstzeit noch
8*
treiben auch der männlichen Zeugungsſtoffe im Liebesakt. Der ſchlichte Waſſerhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬ waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die köſtliche Lebenswelle weit vorſchleudern mußte.
Mit dieſer neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat offenbar jetzt jene Verſchlußhaut in den ernſteſten Konflikt. So nützlich es für gewöhnlich ſein mochte, auch die ruhende Geſchlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gäſten und anderem Eindringſel zu ſchützen: im Moment des Aktes war jede Einengung da vorne eine fatalſte, zweckwidrigſte Hemmung. Und um welchen größten Zweck handelte es ſich doch!
Das Naturgemäßeſte wäre geweſen, daß die zu weit gehende Vorhautkapſel etwa beim erſten reifen Liebesakt ge¬ platzt und ſo einfach beiſeite getreten wäre nach Art des weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieſer kleine Hautvorhang der weiblichen engeren Geſchlechtspforte ein geradezu auffälliges Seitenſtück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier zeigt ſich ein kleiner Hautverſchluß, der allerdings mit dem Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch macht auch er den Eindruck eines Schutzſegels vor einer wichtigſten Leibesöffnung. Auch er läßt ſoviel Raum, daß eine glatt abſtrömende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬ ſprengen: die Menſtruationsblutung nämlich. Wenn aber zum erſtenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier Bahn haben will, ſo reißt eben das Jungfernhäutlein, — das alte Schutzſegel muß brechen gegenüber dieſem höheren Zweck.
Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬ heit, als hätten ſich zwei Zwecke da im ſonſt ſo harmoniſchen Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬ gelöſt. Ich halte es für ſehr wohl möglich, daß das Jungfern¬ häutchen ſeinen eigentlichen logiſchen Naturzweck hatte bei tie¬ riſchen Vorfahren des Menſchen, bei denen die Brunſtzeit noch
8*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0129"n="115"/>
treiben auch der männlichen Zeugungsſtoffe im Liebesakt. Der<lb/>ſchlichte Waſſerhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und<lb/>
zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬<lb/>
waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die<lb/>
köſtliche Lebenswelle weit vorſchleudern mußte.</p><lb/><p>Mit dieſer neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat<lb/>
offenbar jetzt jene Verſchlußhaut in den ernſteſten Konflikt.<lb/>
So nützlich es für gewöhnlich ſein mochte, auch die ruhende<lb/>
Geſchlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gäſten und<lb/>
anderem Eindringſel zu ſchützen: im Moment des Aktes war<lb/>
jede Einengung da vorne eine fatalſte, zweckwidrigſte Hemmung.<lb/>
Und um welchen größten Zweck handelte es ſich doch!</p><lb/><p>Das Naturgemäßeſte wäre geweſen, daß die zu weit<lb/>
gehende Vorhautkapſel etwa beim erſten reifen Liebesakt ge¬<lb/>
platzt und ſo einfach beiſeite getreten wäre nach Art des<lb/>
weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieſer kleine<lb/>
Hautvorhang der weiblichen engeren Geſchlechtspforte ein geradezu<lb/>
auffälliges Seitenſtück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier<lb/>
zeigt ſich ein kleiner Hautverſchluß, der allerdings mit dem<lb/>
Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch<lb/>
macht auch er den Eindruck eines Schutzſegels vor einer<lb/>
wichtigſten Leibesöffnung. Auch er läßt ſoviel Raum, daß<lb/>
eine glatt abſtrömende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬<lb/>ſprengen: die Menſtruationsblutung nämlich. Wenn aber zum<lb/>
erſtenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier<lb/>
Bahn haben will, ſo reißt eben das Jungfernhäutlein, — das<lb/>
alte Schutzſegel muß brechen gegenüber dieſem höheren Zweck.</p><lb/><p>Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte<lb/>
gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬<lb/>
heit, als hätten ſich zwei Zwecke da im ſonſt ſo harmoniſchen<lb/>
Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬<lb/>
gelöſt. Ich halte es für ſehr wohl möglich, daß das Jungfern¬<lb/>
häutchen ſeinen eigentlichen logiſchen Naturzweck hatte bei tie¬<lb/>
riſchen Vorfahren des Menſchen, bei denen die Brunſtzeit noch<lb/><fwplace="bottom"type="sig">8*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[115/0129]
treiben auch der männlichen Zeugungsſtoffe im Liebesakt. Der
ſchlichte Waſſerhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und
zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬
waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die
köſtliche Lebenswelle weit vorſchleudern mußte.
Mit dieſer neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat
offenbar jetzt jene Verſchlußhaut in den ernſteſten Konflikt.
So nützlich es für gewöhnlich ſein mochte, auch die ruhende
Geſchlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gäſten und
anderem Eindringſel zu ſchützen: im Moment des Aktes war
jede Einengung da vorne eine fatalſte, zweckwidrigſte Hemmung.
Und um welchen größten Zweck handelte es ſich doch!
Das Naturgemäßeſte wäre geweſen, daß die zu weit
gehende Vorhautkapſel etwa beim erſten reifen Liebesakt ge¬
platzt und ſo einfach beiſeite getreten wäre nach Art des
weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieſer kleine
Hautvorhang der weiblichen engeren Geſchlechtspforte ein geradezu
auffälliges Seitenſtück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier
zeigt ſich ein kleiner Hautverſchluß, der allerdings mit dem
Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch
macht auch er den Eindruck eines Schutzſegels vor einer
wichtigſten Leibesöffnung. Auch er läßt ſoviel Raum, daß
eine glatt abſtrömende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬
ſprengen: die Menſtruationsblutung nämlich. Wenn aber zum
erſtenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier
Bahn haben will, ſo reißt eben das Jungfernhäutlein, — das
alte Schutzſegel muß brechen gegenüber dieſem höheren Zweck.
Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte
gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬
heit, als hätten ſich zwei Zwecke da im ſonſt ſo harmoniſchen
Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬
gelöſt. Ich halte es für ſehr wohl möglich, daß das Jungfern¬
häutchen ſeinen eigentlichen logiſchen Naturzweck hatte bei tie¬
riſchen Vorfahren des Menſchen, bei denen die Brunſtzeit noch
8*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/129>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.