Die Befruchtung, jener eigentliche Mischakt der Samen¬ zellen und Eizellen, findet im Weibesleibe selbst statt. Es bedeutete das einerseits einen Schutz für die Eier, und anderer¬ seits eine gewaltige Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, daß jedes Ei ein Samentierchen fand, also der wahre Mischakt überhaupt eintrat. Der Fortschritt war aber eben erst möglich, nachdem ein Mannesglied sich ausgebildet hatte. Fortan brauchte also bloß noch beim Manne jener Nies-Akt der Samenausspritzung mit dem Höhepunkt des Wollust-Aktes vereint zu bleiben. Beim Weibe fiel jede Eier-Explosion im Wollustmoment end¬ gültig fort.
Du erinnerst dich, daß gerade dieses Fortfallen beim Menschenweibe wieder einer der Punkte war, den du oben als Absurdität brandmarken wolltest. Daß nämlich beim Weibe der Wollustakt scheinbar ganz außer Beziehung geraten ist zu der Eierablösung im Eierstock! In Wahrheit kam von einer be¬ stimmten wichtigen Ecke der Entwickelung an alles darauf an, daß bloß der Samen möglichst tief in das Weib eingepumpt wurde. In diesem Einpumpen lag der äußerste Akt der Distanceliebe der beiden großen Deckindividuen Mann und Weib zu Gunsten der Mischliebe der Samen- und Eizelle. Also konzentrierte sich auf diesen Pumpakt auch beiderseits die höchste Wollust. Beim Manne mußte nach wie vor das Samen¬ auspumpen damit zusammenfallen, selbstthätig verknüpft wie Schnupftabakkitzel und Niesen. Beim Weibe aber brauchte schlechterdings nichts damit zusammenzufallen, als die best¬ mögliche innere Situation zum möglichst tiefen Einströmen¬ lassen der Samenwelle. Alles was die eigenen Weibeseier betraf, war längst so tief nach innen verlegt, und hatte hier so sehr seinen eigenen Mechanismus, daß der ganze Akt der beiden großen Leute sich darum überhaupt nicht mehr zu kümmern brauchte. In das eigentliche Eierland vorzudringen, war Sache der eingezeugten Samentierchen selbst. Mochte die eine eigene Wollustsehnsucht noch wieder für sich weitertreiben
Die Befruchtung, jener eigentliche Miſchakt der Samen¬ zellen und Eizellen, findet im Weibesleibe ſelbſt ſtatt. Es bedeutete das einerſeits einen Schutz für die Eier, und anderer¬ ſeits eine gewaltige Erhöhung der Wahrſcheinlichkeit, daß jedes Ei ein Samentierchen fand, alſo der wahre Miſchakt überhaupt eintrat. Der Fortſchritt war aber eben erſt möglich, nachdem ein Mannesglied ſich ausgebildet hatte. Fortan brauchte alſo bloß noch beim Manne jener Nies-Akt der Samenausſpritzung mit dem Höhepunkt des Wolluſt-Aktes vereint zu bleiben. Beim Weibe fiel jede Eier-Exploſion im Wolluſtmoment end¬ gültig fort.
Du erinnerſt dich, daß gerade dieſes Fortfallen beim Menſchenweibe wieder einer der Punkte war, den du oben als Abſurdität brandmarken wollteſt. Daß nämlich beim Weibe der Wolluſtakt ſcheinbar ganz außer Beziehung geraten iſt zu der Eierablöſung im Eierſtock! In Wahrheit kam von einer be¬ ſtimmten wichtigen Ecke der Entwickelung an alles darauf an, daß bloß der Samen möglichſt tief in das Weib eingepumpt wurde. In dieſem Einpumpen lag der äußerſte Akt der Diſtanceliebe der beiden großen Deckindividuen Mann und Weib zu Gunſten der Miſchliebe der Samen- und Eizelle. Alſo konzentrierte ſich auf dieſen Pumpakt auch beiderſeits die höchſte Wolluſt. Beim Manne mußte nach wie vor das Samen¬ auspumpen damit zuſammenfallen, ſelbſtthätig verknüpft wie Schnupftabakkitzel und Nieſen. Beim Weibe aber brauchte ſchlechterdings nichts damit zuſammenzufallen, als die beſt¬ mögliche innere Situation zum möglichſt tiefen Einſtrömen¬ laſſen der Samenwelle. Alles was die eigenen Weibeseier betraf, war längſt ſo tief nach innen verlegt, und hatte hier ſo ſehr ſeinen eigenen Mechanismus, daß der ganze Akt der beiden großen Leute ſich darum überhaupt nicht mehr zu kümmern brauchte. In das eigentliche Eierland vorzudringen, war Sache der eingezeugten Samentierchen ſelbſt. Mochte die eine eigene Wolluſtſehnſucht noch wieder für ſich weitertreiben
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Die Befruchtung, jener eigentliche Miſchakt der Samen¬
zellen und Eizellen, findet im Weibesleibe ſelbſt ſtatt. Es
bedeutete das einerſeits einen Schutz für die Eier, und anderer¬
ſeits eine gewaltige Erhöhung der Wahrſcheinlichkeit, daß jedes
Ei ein Samentierchen fand, alſo der wahre Miſchakt überhaupt
eintrat. Der Fortſchritt war aber eben erſt möglich, nachdem
ein Mannesglied ſich ausgebildet hatte. Fortan brauchte alſo
bloß noch beim Manne jener Nies-Akt der Samenausſpritzung
mit dem Höhepunkt des Wolluſt-Aktes vereint zu bleiben.
Beim Weibe fiel jede Eier-Exploſion im Wolluſtmoment end¬
gültig fort.
Du erinnerſt dich, daß gerade dieſes Fortfallen beim
Menſchenweibe wieder einer der Punkte war, den du oben als
Abſurdität brandmarken wollteſt. Daß nämlich beim Weibe
der Wolluſtakt ſcheinbar ganz außer Beziehung geraten iſt zu der
Eierablöſung im Eierſtock! In Wahrheit kam von einer be¬
ſtimmten wichtigen Ecke der Entwickelung an alles darauf an,
daß bloß der Samen möglichſt tief in das Weib eingepumpt
wurde. In dieſem Einpumpen lag der äußerſte Akt der
Diſtanceliebe der beiden großen Deckindividuen Mann und
Weib zu Gunſten der Miſchliebe der Samen- und Eizelle.
Alſo konzentrierte ſich auf dieſen Pumpakt auch beiderſeits die
höchſte Wolluſt. Beim Manne mußte nach wie vor das Samen¬
auspumpen damit zuſammenfallen, ſelbſtthätig verknüpft wie
Schnupftabakkitzel und Nieſen. Beim Weibe aber brauchte
ſchlechterdings nichts damit zuſammenzufallen, als die beſt¬
mögliche innere Situation zum möglichſt tiefen Einſtrömen¬
laſſen der Samenwelle. Alles was die eigenen Weibeseier
betraf, war längſt ſo tief nach innen verlegt, und hatte hier
ſo ſehr ſeinen eigenen Mechanismus, daß der ganze Akt der
beiden großen Leute ſich darum überhaupt nicht mehr zu
kümmern brauchte. In das eigentliche Eierland vorzudringen,
war Sache der eingezeugten Samentierchen ſelbſt. Mochte die
eine eigene Wolluſtſehnſucht noch wieder für ſich weitertreiben
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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