Damit es das letztere aber könne, ist nötig: daß in seiner Samentasche der männliche Samen einer Drohnengeneration, die es bei seiner Geburt vorfand, mehrere Jahre lang un¬ verändert lebendig bleibe. Die betreffende Drohnengeneration ist selbst vor drei Jahren bereits ganz umgekommen. Bleibt also der Fall: daß Samentierchen -- unveränderte, noch keinen Strich weiter entwickelte Samentierchen strikt als solche -- drei ganze Jahre ihren "Mann", das heißt ihren ursprüng¬ lichen Besitzer, überlebt haben. Wenn wir der männlichen Vaterdrohne eine faktische Lebensdauer selbst einmal von zwölf Wochen zugestehen (die Ziffer ist schon viel zu hoch, wenn die Angabe recht hat, daß das wirklich begattende Männchen schon früh an den Folgen des Aktes selber stirbt) und diese doppelte Vestalinnenzeit mit einer menschlichen Lebenszeit etwa von sechzig Jahren gleichsetzen, so kämen im Verhältnis hier immer noch Samentierchen heraus, die beim Ende des dritten Königinnen¬ jahres ihre ursprünglichen männlichen Besitzer um das Zwölf¬ fache überlebt hätten: -- wenn der Vater mit sechzig Jahren gestorben ist, so hat sein Samen als solcher noch mit fast achthundert Jahren weitergelebt, mehr als siebenhundert Jahre über den Vater hinaus -- und das nicht als "Same" im biblischen Sinne, der symbolisch die fortlaufenden Kindergene¬ rationen meint, sondern im eigentlichsten Wortsinne. Du be¬ greifst, daß wir hier abermals vor einem der größten Wunder des so unendlich wunderreichen Zeugungslebens stehen .....
Das Bienenmärchen selber geht mit diesem letzten Wunder seinem Ende zu. Unter Umständen lebt und zeugt eine solche Patriarchenkönigin noch ins fünfte Jahr hinein, womit also alle Ziffern nochmals wachsen. Dann aber (oder meistens vorher schon) kommt sie nun doch endlich zum Ziel, -- der uner¬ schöpfliche Zauberbrunnen des Lebens versagt, die Samentasche ist leer und die Kraft der Jungfernzeugung stirbt, -- da ver¬ fällt endlich auch der eigene Lebensnerv, ..... Ende.
Damit es das letztere aber könne, iſt nötig: daß in ſeiner Samentaſche der männliche Samen einer Drohnengeneration, die es bei ſeiner Geburt vorfand, mehrere Jahre lang un¬ verändert lebendig bleibe. Die betreffende Drohnengeneration iſt ſelbſt vor drei Jahren bereits ganz umgekommen. Bleibt alſo der Fall: daß Samentierchen — unveränderte, noch keinen Strich weiter entwickelte Samentierchen ſtrikt als ſolche — drei ganze Jahre ihren „Mann“, das heißt ihren urſprüng¬ lichen Beſitzer, überlebt haben. Wenn wir der männlichen Vaterdrohne eine faktiſche Lebensdauer ſelbſt einmal von zwölf Wochen zugeſtehen (die Ziffer iſt ſchon viel zu hoch, wenn die Angabe recht hat, daß das wirklich begattende Männchen ſchon früh an den Folgen des Aktes ſelber ſtirbt) und dieſe doppelte Veſtalinnenzeit mit einer menſchlichen Lebenszeit etwa von ſechzig Jahren gleichſetzen, ſo kämen im Verhältnis hier immer noch Samentierchen heraus, die beim Ende des dritten Königinnen¬ jahres ihre urſprünglichen männlichen Beſitzer um das Zwölf¬ fache überlebt hätten: — wenn der Vater mit ſechzig Jahren geſtorben iſt, ſo hat ſein Samen als ſolcher noch mit faſt achthundert Jahren weitergelebt, mehr als ſiebenhundert Jahre über den Vater hinaus — und das nicht als „Same“ im bibliſchen Sinne, der ſymboliſch die fortlaufenden Kindergene¬ rationen meint, ſondern im eigentlichſten Wortſinne. Du be¬ greifſt, daß wir hier abermals vor einem der größten Wunder des ſo unendlich wunderreichen Zeugungslebens ſtehen .....
Das Bienenmärchen ſelber geht mit dieſem letzten Wunder ſeinem Ende zu. Unter Umſtänden lebt und zeugt eine ſolche Patriarchenkönigin noch ins fünfte Jahr hinein, womit alſo alle Ziffern nochmals wachſen. Dann aber (oder meiſtens vorher ſchon) kommt ſie nun doch endlich zum Ziel, — der uner¬ ſchöpfliche Zauberbrunnen des Lebens verſagt, die Samentaſche iſt leer und die Kraft der Jungfernzeugung ſtirbt, — da ver¬ fällt endlich auch der eigene Lebensnerv, ..... Ende.
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Damit es das letztere aber könne, iſt nötig: daß in ſeiner
Samentaſche der männliche Samen einer Drohnengeneration,
die es bei ſeiner Geburt vorfand, mehrere Jahre lang un¬
verändert lebendig bleibe. Die betreffende Drohnengeneration
iſt ſelbſt vor drei Jahren bereits ganz umgekommen. Bleibt
alſo der Fall: daß Samentierchen — unveränderte, noch
keinen Strich weiter entwickelte Samentierchen ſtrikt als ſolche —
drei ganze Jahre ihren „Mann“, das heißt ihren urſprüng¬
lichen Beſitzer, überlebt haben. Wenn wir der männlichen
Vaterdrohne eine faktiſche Lebensdauer ſelbſt einmal von zwölf
Wochen zugeſtehen (die Ziffer iſt ſchon viel zu hoch, wenn die
Angabe recht hat, daß das wirklich begattende Männchen ſchon
früh an den Folgen des Aktes ſelber ſtirbt) und dieſe doppelte
Veſtalinnenzeit mit einer menſchlichen Lebenszeit etwa von ſechzig
Jahren gleichſetzen, ſo kämen im Verhältnis hier immer noch
Samentierchen heraus, die beim Ende des dritten Königinnen¬
jahres ihre urſprünglichen männlichen Beſitzer um das Zwölf¬
fache überlebt hätten: — wenn der Vater mit ſechzig Jahren
geſtorben iſt, ſo hat ſein Samen als ſolcher noch mit faſt
achthundert Jahren weitergelebt, mehr als ſiebenhundert Jahre
über den Vater hinaus — und das nicht als „Same“ im
bibliſchen Sinne, der ſymboliſch die fortlaufenden Kindergene¬
rationen meint, ſondern im eigentlichſten Wortſinne. Du be¬
greifſt, daß wir hier abermals vor einem der größten Wunder
des ſo unendlich wunderreichen Zeugungslebens ſtehen .....
Das Bienenmärchen ſelber geht mit dieſem letzten Wunder
ſeinem Ende zu. Unter Umſtänden lebt und zeugt eine ſolche
Patriarchenkönigin noch ins fünfte Jahr hinein, womit alſo alle
Ziffern nochmals wachſen. Dann aber (oder meiſtens vorher
ſchon) kommt ſie nun doch endlich zum Ziel, — der uner¬
ſchöpfliche Zauberbrunnen des Lebens verſagt, die Samentaſche
iſt leer und die Kraft der Jungfernzeugung ſtirbt, — da ver¬
fällt endlich auch der eigene Lebensnerv, ..... Ende.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/406>, abgerufen am 23.11.2024.
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