Bleiben wir ruhig noch ein Weilchen im
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trefflichen Dresdener Museum. Da steht neben den Schränken mit den vielen lustigen Vogelnestern ein besonderer Kasten mit einem Ding, das zunächst einen weiten Gedankenspaziergang ganz für sich nötig macht. Es ist ein hübscher Spaziergang und du sollst auf ihm vorerst noch einmal alle graue Theorie wie den Sandsack eines Luftballons, der steigen will, über Bord werfen.
Du blickst in dem Kasten in eine australische Landschaft. Durch ein Stückchen niedlich gemalter Hintergrundskulisse ist die Phantasie im ganzen geweckt: du siehst australische Bäume, eine kleine Strecke jener eigenartigen Buschwald-Landschaft, die den alten merkwürdigen Erdteil der Schnabeltiere, Känguruhs und Molchfische auszeichnet. Vor dieser Landschaft steht dann vollständig naturgetreu wiederaufgebaut ein echter australischer Gegenstand der seltsamsten Art.
Du sollst die Empfindung bekommen, daß du in diesem Augenblick wirklich durch den australischen Busch streifst -- und auf einmal steht vor deinem Blick dieses Etwas, schwieriger zu bezeichnen als eine unendliche Fülle anderer Erzeugnisse der erfindungsreichen Mutter Natur.
Es ist die Hochzeitslaube des Kragenvogels, der Chla¬ mydodera, wie der Vogel wissenschaftlich heißt.
Hochzeit! Wir sind auf einmal bei einem Liebeswerk!
Der Vogel gehört seinem Bau nach so eng zu den Para¬
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Bleiben wir ruhig noch ein Weilchen im
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trefflichen Dresdener Muſeum. Da ſteht neben den Schränken mit den vielen luſtigen Vogelneſtern ein beſonderer Kaſten mit einem Ding, das zunächſt einen weiten Gedankenſpaziergang ganz für ſich nötig macht. Es iſt ein hübſcher Spaziergang und du ſollſt auf ihm vorerſt noch einmal alle graue Theorie wie den Sandſack eines Luftballons, der ſteigen will, über Bord werfen.
Du blickſt in dem Kaſten in eine auſtraliſche Landſchaft. Durch ein Stückchen niedlich gemalter Hintergrundskuliſſe iſt die Phantaſie im ganzen geweckt: du ſiehſt auſtraliſche Bäume, eine kleine Strecke jener eigenartigen Buſchwald-Landſchaft, die den alten merkwürdigen Erdteil der Schnabeltiere, Känguruhs und Molchfiſche auszeichnet. Vor dieſer Landſchaft ſteht dann vollſtändig naturgetreu wiederaufgebaut ein echter auſtraliſcher Gegenſtand der ſeltſamſten Art.
Du ſollſt die Empfindung bekommen, daß du in dieſem Augenblick wirklich durch den auſtraliſchen Buſch ſtreifſt — und auf einmal ſteht vor deinem Blick dieſes Etwas, ſchwieriger zu bezeichnen als eine unendliche Fülle anderer Erzeugniſſe der erfindungsreichen Mutter Natur.
Es iſt die Hochzeitslaube des Kragenvogels, der Chla¬ mydodera, wie der Vogel wiſſenſchaftlich heißt.
Hochzeit! Wir ſind auf einmal bei einem Liebeswerk!
Der Vogel gehört ſeinem Bau nach ſo eng zu den Para¬
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trefflichen Dresdener Muſeum. Da ſteht neben den
Schränken mit den vielen luſtigen Vogelneſtern ein
beſonderer Kaſten mit einem Ding, das zunächſt
einen weiten Gedankenſpaziergang ganz für ſich
nötig macht. Es iſt ein hübſcher Spaziergang und
du ſollſt auf ihm vorerſt noch einmal alle graue
Theorie wie den Sandſack eines Luftballons, der
ſteigen will, über Bord werfen.
Du blickſt in dem Kaſten in eine auſtraliſche Landſchaft.
Durch ein Stückchen niedlich gemalter Hintergrundskuliſſe iſt die
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eine kleine Strecke jener eigenartigen Buſchwald-Landſchaft, die
den alten merkwürdigen Erdteil der Schnabeltiere, Känguruhs
und Molchfiſche auszeichnet. Vor dieſer Landſchaft ſteht dann
vollſtändig naturgetreu wiederaufgebaut ein echter auſtraliſcher
Gegenſtand der ſeltſamſten Art.
Du ſollſt die Empfindung bekommen, daß du in dieſem
Augenblick wirklich durch den auſtraliſchen Buſch ſtreifſt — und
auf einmal ſteht vor deinem Blick dieſes Etwas, ſchwieriger
zu bezeichnen als eine unendliche Fülle anderer Erzeugniſſe der
erfindungsreichen Mutter Natur.
Es iſt die Hochzeitslaube des Kragenvogels, der Chla¬
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/371>, abgerufen am 12.05.2024.
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