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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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ein Warnungssignal darüber, Bimssteinmassen schwammen wie
verglaster Schaum in breiten Feldern nach allen Seiten ab.
Dann, auf einmal, an einem Morgen, da der Dampf sich zum
ersten Mal verzieht, liegt es da: ein schwarzer Fels, der die
Flut überragt und die langen Ozeanswellen zu weißer Gischt
bricht. Eine Spalte der Erdrinde hatte sich gebildet, durch
irgendwelche Massenverschiebungen. Stoffe der Gesteins-Tiefe
sind jäh entlastet worden, sind emporgequollen, haben den Tiefsee-
Schlamm durchbrochen, haben sich zischend im Wasser aufein¬
ander getürmt, immer höher, bis zum Spiegel herauf, sind zu¬
gleich in der Flut erkaltet, erstarrt .... eine neue Insel steht
da. Nackt und bloß zunächst. Gott zeigt sich nicht, um auf
ihr etwas zu schaffen. Aber die schon vorhandene Natur hilft
selber weiter, wenn auch mit etwas Zeit.

Ganz allmählich stellt sich auf dem Stückchen Fels jene
Erscheinung des Erdplaneten ein, die wir im gewöhnlichen
Brauch "Leben" nennen.

Mit dem Hauch der Luft herangeweht erscheinen jene
unsichtbar Allgegenwärtigen, die Bakterien, auch Bazillen genannt.
Sie, die im Tropenbrand leben wie am äußersten Polarpunkt
Nansens, -- die Anspruchslosen, die auf dem nacktesten Fels
der Urerde, den noch kein Stäubchen Humus bedeckte, schon
hätten gedeihen können, die, wenn es not thut, Schwefelwasser¬
stoff atmen, der allem übrigen Leben ein Gift und Greuel ist,
die im buchstäblichen Sinn Steine als Brod fressen. Aber mit
der Welle kommt auch die Muschelschale, die ans Land treibt,
es kommt die schwerfällige Schildkröte, die hier ihre Eier ab¬
legt, Robben wälzen ihren ungeschlachten Leib herauf, um in
der verschwiegenen Stille dieses Strandes ihre Liebesabenteuer
auszufechten. Mit der Luft kommen kreischende Seevögel, die
den Felsgipfel mit Guano bepudern wie mit Schnee, und ein
windverwehtes Käferlein, das sich eilig in diesen Mist gräbt
und seine Eier hineinlegt. Ein Sturm verrauscht über Nacht,
und als es Morgen wird, hat er vom nächsten Koralleneiland

ein Warnungsſignal darüber, Bimsſteinmaſſen ſchwammen wie
verglaſter Schaum in breiten Feldern nach allen Seiten ab.
Dann, auf einmal, an einem Morgen, da der Dampf ſich zum
erſten Mal verzieht, liegt es da: ein ſchwarzer Fels, der die
Flut überragt und die langen Ozeanswellen zu weißer Giſcht
bricht. Eine Spalte der Erdrinde hatte ſich gebildet, durch
irgendwelche Maſſenverſchiebungen. Stoffe der Geſteins-Tiefe
ſind jäh entlaſtet worden, ſind emporgequollen, haben den Tiefſee-
Schlamm durchbrochen, haben ſich ziſchend im Waſſer aufein¬
ander getürmt, immer höher, bis zum Spiegel herauf, ſind zu¬
gleich in der Flut erkaltet, erſtarrt .... eine neue Inſel ſteht
da. Nackt und bloß zunächſt. Gott zeigt ſich nicht, um auf
ihr etwas zu ſchaffen. Aber die ſchon vorhandene Natur hilft
ſelber weiter, wenn auch mit etwas Zeit.

Ganz allmählich ſtellt ſich auf dem Stückchen Fels jene
Erſcheinung des Erdplaneten ein, die wir im gewöhnlichen
Brauch „Leben“ nennen.

