Schönheit der Paradiesier von Neu-Guinea. Ein schlichter Kerl, nicht ganz wie ein Eichelhäher groß, grau und braun mit helleren Tupfen, nur im Nacken mit einem kleinen Kragen hübsch rosenroter oder violetter Federn geschmückt. Aber gerade dieser schlichte Kauz wird dir zum Lehrmeister über ein ge¬ heimnisvoll bedeutsames Gebiet im Vogel-Gehirn, -- für unsere Frage das allerbedeutsamste.
Die Chlamydodera baut ihr echtes, für die Eier und Jungen bestimmtes Nest schlecht und recht wie jeder andere Vogel ihrer Verwandtschaft. Das ist eine ernsthafte Pflicht- Sache, die keinerlei Extravaganzen duldet. Wenn die rechte Zeit da ist, wird das Nest im Eukalyptusbaum oder Akazien¬ busch bereitet, napfförmig wie das einer Drossel, der Rohbau aus dürrem Reisig, das dann noch die zartesten Gräslein und Federchen den lieben Kleinen mollig machen müssen. Alles natürlich so verborgen und so unscheinbar wie möglich. Denn wenn Australien auch keine einheimischen Katzen hat, so hat es doch kletternde Beuteltiere, die frech wie Katzen räubern.
Wo immer Vögel so zum Nestbau schreiten und um das Wohl der Jungen sich mühen, da sind sie in der sorgenvollen Zeit ihres Lebens, wo sie am wenigsten an eigene Bequemlich¬ keit und Lustbarkeit denken. Und doch: bei unserer Chlamy¬ dodera ist diese Bauzeit nur der zweite Akt. Sie hat schon einmal gebaut -- vorher -- nicht in nachdenklicher Familien¬ sorge, sondern im lustigen Rausch der ersten Liebeszeit. Eine besondere Art Nest galt es auch da, aber nicht eine Kinder¬ stube, sondern -- eine Hochzeitslaube.
Das jetzt ist das seltsame Ding, das sie in Dresden ganz wieder aufgebaut haben.
Die Liebeszeit der Kragenvögel ist da. Die Liebespaare locken und suchen sich. Da ersteht durch die Arbeit der ver¬ liebten Vöglein am Boden des Buschwaldes, weit ab von den Stellen, wo später das wirkliche Nest hinkommt, eine Art von Liebestempelchen: das Hochzeitshaus.
Schönheit der Paradieſier von Neu-Guinea. Ein ſchlichter Kerl, nicht ganz wie ein Eichelhäher groß, grau und braun mit helleren Tupfen, nur im Nacken mit einem kleinen Kragen hübſch roſenroter oder violetter Federn geſchmückt. Aber gerade dieſer ſchlichte Kauz wird dir zum Lehrmeiſter über ein ge¬ heimnisvoll bedeutſames Gebiet im Vogel-Gehirn, — für unſere Frage das allerbedeutſamſte.
Die Chlamydodera baut ihr echtes, für die Eier und Jungen beſtimmtes Neſt ſchlecht und recht wie jeder andere Vogel ihrer Verwandtſchaft. Das iſt eine ernſthafte Pflicht- Sache, die keinerlei Extravaganzen duldet. Wenn die rechte Zeit da iſt, wird das Neſt im Eukalyptusbaum oder Akazien¬ buſch bereitet, napfförmig wie das einer Droſſel, der Rohbau aus dürrem Reiſig, das dann noch die zarteſten Gräslein und Federchen den lieben Kleinen mollig machen müſſen. Alles natürlich ſo verborgen und ſo unſcheinbar wie möglich. Denn wenn Auſtralien auch keine einheimiſchen Katzen hat, ſo hat es doch kletternde Beuteltiere, die frech wie Katzen räubern.
Wo immer Vögel ſo zum Neſtbau ſchreiten und um das Wohl der Jungen ſich mühen, da ſind ſie in der ſorgenvollen Zeit ihres Lebens, wo ſie am wenigſten an eigene Bequemlich¬ keit und Luſtbarkeit denken. Und doch: bei unſerer Chlamy¬ dodera iſt dieſe Bauzeit nur der zweite Akt. Sie hat ſchon einmal gebaut — vorher — nicht in nachdenklicher Familien¬ ſorge, ſondern im luſtigen Rauſch der erſten Liebeszeit. Eine beſondere Art Neſt galt es auch da, aber nicht eine Kinder¬ ſtube, ſondern — eine Hochzeitslaube.
Das jetzt iſt das ſeltſame Ding, das ſie in Dresden ganz wieder aufgebaut haben.
Die Liebeszeit der Kragenvögel iſt da. Die Liebespaare locken und ſuchen ſich. Da erſteht durch die Arbeit der ver¬ liebten Vöglein am Boden des Buſchwaldes, weit ab von den Stellen, wo ſpäter das wirkliche Neſt hinkommt, eine Art von Liebestempelchen: das Hochzeitshaus.
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Schönheit der Paradieſier von Neu-Guinea. Ein ſchlichter
Kerl, nicht ganz wie ein Eichelhäher groß, grau und braun
mit helleren Tupfen, nur im Nacken mit einem kleinen Kragen
hübſch roſenroter oder violetter Federn geſchmückt. Aber gerade
dieſer ſchlichte Kauz wird dir zum Lehrmeiſter über ein ge¬
heimnisvoll bedeutſames Gebiet im Vogel-Gehirn, — für unſere
Frage das allerbedeutſamſte.
Die Chlamydodera baut ihr echtes, für die Eier und
Jungen beſtimmtes Neſt ſchlecht und recht wie jeder andere
Vogel ihrer Verwandtſchaft. Das iſt eine ernſthafte Pflicht-
Sache, die keinerlei Extravaganzen duldet. Wenn die rechte
Zeit da iſt, wird das Neſt im Eukalyptusbaum oder Akazien¬
buſch bereitet, napfförmig wie das einer Droſſel, der Rohbau
aus dürrem Reiſig, das dann noch die zarteſten Gräslein und
Federchen den lieben Kleinen mollig machen müſſen. Alles
natürlich ſo verborgen und ſo unſcheinbar wie möglich. Denn
wenn Auſtralien auch keine einheimiſchen Katzen hat, ſo hat es
doch kletternde Beuteltiere, die frech wie Katzen räubern.
Wo immer Vögel ſo zum Neſtbau ſchreiten und um das
Wohl der Jungen ſich mühen, da ſind ſie in der ſorgenvollen
Zeit ihres Lebens, wo ſie am wenigſten an eigene Bequemlich¬
keit und Luſtbarkeit denken. Und doch: bei unſerer Chlamy¬
dodera iſt dieſe Bauzeit nur der zweite Akt. Sie hat ſchon
einmal gebaut — vorher — nicht in nachdenklicher Familien¬
ſorge, ſondern im luſtigen Rauſch der erſten Liebeszeit. Eine
beſondere Art Neſt galt es auch da, aber nicht eine Kinder¬
ſtube, ſondern — eine Hochzeitslaube.
Das jetzt iſt das ſeltſame Ding, das ſie in Dresden ganz
wieder aufgebaut haben.
Die Liebeszeit der Kragenvögel iſt da. Die Liebespaare
locken und ſuchen ſich. Da erſteht durch die Arbeit der ver¬
liebten Vöglein am Boden des Buſchwaldes, weit ab von den
Stellen, wo ſpäter das wirkliche Neſt hinkommt, eine Art von
Liebestempelchen: das Hochzeitshaus.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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