Diese Fisch-Renegaten haben die Hinterbeine überhaupt ab¬ geschafft, ihre ungeschlachte Körperwalze läuft hinten zu wie in einen gekreuzten Wurstzipfel und die Vorderpfote ist Schaufel¬ flosse mit unbewegbaren Fingern geworden. Vorbei, vorbei! Da sind die Gürteltiere, Ameisenfresser, Schuppentiere und Erdferkel, noch ganz niedrige, urweltliche Gesellen, zum Teil in derben Panzern wie Schildkröten. Sie graben ursprünglich alle in der Erde, und ihre Füße sind Scharrschaufeln geworden. Wohl sind dann ein paar Formen im Urwald auch zu Kletterern geworden: das Faultier hängt träge im Blätterdach. Aber statt der Hände hat es starre Kleiderhaken sich entwickelt, die Grab¬ schaufel zu einem Ding beinah wie eine Eishacke, mit der es sich von Ast zu Ast zieht, umgeformt. Nichts für dich!
Graue Gespensterscharen in der Luft, am Zweige hängend wie ein eingeklappter Regenschirm: die Fledermäuse. Zwischen ihre riesenhaft gespreizten Finger ist die Haut in breiter Fläche eingewachsen, bis ein schwaches Flugorgan entstanden ist. Ein Renegatenzug zum Vogel! Aber das äußerste Gegenteil von Lauffuß und Kletterhand. Vorbei! Die Raubtiere. Bei ihnen ist die Klaue in erster Linie Waffe geworden. In furchtbaren Krallen, nicht mehr zum Graben, sondern zum Packen der Beute, konzentriert sich ihre wichtigste Leistung. Die so bewehrte Pranke ist Messer, Schwert, Streitaxt. Aber die Waffen sind da¬ bei angewachsen, sind Organ. Wäre die Hand frei beweglich wie bei dir, so könnte sie sich Waffen jeder Art aus fremden Stoffen schmieden. Aber so ... vorbei!
Die Nagetiere. Da hüpft die Springmaus wieder auf den Hinterbeinen wie das Känguruh. Folge dem Eichkätzchen, wie niedlich es Männchen macht und die Frucht mit den Vorder¬ füßchen zum Munde führt, wirklich fast wie mit Händen. Aber auch an diesen Händen sitzen noch keine Nägel, sondern scharfe spitze Krallen. Und der Fuß der Springmaus ist noch ganz und gar kein Gehfuß. Immerhin ist an diesen kleinen Gesellen etwas wie ein Ahnen, ein Vordeuten, als sollte es hier herum
Dieſe Fiſch-Renegaten haben die Hinterbeine überhaupt ab¬ geſchafft, ihre ungeſchlachte Körperwalze läuft hinten zu wie in einen gekreuzten Wurſtzipfel und die Vorderpfote iſt Schaufel¬ floſſe mit unbewegbaren Fingern geworden. Vorbei, vorbei! Da ſind die Gürteltiere, Ameiſenfreſſer, Schuppentiere und Erdferkel, noch ganz niedrige, urweltliche Geſellen, zum Teil in derben Panzern wie Schildkröten. Sie graben urſprünglich alle in der Erde, und ihre Füße ſind Scharrſchaufeln geworden. Wohl ſind dann ein paar Formen im Urwald auch zu Kletterern geworden: das Faultier hängt träge im Blätterdach. Aber ſtatt der Hände hat es ſtarre Kleiderhaken ſich entwickelt, die Grab¬ ſchaufel zu einem Ding beinah wie eine Eishacke, mit der es ſich von Aſt zu Aſt zieht, umgeformt. Nichts für dich!
