wandelt nicht bloß außen über dir. Sie kreuzt deine eigene Bahn, wandelt unter heiligen Schauern einmal durch dich selbst.
Mit ihr rührst du an das Geheimnis aller Geheimnisse: an das Problem von Leben und Tod.
Laß uns den Weg an dieser Ecke einen Augenblick weiter gehen .....
[Abbildung]
Unser Wissen von dem entscheidenden Akt der Zeugung hat sich ja als "Wissen" so unendlich erweitert heute. Für den Menschen früherer Jahrhunderte waren die realen Dinge dabei noch dunkel, -- so dunkel! Fast so dunkel und zusammen¬ fallend mit diesem Dunkeln wie das Innere des weiblichen Körpers. Man sah die Präliminarien des Akts. In Sonne, Mondschein und Sternennacht das Aufkeimen erotischer Em¬ pfindungen zwischen Mann und Weib -- jener Empfindungen, die so bezaubernd viel Ideales schon mit umspannten seit Jahr¬ tausenden der Kulturgeschichte und immer mehr erfaßten. Man sah den Sturm der Sinne, -- jetzt ganze Ur-Natur, die alles Kulturelle hinter sich ließ -- mit dem die Geschlechter aufs engste zu einander drängten. Bis zu dem Höhepunkt der körper¬ lichen Geschlechtsvereinigung ..... Dann schloß sich der Schleier. Und wie ein ganz neues, im Bilde absolut Zu¬ sammenhangloses erschien nach Monaten der "neue Mensch", erst pochend, als sei es nur ein Organ unter einer warmen Hülle im Dunkeln des Mutterleibes, -- dann jäh, unter Qualen dieser Mutter, die an Todesschmerz gemahnten, auftauchend zum Licht, für das der ganze Körper in Auge, Atmung, Be¬ wegung schon vollkommen bereitet schien. Was Akt und Akt verknüpfte, blieb aber purpurdunkles Mysterium.
Wir jetzt sind ja ein gut Stück darüber hinaus.
Um 1590, also rund hundert Jahre nach der That des Kolumbus, ist das Mikroskop erfunden worden. Eine Reihe
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wandelt nicht bloß außen über dir. Sie kreuzt deine eigene Bahn, wandelt unter heiligen Schauern einmal durch dich ſelbſt.
Mit ihr rührſt du an das Geheimnis aller Geheimniſſe: an das Problem von Leben und Tod.
Laß uns den Weg an dieſer Ecke einen Augenblick weiter gehen .....
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Unſer Wiſſen von dem entſcheidenden Akt der Zeugung hat ſich ja als „Wiſſen“ ſo unendlich erweitert heute. Für den Menſchen früherer Jahrhunderte waren die realen Dinge dabei noch dunkel, — ſo dunkel! Faſt ſo dunkel und zuſammen¬ fallend mit dieſem Dunkeln wie das Innere des weiblichen Körpers. Man ſah die Präliminarien des Akts. In Sonne, Mondſchein und Sternennacht das Aufkeimen erotiſcher Em¬ pfindungen zwiſchen Mann und Weib — jener Empfindungen, die ſo bezaubernd viel Ideales ſchon mit umſpannten ſeit Jahr¬ tauſenden der Kulturgeſchichte und immer mehr erfaßten. Man ſah den Sturm der Sinne, — jetzt ganze Ur-Natur, die alles Kulturelle hinter ſich ließ — mit dem die Geſchlechter aufs engſte zu einander drängten. Bis zu dem Höhepunkt der körper¬ lichen Geſchlechtsvereinigung ..... Dann ſchloß ſich der Schleier. Und wie ein ganz neues, im Bilde abſolut Zu¬ ſammenhangloſes erſchien nach Monaten der „neue Menſch“, erſt pochend, als ſei es nur ein Organ unter einer warmen Hülle im Dunkeln des Mutterleibes, — dann jäh, unter Qualen dieſer Mutter, die an Todesſchmerz gemahnten, auftauchend zum Licht, für das der ganze Körper in Auge, Atmung, Be¬ wegung ſchon vollkommen bereitet ſchien. Was Akt und Akt verknüpfte, blieb aber purpurdunkles Myſterium.
Wir jetzt ſind ja ein gut Stück darüber hinaus.
Um 1590, alſo rund hundert Jahre nach der That des Kolumbus, iſt das Mikroſkop erfunden worden. Eine Reihe
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wandelt nicht bloß außen über dir. Sie kreuzt deine eigene
Bahn, wandelt unter heiligen Schauern einmal durch dich ſelbſt.
Mit ihr rührſt du an das Geheimnis aller Geheimniſſe:
an das Problem von Leben und Tod.
Laß uns den Weg an dieſer Ecke einen Augenblick weiter
gehen .....
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Unſer Wiſſen von dem entſcheidenden Akt der Zeugung
hat ſich ja als „Wiſſen“ ſo unendlich erweitert heute. Für
den Menſchen früherer Jahrhunderte waren die realen Dinge
dabei noch dunkel, — ſo dunkel! Faſt ſo dunkel und zuſammen¬
fallend mit dieſem Dunkeln wie das Innere des weiblichen
Körpers. Man ſah die Präliminarien des Akts. In Sonne,
Mondſchein und Sternennacht das Aufkeimen erotiſcher Em¬
pfindungen zwiſchen Mann und Weib — jener Empfindungen,
die ſo bezaubernd viel Ideales ſchon mit umſpannten ſeit Jahr¬
tauſenden der Kulturgeſchichte und immer mehr erfaßten. Man
ſah den Sturm der Sinne, — jetzt ganze Ur-Natur, die alles
Kulturelle hinter ſich ließ — mit dem die Geſchlechter aufs
engſte zu einander drängten. Bis zu dem Höhepunkt der körper¬
lichen Geſchlechtsvereinigung ..... Dann ſchloß ſich der
Schleier. Und wie ein ganz neues, im Bilde abſolut Zu¬
ſammenhangloſes erſchien nach Monaten der „neue Menſch“,
erſt pochend, als ſei es nur ein Organ unter einer warmen
Hülle im Dunkeln des Mutterleibes, — dann jäh, unter Qualen
dieſer Mutter, die an Todesſchmerz gemahnten, auftauchend
zum Licht, für das der ganze Körper in Auge, Atmung, Be¬
wegung ſchon vollkommen bereitet ſchien. Was Akt und Akt
verknüpfte, blieb aber purpurdunkles Myſterium.
Wir jetzt ſind ja ein gut Stück darüber hinaus.
Um 1590, alſo rund hundert Jahre nach der That des
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/81>, abgerufen am 25.11.2024.
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