Mit dem Hauch der Luft herangeweht erſcheinen jene
unſichtbar Allgegenwärtigen, die Bakterien, auch Bazillen genannt.
Sie, die im Tropenbrand leben wie am äußerſten Polarpunkt
Nanſens, — die Anſpruchsloſen, die auf dem nackteſten Fels
der Urerde, den noch kein Stäubchen Humus bedeckte, ſchon
hätten gedeihen können, die, wenn es not thut, Schwefelwaſſer¬
ſtoff atmen, der allem übrigen Leben ein Gift und Greuel iſt,
die im buchſtäblichen Sinn Steine als Brod freſſen. Aber mit
der Welle kommt auch die Muſchelſchale, die ans Land treibt,
es kommt die ſchwerfällige Schildkröte, die hier ihre Eier ab¬
legt, Robben wälzen ihren ungeſchlachten Leib herauf, um in
der verſchwiegenen Stille dieſes Strandes ihre Liebesabenteuer
auszufechten. Mit der Luft kommen kreiſchende Seevögel, die
den Felsgipfel mit Guano bepudern wie mit Schnee, und ein
windverwehtes Käferlein, das ſich eilig in dieſen Miſt gräbt
und ſeine Eier hineinlegt. Ein Sturm verrauſcht über Nacht,
und als es Morgen wird, hat er vom nächſten Koralleneiland

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[64/0080] ein Warnungsſignal darüber, Bimsſteinmaſſen ſchwammen wie verglaſter Schaum in breiten Feldern nach allen Seiten ab. Dann, auf einmal, an einem Morgen, da der Dampf ſich zum erſten Mal verzieht, liegt es da: ein ſchwarzer Fels, der die Flut überragt und die langen Ozeanswellen zu weißer Giſcht bricht. Eine Spalte der Erdrinde hatte ſich gebildet, durch irgendwelche Maſſenverſchiebungen. Stoffe der Geſteins-Tiefe ſind jäh entlaſtet worden, ſind emporgequollen, haben den Tiefſee- Schlamm durchbrochen, haben ſich ziſchend im Waſſer aufein¬ ander getürmt, immer höher, bis zum Spiegel herauf, ſind zu¬ gleich in der Flut erkaltet, erſtarrt .... eine neue Inſel ſteht da. Nackt und bloß zunächſt. Gott zeigt ſich nicht, um auf ihr etwas zu ſchaffen. Aber die ſchon vorhandene Natur hilft ſelber weiter, wenn auch mit etwas Zeit. Ganz allmählich ſtellt ſich auf dem Stückchen Fels jene Erſcheinung des Erdplaneten ein, die wir im gewöhnlichen Brauch „Leben“ nennen. Mit dem Hauch der Luft herangeweht erſcheinen jene unſichtbar Allgegenwärtigen, die Bakterien, auch Bazillen genannt. Sie, die im Tropenbrand leben wie am äußerſten Polarpunkt Nanſens, — die Anſpruchsloſen, die auf dem nackteſten Fels der Urerde, den noch kein Stäubchen Humus bedeckte, ſchon hätten gedeihen können, die, wenn es not thut, Schwefelwaſſer¬ ſtoff atmen, der allem übrigen Leben ein Gift und Greuel iſt, die im buchſtäblichen Sinn Steine als Brod freſſen. Aber mit der Welle kommt auch die Muſchelſchale, die ans Land treibt, es kommt die ſchwerfällige Schildkröte, die hier ihre Eier ab¬ legt, Robben wälzen ihren ungeſchlachten Leib herauf, um in der verſchwiegenen Stille dieſes Strandes ihre Liebesabenteuer auszufechten. Mit der Luft kommen kreiſchende Seevögel, die den Felsgipfel mit Guano bepudern wie mit Schnee, und ein windverwehtes Käferlein, das ſich eilig in dieſen Miſt gräbt und ſeine Eier hineinlegt. Ein Sturm verrauſcht über Nacht, und als es Morgen wird, hat er vom nächſten Koralleneiland

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/80>, abgerufen am 24.11.2024.