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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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sonders kräftig sich benehmendes Samentierchen überhaupt an¬
nähme und Schwächlinge zunächst abwiese, bis der "Held"
kommt. Auch das führte zu einer Auslese in Darwins Sinn.

Daß sozusagen der "klare Verstand" der Eizelle eine
wirkliche Rolle bei dem ganzen Aufnahmeakt spielt, zeigen
gewisse Experimente, die Oskar Hertwig angestellt hat, als er
1875 in Ajaccio auf Corsika zum erstenmal den ganzen
Hergang der Befruchtung bei den Eiern der Seeigeltiere be¬
obachtete. Hertwig chloroformierte im regelrechtesten Sinne
eine lebendige Eizelle und sah nun, wie sie, bis zur Bewußt¬
losigkeit trunken, anders als sonst und zwar sinnlos handelte.
Sie nahm mehr als ein Samentierchen in sich auf und brachte
damit den ganzen echten Akt in bodenlose Verwirrung.

Nichts ist vielleicht interessanter, als sich zu vergegenwärtigen,
daß solche Dinge selbst heute in der Gebärmutter oder den Ei¬
leitern unserer Menschenweiber eine Rolle spielen könnten. Wer
sagt uns, ob nicht jedesmal das Samentierchen, das die Eizelle
wirklich okkupiert, allemal das erste, stärkste, schnellste seiner
Mitbrüder wenigstens desselben Mannesergusses ist? Jedes
Kind, das aus Eizelle und Samenzelle entspringt, hat seine
besondere Eigenart. Also individualisiert sind diese Zellen
selber sicherlich auch schon. Bei jeder Individualisierung werden
aber Kraftunterschiede, Gesundheitsunterschiede eine Rolle spielen.
Daß es geradezu kranke Samenzellen geben muß, ist sogar
direkt nachweisbar. Denke an den durch Alkohol, durch Syphilis
vergifteten Samen!

Ein denkender Mediziner, Alfred Ploetz, hat gelegentlich
in einem geistvollen Buche darauf hingewiesen, daß diese "Zucht¬
wahl unter den Samentierchen" vielleicht einmal von höchster
Bedeutung für die ganze Fortschrittsfrage der Menschheit werden
könnte, -- wenn wir nämlich mit Bewußtsein uns darauf ver¬
legten, sie auszunutzen und zu begünstigen. In der That ist
ja oft von neueren, darwinistisch gefärbten Philosophen erkannt
worden, daß vom reinen Boden jener Darwinschen "Auslese

ſonders kräftig ſich benehmendes Samentierchen überhaupt an¬
nähme und Schwächlinge zunächſt abwieſe, bis der „Held“
kommt. Auch das führte zu einer Ausleſe in Darwins Sinn.

Daß ſozuſagen der „klare Verſtand“ der Eizelle eine
wirkliche Rolle bei dem ganzen Aufnahmeakt ſpielt, zeigen
gewiſſe Experimente, die Oskar Hertwig angeſtellt hat, als er
1875 in Ajaccio auf Corſika zum erſtenmal den ganzen
Hergang der Befruchtung bei den Eiern der Seeigeltiere be¬
obachtete. Hertwig chloroformierte im regelrechteſten Sinne
eine lebendige Eizelle und ſah nun, wie ſie, bis zur Bewußt¬
loſigkeit trunken, anders als ſonſt und zwar ſinnlos handelte.
Sie nahm mehr als ein Samentierchen in ſich auf und brachte
damit den ganzen echten Akt in bodenloſe Verwirrung.

