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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Verschwendung. Die geschlechtliche Zeugung an sich bestand eben
schon. Samenzelle mußte zu Eizelle. Aber die körperliche Be¬
gattung war gleichzeitig noch nicht erfunden. Die Geschlechtsstoffe
gingen dem Manne wie Weibe jedem einzeln wie Pollutionen
oder Menstruationsblut ab. Einziger Ausweg: die Masse dieser
Ausscheidungen mußte so vergrößert werden, daß die Ströme
draußen doch noch ziemlich sicher zusammenflossen. Oder mit
anderen Worten: die uralte Grundthatsache der Mischliebe be¬
stand schon als Gesetz. Aber jener letzte, äußerste, engste Akt
der Distanceliebe, die Begattung, fehlte noch. Samentierchen
und Ei, ins Freie hinausgeworfen, hatten ein unvergleichlich
viel größeres Distancestück noch selbständig zu nehmen. So
wurde ihre Zahl ins gewaltige vergrößert, auf daß, wenn
tausend Pioniere den Nordpol auf ihrer schweren Expedition
nicht erreichten, doch der tausendunderste wenigstens hinkomme.

Es mischten sich zweifellos noch andere Motive ein, die
der Zahlvergrößerung ohnehin günstig sein mußten. So jenes
schon gestreifte, das eine möglichst große Zahl von wirklichen
Befruchtungen erwünscht erscheinen ließ. Die befruchteten Eier,
die nicht im Mutterleibe, sondern im freien Wasser vom ersten
Tage an reiften, waren den vielfältigsten Gefahren ausgesetzt.
Junge Tiere, schutzlos sofort umherirrend ohne Elternpflege,
gingen tausend- und tausendfach wieder ein, ehe sie selber zur
Fortpflanzung kamen. So mußte jeder Akt möglichst weit für
die Zukunft vorsorgen, wenigstens das Ideal auch einer wirklichen
Massenzeugung hochhalten. Dieser Gesichtspunkt mußte besonders
dazu führen, daß nicht bloß die Samenzahl möglichst üppig
vermehrt wurde, sondern auch die der Eier.

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Verſchwendung. Die geſchlechtliche Zeugung an ſich beſtand eben
ſchon. Samenzelle mußte zu Eizelle. Aber die körperliche Be¬
gattung war gleichzeitig noch nicht erfunden. Die Geſchlechtsſtoffe
gingen dem Manne wie Weibe jedem einzeln wie Pollutionen
oder Menſtruationsblut ab. Einziger Ausweg: die Maſſe dieſer
Ausſcheidungen mußte ſo vergrößert werden, daß die Ströme
draußen doch noch ziemlich ſicher zuſammenfloſſen. Oder mit
anderen Worten: die uralte Grundthatſache der Miſchliebe be¬
ſtand ſchon als Geſetz. Aber jener letzte, äußerſte, engſte Akt
der Diſtanceliebe, die Begattung, fehlte noch. Samentierchen
und Ei, ins Freie hinausgeworfen, hatten ein unvergleichlich
viel größeres Diſtanceſtück noch ſelbſtändig zu nehmen. So
wurde ihre Zahl ins gewaltige vergrößert, auf daß, wenn
tauſend Pioniere den Nordpol auf ihrer ſchweren Expedition
nicht erreichten, doch der tauſendunderſte wenigſtens hinkomme.

Es miſchten ſich zweifellos noch andere Motive ein, die
der Zahlvergrößerung ohnehin günſtig ſein mußten. So jenes
ſchon geſtreifte, das eine möglichſt große Zahl von wirklichen
Befruchtungen erwünſcht erſcheinen ließ. Die befruchteten Eier,
die nicht im Mutterleibe, ſondern im freien Waſſer vom erſten
Tage an reiften, waren den vielfältigſten Gefahren ausgeſetzt.
Junge Tiere, ſchutzlos ſofort umherirrend ohne Elternpflege,
gingen tauſend- und tauſendfach wieder ein, ehe ſie ſelber zur
Fortpflanzung kamen. So mußte jeder Akt möglichſt weit für
die Zukunft vorſorgen, wenigſtens das Ideal auch einer wirklichen
Maſſenzeugung hochhalten. Dieſer Geſichtspunkt mußte beſonders
dazu führen, daß nicht bloß die Samenzahl möglichſt üppig
vermehrt wurde, ſondern auch die der Eier.

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[194/0210] Verſchwendung. Die geſchlechtliche Zeugung an ſich beſtand eben ſchon. Samenzelle mußte zu Eizelle. Aber die körperliche Be¬ gattung war gleichzeitig noch nicht erfunden. Die Geſchlechtsſtoffe gingen dem Manne wie Weibe jedem einzeln wie Pollutionen oder Menſtruationsblut ab. Einziger Ausweg: die Maſſe dieſer Ausſcheidungen mußte ſo vergrößert werden, daß die Ströme draußen doch noch ziemlich ſicher zuſammenfloſſen. Oder mit anderen Worten: die uralte Grundthatſache der Miſchliebe be¬ ſtand ſchon als Geſetz. Aber jener letzte, äußerſte, engſte Akt der Diſtanceliebe, die Begattung, fehlte noch. Samentierchen und Ei, ins Freie hinausgeworfen, hatten ein unvergleichlich viel größeres Diſtanceſtück noch ſelbſtändig zu nehmen. So wurde ihre Zahl ins gewaltige vergrößert, auf daß, wenn tauſend Pioniere den Nordpol auf ihrer ſchweren Expedition nicht erreichten, doch der tauſendunderſte wenigſtens hinkomme. Es miſchten ſich zweifellos noch andere Motive ein, die der Zahlvergrößerung ohnehin günſtig ſein mußten. So jenes ſchon geſtreifte, das eine möglichſt große Zahl von wirklichen Befruchtungen erwünſcht erſcheinen ließ. Die befruchteten Eier, die nicht im Mutterleibe, ſondern im freien Waſſer vom erſten Tage an reiften, waren den vielfältigſten Gefahren ausgeſetzt. Junge Tiere, ſchutzlos ſofort umherirrend ohne Elternpflege, gingen tauſend- und tauſendfach wieder ein, ehe ſie ſelber zur Fortpflanzung kamen. So mußte jeder Akt möglichſt weit für die Zukunft vorſorgen, wenigſtens das Ideal auch einer wirklichen Maſſenzeugung hochhalten. Dieſer Geſichtspunkt mußte beſonders dazu führen, daß nicht bloß die Samenzahl möglichſt üppig vermehrt wurde, ſondern auch die der Eier. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/210>, abgerufen am 23.11.2024.