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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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in mißlichem Außenstand selber diese Regsamkeit durchretten.
In solcher Stunde ist aus dem wechselwarmen Reptil eine
Gruppe dauerwarmer Geschöpfe als die nächst höhere, über¬
bietende, umfassende Entwickelungsstufe hervorgegangen. Und
da auch du dauerwarm bist, so muß das abermals die Linie
gewesen sein, die auf dich losging.

Als das dauerwarme Blut aber einmal der äußeren Kühle
gegenüber einen wirklichen Schutz-Zweck bekam, da muß Hand
in Hand damit noch etwas sehr wichtiges Weiteres einge¬
treten sein.

[Abbildung]

Da sitzst du und ziehst gemach Stück um Stück deine
Kleider an, weil's dir denn doch hier oben auf der Nordhalb¬
kugel der Erde unter dem zweiundfünfzigsten Breitegrad selbst
in der ersten Maienhitze eines märkischen Seeufers nachgerade
zu kalt wird, um so splitterfasernackt den Teichhühnern und
Haubensteißfüßen nachzuträumen. Deine innere Heizung des
Leibes garantiert dir etwa siebenunddreißig Grad Celsius.
Trotzdem fängt deine Haut hier in der unablässig bewegten
Luft schon an, den steten Wärmeverlust an diese Luft mit einem
gewissen Unbehagen zu empfinden. Sie möchte eine Decke, die
gewissermaßen einen Abschluß nach da außen herstellte, einen
Abschluß, der zwischen deine Haut und die äußere Luft einen
möglichst schlechten Wärmeleiter setzte. Ein solcher schlechter
Wärmeleiter ist nun der Woll- oder Baumwollstoff deiner
Kleider. Am besten dient vor allem die Wolle. Wo nimmst
du aber diese Wolle her? Vom Schaf. Also von einem Tier,
einem höheren Wirbeltier. Daheim hast du noch einen anderen,
eigentlich noch besseren Stoff: im Plumeau deines Bettes. Der
Name giebt ihn schon: Plume ist die Feder. Und auch die
kommt unmittelbar vom tierischen Leibe, bloß von einem anderen

in mißlichem Außenſtand ſelber dieſe Regſamkeit durchretten.
In ſolcher Stunde iſt aus dem wechſelwarmen Reptil eine
Gruppe dauerwarmer Geſchöpfe als die nächſt höhere, über¬
bietende, umfaſſende Entwickelungsſtufe hervorgegangen. Und
da auch du dauerwarm biſt, ſo muß das abermals die Linie
geweſen ſein, die auf dich losging.

Als das dauerwarme Blut aber einmal der äußeren Kühle
gegenüber einen wirklichen Schutz-Zweck bekam, da muß Hand
in Hand damit noch etwas ſehr wichtiges Weiteres einge¬
treten ſein.

[Abbildung]

Da ſitzſt du und ziehſt gemach Stück um Stück deine
Kleider an, weil's dir denn doch hier oben auf der Nordhalb¬
kugel der Erde unter dem zweiundfünfzigſten Breitegrad ſelbſt
in der erſten Maienhitze eines märkiſchen Seeufers nachgerade
zu kalt wird, um ſo ſplitterfaſernackt den Teichhühnern und
Haubenſteißfüßen nachzuträumen. Deine innere Heizung des
Leibes garantiert dir etwa ſiebenunddreißig Grad Celſius.
Trotzdem fängt deine Haut hier in der unabläſſig bewegten
Luft ſchon an, den ſteten Wärmeverluſt an dieſe Luft mit einem
gewiſſen Unbehagen zu empfinden. Sie möchte eine Decke, die
gewiſſermaßen einen Abſchluß nach da außen herſtellte, einen
Abſchluß, der zwiſchen deine Haut und die äußere Luft einen
möglichſt ſchlechten Wärmeleiter ſetzte. Ein ſolcher ſchlechter
Wärmeleiter iſt nun der Woll- oder Baumwollſtoff deiner
Kleider. Am beſten dient vor allem die Wolle. Wo nimmſt
du aber dieſe Wolle her? Vom Schaf. Alſo von einem Tier,
einem höheren Wirbeltier. Daheim haſt du noch einen anderen,
eigentlich noch beſſeren Stoff: im Plumeau deines Bettes. Der
Name giebt ihn ſchon: Plume iſt die Feder. Und auch die
kommt unmittelbar vom tieriſchen Leibe, bloß von einem anderen

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[95/0111] in mißlichem Außenſtand ſelber dieſe Regſamkeit durchretten. In ſolcher Stunde iſt aus dem wechſelwarmen Reptil eine Gruppe dauerwarmer Geſchöpfe als die nächſt höhere, über¬ bietende, umfaſſende Entwickelungsſtufe hervorgegangen. Und da auch du dauerwarm biſt, ſo muß das abermals die Linie geweſen ſein, die auf dich losging. Als das dauerwarme Blut aber einmal der äußeren Kühle gegenüber einen wirklichen Schutz-Zweck bekam, da muß Hand in Hand damit noch etwas ſehr wichtiges Weiteres einge¬ treten ſein. [Abbildung] Da ſitzſt du und ziehſt gemach Stück um Stück deine Kleider an, weil's dir denn doch hier oben auf der Nordhalb¬ kugel der Erde unter dem zweiundfünfzigſten Breitegrad ſelbſt in der erſten Maienhitze eines märkiſchen Seeufers nachgerade zu kalt wird, um ſo ſplitterfaſernackt den Teichhühnern und Haubenſteißfüßen nachzuträumen. Deine innere Heizung des Leibes garantiert dir etwa ſiebenunddreißig Grad Celſius. Trotzdem fängt deine Haut hier in der unabläſſig bewegten Luft ſchon an, den ſteten Wärmeverluſt an dieſe Luft mit einem gewiſſen Unbehagen zu empfinden. Sie möchte eine Decke, die gewiſſermaßen einen Abſchluß nach da außen herſtellte, einen Abſchluß, der zwiſchen deine Haut und die äußere Luft einen möglichſt ſchlechten Wärmeleiter ſetzte. Ein ſolcher ſchlechter Wärmeleiter iſt nun der Woll- oder Baumwollſtoff deiner Kleider. Am beſten dient vor allem die Wolle. Wo nimmſt du aber dieſe Wolle her? Vom Schaf. Alſo von einem Tier, einem höheren Wirbeltier. Daheim haſt du noch einen anderen, eigentlich noch beſſeren Stoff: im Plumeau deines Bettes. Der Name giebt ihn ſchon: Plume iſt die Feder. Und auch die kommt unmittelbar vom tieriſchen Leibe, bloß von einem anderen

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/111>, abgerufen am 02.05.2024.