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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Seligkeit goldener Liebestage aus. Und erst wenn das alles
vorüber ist, kommt fern davon der eigentliche Nestbau.

[Abbildung]

Es bedarf nur eines Blickes auf diese Hochzeitslaube mit
ihrem Schmuck -- und man ist für immer überzeugt, daß in
dem kleinen Gehirn dieses Vogels im einsam wilden australischen
Busch nicht bloß ein gewisser Verstand wohnt, sondern auch
eine unmittelbare ästhetische Freude am "Schönen". Du wirfst
vielleicht ein, daß ein paar rote Beeren oder eine schmucke
Feder oder gar ein weißer Kieselstein doch äußerst armselige
Schönheitsproben sind. Aber warum zieht sich der Wilde
einen glänzenden Ring durch die Nase, hüllt seine Liebste in
einen schreiend roten Lappen, hängt ein paar grelle Blumen
an seine Hütte? Er findet das schön, seine kleine naive Ästhetik
lebt sich darin aus. Und warum tragen wir eine rote Nelke im
Knopfloch, einen Brillanten im Ohr? Lege ein paar gemeine
grüne Blätter ins Fenster deiner Farm in Australien und da¬
zwischen eine rote Nelke: dein Kind wird zuerst nach der Nelke
greifen und die Blätter liegen lassen -- der Kragenvogel aber,
verlaß dich darauf, wird es genau so machen, und deinen
Brillantohrring schleppt er, es giebt Proben dafür, unter allen
Umständen in seine Hochzeitslaube, wenn er ihn erreichen kann.

Vollends beweisend aber für unsere allgemeine Schönheits¬
betrachtung ist, daß der Vogel in seine Laubenwand als Zier¬
stück geradezu auch bunte Vogelfedern steckt. Er selbst hat,
wie gesagt, nicht viel Buntes am Leibe. Aber nehmen wir
an, er fände eine jener Federn des Rudolfs-Paradiesvogels
(dieser wohnt ja nicht dort, sondern in Neu-Guinea) mit ihrem
Capri-Blau: kein Zweifel daß er sie aufpickt und heimträgt
ins Liebeshaus als köstlichsten Fund.

Warum? Weil er sie "schön" findet.

Seligkeit goldener Liebestage aus. Und erſt wenn das alles
vorüber iſt, kommt fern davon der eigentliche Neſtbau.

[Abbildung]

Es bedarf nur eines Blickes auf dieſe Hochzeitslaube mit
ihrem Schmuck — und man iſt für immer überzeugt, daß in
dem kleinen Gehirn dieſes Vogels im einſam wilden auſtraliſchen
Buſch nicht bloß ein gewiſſer Verſtand wohnt, ſondern auch
eine unmittelbare äſthetiſche Freude am „Schönen“. Du wirfſt
vielleicht ein, daß ein paar rote Beeren oder eine ſchmucke
Feder oder gar ein weißer Kieſelſtein doch äußerſt armſelige
Schönheitsproben ſind. Aber warum zieht ſich der Wilde
einen glänzenden Ring durch die Naſe, hüllt ſeine Liebſte in
einen ſchreiend roten Lappen, hängt ein paar grelle Blumen
an ſeine Hütte? Er findet das ſchön, ſeine kleine naive Äſthetik
lebt ſich darin aus. Und warum tragen wir eine rote Nelke im
Knopfloch, einen Brillanten im Ohr? Lege ein paar gemeine
grüne Blätter ins Fenſter deiner Farm in Auſtralien und da¬
zwiſchen eine rote Nelke: dein Kind wird zuerſt nach der Nelke
greifen und die Blätter liegen laſſen — der Kragenvogel aber,
verlaß dich darauf, wird es genau ſo machen, und deinen
Brillantohrring ſchleppt er, es giebt Proben dafür, unter allen
Umſtänden in ſeine Hochzeitslaube, wenn er ihn erreichen kann.

Vollends beweiſend aber für unſere allgemeine Schönheits¬
betrachtung iſt, daß der Vogel in ſeine Laubenwand als Zier¬
ſtück geradezu auch bunte Vogelfedern ſteckt. Er ſelbſt hat,
wie geſagt, nicht viel Buntes am Leibe. Aber nehmen wir
an, er fände eine jener Federn des Rudolfs-Paradiesvogels
(dieſer wohnt ja nicht dort, ſondern in Neu-Guinea) mit ihrem
Capri-Blau: kein Zweifel daß er ſie aufpickt und heimträgt
ins Liebeshaus als köſtlichſten Fund.

Warum? Weil er ſie „ſchön“ findet.

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[359/0375] Seligkeit goldener Liebestage aus. Und erſt wenn das alles vorüber iſt, kommt fern davon der eigentliche Neſtbau. [Abbildung] Es bedarf nur eines Blickes auf dieſe Hochzeitslaube mit ihrem Schmuck — und man iſt für immer überzeugt, daß in dem kleinen Gehirn dieſes Vogels im einſam wilden auſtraliſchen Buſch nicht bloß ein gewiſſer Verſtand wohnt, ſondern auch eine unmittelbare äſthetiſche Freude am „Schönen“. Du wirfſt vielleicht ein, daß ein paar rote Beeren oder eine ſchmucke Feder oder gar ein weißer Kieſelſtein doch äußerſt armſelige Schönheitsproben ſind. Aber warum zieht ſich der Wilde einen glänzenden Ring durch die Naſe, hüllt ſeine Liebſte in einen ſchreiend roten Lappen, hängt ein paar grelle Blumen an ſeine Hütte? Er findet das ſchön, ſeine kleine naive Äſthetik lebt ſich darin aus. Und warum tragen wir eine rote Nelke im Knopfloch, einen Brillanten im Ohr? Lege ein paar gemeine grüne Blätter ins Fenſter deiner Farm in Auſtralien und da¬ zwiſchen eine rote Nelke: dein Kind wird zuerſt nach der Nelke greifen und die Blätter liegen laſſen — der Kragenvogel aber, verlaß dich darauf, wird es genau ſo machen, und deinen Brillantohrring ſchleppt er, es giebt Proben dafür, unter allen Umſtänden in ſeine Hochzeitslaube, wenn er ihn erreichen kann. Vollends beweiſend aber für unſere allgemeine Schönheits¬ betrachtung iſt, daß der Vogel in ſeine Laubenwand als Zier¬ ſtück geradezu auch bunte Vogelfedern ſteckt. Er ſelbſt hat, wie geſagt, nicht viel Buntes am Leibe. Aber nehmen wir an, er fände eine jener Federn des Rudolfs-Paradiesvogels (dieſer wohnt ja nicht dort, ſondern in Neu-Guinea) mit ihrem Capri-Blau: kein Zweifel daß er ſie aufpickt und heimträgt ins Liebeshaus als köſtlichſten Fund. Warum? Weil er ſie „ſchön“ findet.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/375>, abgerufen am 22.11.2024.