Graue Geſpenſterſcharen in der Luft, am Zweige hängend wie ein eingeklappter Regenſchirm: die Fledermäuſe. Zwiſchen ihre rieſenhaft geſpreizten Finger iſt die Haut in breiter Fläche eingewachſen, bis ein ſchwaches Flugorgan entſtanden iſt. Ein Renegatenzug zum Vogel! Aber das äußerſte Gegenteil von Lauffuß und Kletterhand. Vorbei! Die Raubtiere. Bei ihnen iſt die Klaue in erſter Linie Waffe geworden. In furchtbaren Krallen, nicht mehr zum Graben, ſondern zum Packen der Beute, konzentriert ſich ihre wichtigſte Leiſtung. Die ſo bewehrte Pranke iſt Meſſer, Schwert, Streitaxt. Aber die Waffen ſind da¬ bei angewachſen, ſind Organ. Wäre die Hand frei beweglich wie bei dir, ſo könnte ſie ſich Waffen jeder Art aus fremden Stoffen ſchmieden. Aber ſo ... vorbei!
Die Nagetiere. Da hüpft die Springmaus wieder auf den Hinterbeinen wie das Känguruh. Folge dem Eichkätzchen, wie niedlich es Männchen macht und die Frucht mit den Vorder¬ füßchen zum Munde führt, wirklich faſt wie mit Händen. Aber auch an dieſen Händen ſitzen noch keine Nägel, ſondern ſcharfe ſpitze Krallen. Und der Fuß der Springmaus iſt noch ganz und gar kein Gehfuß. Immerhin iſt an dieſen kleinen Geſellen etwas wie ein Ahnen, ein Vordeuten, als ſollte es hier herum
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Dieſe Fiſch-Renegaten haben die Hinterbeine überhaupt ab¬
geſchafft, ihre ungeſchlachte Körperwalze läuft hinten zu wie in
einen gekreuzten Wurſtzipfel und die Vorderpfote iſt Schaufel¬
floſſe mit unbewegbaren Fingern geworden. Vorbei, vorbei!
Da ſind die Gürteltiere, Ameiſenfreſſer, Schuppentiere und
Erdferkel, noch ganz niedrige, urweltliche Geſellen, zum Teil in
derben Panzern wie Schildkröten. Sie graben urſprünglich alle
in der Erde, und ihre Füße ſind Scharrſchaufeln geworden.
Wohl ſind dann ein paar Formen im Urwald auch zu Kletterern
geworden: das Faultier hängt träge im Blätterdach. Aber ſtatt
der Hände hat es ſtarre Kleiderhaken ſich entwickelt, die Grab¬
ſchaufel zu einem Ding beinah wie eine Eishacke, mit der es
ſich von Aſt zu Aſt zieht, umgeformt. Nichts für dich!
Graue Geſpenſterſcharen in der Luft, am Zweige hängend
wie ein eingeklappter Regenſchirm: die Fledermäuſe. Zwiſchen
ihre rieſenhaft geſpreizten Finger iſt die Haut in breiter Fläche
eingewachſen, bis ein ſchwaches Flugorgan entſtanden iſt. Ein
Renegatenzug zum Vogel! Aber das äußerſte Gegenteil von
Lauffuß und Kletterhand. Vorbei! Die Raubtiere. Bei ihnen
iſt die Klaue in erſter Linie Waffe geworden. In furchtbaren
Krallen, nicht mehr zum Graben, ſondern zum Packen der Beute,
konzentriert ſich ihre wichtigſte Leiſtung. Die ſo bewehrte Pranke
iſt Meſſer, Schwert, Streitaxt. Aber die Waffen ſind da¬
bei angewachſen, ſind Organ. Wäre die Hand frei beweglich
wie bei dir, ſo könnte ſie ſich Waffen jeder Art aus fremden
Stoffen ſchmieden. Aber ſo ... vorbei!
Die Nagetiere. Da hüpft die Springmaus wieder auf
den Hinterbeinen wie das Känguruh. Folge dem Eichkätzchen,
wie niedlich es Männchen macht und die Frucht mit den Vorder¬
füßchen zum Munde führt, wirklich faſt wie mit Händen. Aber
auch an dieſen Händen ſitzen noch keine Nägel, ſondern ſcharfe
ſpitze Krallen. Und der Fuß der Springmaus iſt noch ganz
und gar kein Gehfuß. Immerhin iſt an dieſen kleinen Geſellen
etwas wie ein Ahnen, ein Vordeuten, als ſollte es hier herum
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/119>, abgerufen am 22.11.2024.
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