Nichts iſt vielleicht intereſſanter, als ſich zu vergegenwärtigen,
daß ſolche Dinge ſelbſt heute in der Gebärmutter oder den Ei¬
leitern unſerer Menſchenweiber eine Rolle ſpielen könnten. Wer
ſagt uns, ob nicht jedesmal das Samentierchen, das die Eizelle
wirklich okkupiert, allemal das erſte, ſtärkſte, ſchnellſte ſeiner
Mitbrüder wenigſtens desſelben Manneserguſſes iſt? Jedes
Kind, das aus Eizelle und Samenzelle entſpringt, hat ſeine
beſondere Eigenart. Alſo individualiſiert ſind dieſe Zellen
ſelber ſicherlich auch ſchon. Bei jeder Individualiſierung werden
aber Kraftunterſchiede, Geſundheitsunterſchiede eine Rolle ſpielen.
Daß es geradezu kranke Samenzellen geben muß, iſt ſogar
direkt nachweisbar. Denke an den durch Alkohol, durch Syphilis
vergifteten Samen!

Ein denkender Mediziner, Alfred Ploetz, hat gelegentlich
in einem geiſtvollen Buche darauf hingewieſen, daß dieſe „Zucht¬
wahl unter den Samentierchen“ vielleicht einmal von höchſter
Bedeutung für die ganze Fortſchrittsfrage der Menſchheit werden
könnte, — wenn wir nämlich mit Bewußtſein uns darauf ver¬
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ja oft von neueren, darwiniſtiſch gefärbten Philoſophen erkannt
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[196/0212] ſonders kräftig ſich benehmendes Samentierchen überhaupt an¬ nähme und Schwächlinge zunächſt abwieſe, bis der „Held“ kommt. Auch das führte zu einer Ausleſe in Darwins Sinn. Daß ſozuſagen der „klare Verſtand“ der Eizelle eine wirkliche Rolle bei dem ganzen Aufnahmeakt ſpielt, zeigen gewiſſe Experimente, die Oskar Hertwig angeſtellt hat, als er 1875 in Ajaccio auf Corſika zum erſtenmal den ganzen Hergang der Befruchtung bei den Eiern der Seeigeltiere be¬ obachtete. Hertwig chloroformierte im regelrechteſten Sinne eine lebendige Eizelle und ſah nun, wie ſie, bis zur Bewußt¬ loſigkeit trunken, anders als ſonſt und zwar ſinnlos handelte. Sie nahm mehr als ein Samentierchen in ſich auf und brachte damit den ganzen echten Akt in bodenloſe Verwirrung. Nichts iſt vielleicht intereſſanter, als ſich zu vergegenwärtigen, daß ſolche Dinge ſelbſt heute in der Gebärmutter oder den Ei¬ leitern unſerer Menſchenweiber eine Rolle ſpielen könnten. Wer ſagt uns, ob nicht jedesmal das Samentierchen, das die Eizelle wirklich okkupiert, allemal das erſte, ſtärkſte, ſchnellſte ſeiner Mitbrüder wenigſtens desſelben Manneserguſſes iſt? Jedes Kind, das aus Eizelle und Samenzelle entſpringt, hat ſeine beſondere Eigenart. Alſo individualiſiert ſind dieſe Zellen ſelber ſicherlich auch ſchon. Bei jeder Individualiſierung werden aber Kraftunterſchiede, Geſundheitsunterſchiede eine Rolle ſpielen. Daß es geradezu kranke Samenzellen geben muß, iſt ſogar direkt nachweisbar. Denke an den durch Alkohol, durch Syphilis vergifteten Samen! Ein denkender Mediziner, Alfred Ploetz, hat gelegentlich in einem geiſtvollen Buche darauf hingewieſen, daß dieſe „Zucht¬ wahl unter den Samentierchen“ vielleicht einmal von höchſter Bedeutung für die ganze Fortſchrittsfrage der Menſchheit werden könnte, — wenn wir nämlich mit Bewußtſein uns darauf ver¬ legten, ſie auszunutzen und zu begünſtigen. In der That iſt ja oft von neueren, darwiniſtiſch gefärbten Philoſophen erkannt worden, daß vom reinen Boden jener Darwinſchen „Ausleſe

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/212>, abgerufen am 24.11.2024.