Die friedliche Betrachtung der menschlichen Geschlechtsteile führt uns in allererster Linie vor die schon in diesem Plural gegebene Thatsache: daß es sich nicht um den Geschlechtsteil handelt, sondern um "die" in der Mehrheit.
Der Zweiheit.
Der Mensch, wie er sich uns als Geschlechtswesen präsen¬ tiert, ist zunächst unabänderlich auch eines jener Doppelwesen mit Geschlechtertrennung. Hie Mann, hie Weib. Hie männ¬ liches Geschlechtsteil, hie weibliches. In Summa Geschlechtsteile.
Diese Thatsache ist von Anfang an überaus wichtig. Sie lehrt uns nämlich folgendes. Bei der ganzen Organbetrachtung, der wir bisher gefolgt sind, bei Magen, Hirn, Knochengerüst, Lunge, Hand und so weiter, konnten wir immer von einem Körper allein ausgehen. Wohl ergab dieser Körper in sich schon gewisse Notwendigkeiten, wo er nach dem Fenster-, Räder-, und Ruderprinzip eine Zweiteilung der Organe in sich selbst möglich und nötig machte: zwei Arme und Beine, zwei Lungenflügel, auch zwei Gehirnhälften und so weiter. Aber schließlich blieb das alles im einen und gleichen Leibe umfaßt. Bei den Geschlechtsteilen dagegen kann ich nicht zu dir sagen: zieh dir die Kleider aus und wirf dich nackt ins Gras und laß dich von diesem deinem Leibe belehren. Hier mußt du in der Idee dir etwas ergänzen. Du mußt dir zwei Leiber so denken, einen männlichen und einen weiblichen. Mit dem kleinen Wörtchen "zwei" springst du aber um einen wahren Weltenabstand. Eins heißt Einsiedelei. Zwei heißt Soziales.
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Die friedliche Betrachtung der menſchlichen Geſchlechtsteile führt uns in allererſter Linie vor die ſchon in dieſem Plural gegebene Thatſache: daß es ſich nicht um den Geſchlechtsteil handelt, ſondern um „die“ in der Mehrheit.
Der Zweiheit.
Der Menſch, wie er ſich uns als Geſchlechtsweſen präſen¬ tiert, iſt zunächſt unabänderlich auch eines jener Doppelweſen mit Geſchlechtertrennung. Hie Mann, hie Weib. Hie männ¬ liches Geſchlechtsteil, hie weibliches. In Summa Geſchlechtsteile.
Dieſe Thatſache iſt von Anfang an überaus wichtig. Sie lehrt uns nämlich folgendes. Bei der ganzen Organbetrachtung, der wir bisher gefolgt ſind, bei Magen, Hirn, Knochengerüſt, Lunge, Hand und ſo weiter, konnten wir immer von einem Körper allein ausgehen. Wohl ergab dieſer Körper in ſich ſchon gewiſſe Notwendigkeiten, wo er nach dem Fenſter-, Räder-, und Ruderprinzip eine Zweiteilung der Organe in ſich ſelbſt möglich und nötig machte: zwei Arme und Beine, zwei Lungenflügel, auch zwei Gehirnhälften und ſo weiter. Aber ſchließlich blieb das alles im einen und gleichen Leibe umfaßt. Bei den Geſchlechtsteilen dagegen kann ich nicht zu dir ſagen: zieh dir die Kleider aus und wirf dich nackt ins Gras und laß dich von dieſem deinem Leibe belehren. Hier mußt du in der Idee dir etwas ergänzen. Du mußt dir zwei Leiber ſo denken, einen männlichen und einen weiblichen. Mit dem kleinen Wörtchen „zwei“ ſpringſt du aber um einen wahren Weltenabſtand. Eins heißt Einſiedelei. Zwei heißt Soziales.
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Die friedliche Betrachtung der menſchlichen Geſchlechtsteile
führt uns in allererſter Linie vor die ſchon in dieſem Plural
gegebene Thatſache: daß es ſich nicht um den Geſchlechtsteil
handelt, ſondern um „die“ in der Mehrheit.
Der Zweiheit.
Der Menſch, wie er ſich uns als Geſchlechtsweſen präſen¬
tiert, iſt zunächſt unabänderlich auch eines jener Doppelweſen
mit Geſchlechtertrennung. Hie Mann, hie Weib. Hie männ¬
liches Geſchlechtsteil, hie weibliches. In Summa Geſchlechtsteile.
Dieſe Thatſache iſt von Anfang an überaus wichtig. Sie
lehrt uns nämlich folgendes. Bei der ganzen Organbetrachtung,
der wir bisher gefolgt ſind, bei Magen, Hirn, Knochengerüſt,
Lunge, Hand und ſo weiter, konnten wir immer von einem
Körper allein ausgehen. Wohl ergab dieſer Körper in ſich
ſchon gewiſſe Notwendigkeiten, wo er nach dem Fenſter-, Räder-,
und Ruderprinzip eine Zweiteilung der Organe in ſich ſelbſt
möglich und nötig machte: zwei Arme und Beine, zwei
Lungenflügel, auch zwei Gehirnhälften und ſo weiter. Aber
ſchließlich blieb das alles im einen und gleichen Leibe umfaßt.
Bei den Geſchlechtsteilen dagegen kann ich nicht zu dir ſagen:
zieh dir die Kleider aus und wirf dich nackt ins Gras und
laß dich von dieſem deinem Leibe belehren. Hier mußt du in
der Idee dir etwas ergänzen. Du mußt dir zwei Leiber ſo
denken, einen männlichen und einen weiblichen. Mit dem
kleinen Wörtchen „zwei“ ſpringſt du aber um einen wahren
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/131>, abgerufen am 22.11.2024.
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