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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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War er vorher ein Unruhstifter und unverbesserlicher
Balgbruder, so kommt es jetzt mit dem bunten Frack über ihn
wie vollkommenste Welt- und Mitfischverachtung. Sein galliges
Temperament erscheint auf dem Höhepunkt und das scheinbare
Hochzeitsrot nur als die in Permanenz erklärte Puterfarbe
des individualistischen Fanatikers, dem schon der einfache An¬
blick eines zweiten Wesens die Wutadern beinahe zum Platzen
bringt.

Das freie Herumschweifen im Wasser steckt er plötzlich auf.
Er sucht sich einen festen Fleck, von dem er nicht mehr gewillt
scheint zu weichen. Wer sich naht, den verjagt er wie ein
Rasender, Mann wie Weib. Ist das Terrain aber klar, Ruhe
ringsum und die volle Freiheit zu völlig einsiedlerischen Thaten
gegeben, so beginnt er dort ein geheimnisvolles Werk.

Zunächst schleppt er allerlei Material an, wie es der
Wassergrund bietet, Wurzeln, Stücke von Wasserpflanzen, Halme
und Genist vielfältiger Art. Manchen passenden Teil reißt er
gewaltsam erst da und dort los und läßt ihn prüfend dann
noch einmal fallen, ob er wohl als zu leichtes Schwemm¬
material vom bewegten Wasser mitgenommen werde oder zu
Boden sinke und sich durch eigene Schwere selbst verankere.
Nur das schwere Blatt, den schweren Halm nimmt er als
brauchbar mit. Wie ein Star lange Strohfäden einer Fahne
gleich hinter sich herschleppt, so macht es ihm nichts aus, mit
Pflanzenstücken im Maule anzukommen, die länger sind als sein
ganzer Leib.

Am guten Ort, im Süßwasser (denn er lebt hier so gut
wie in der See) meist auf sandigem Grunde, über dem das
Wasser nicht stagniert, sondern hell und rasch fließt, wird das
gewonnene Rohmaterial angehäuft und mit unendlicher Sorg¬
falt nach und nach zu einem kunstvollen, fest vernieteten Bau
verarbeitet.

Den Grund bildet eine Höhlung im Sande, durch Kies¬
körner gestützt. Darauf erhebt sich allmählich eine rundliche

War er vorher ein Unruhſtifter und unverbeſſerlicher
Balgbruder, ſo kommt es jetzt mit dem bunten Frack über ihn
wie vollkommenſte Welt- und Mitfiſchverachtung. Sein galliges
Temperament erſcheint auf dem Höhepunkt und das ſcheinbare
Hochzeitsrot nur als die in Permanenz erklärte Puterfarbe
des individualiſtiſchen Fanatikers, dem ſchon der einfache An¬
blick eines zweiten Weſens die Wutadern beinahe zum Platzen
bringt.

Das freie Herumſchweifen im Waſſer ſteckt er plötzlich auf.
Er ſucht ſich einen feſten Fleck, von dem er nicht mehr gewillt
ſcheint zu weichen. Wer ſich naht, den verjagt er wie ein
Raſender, Mann wie Weib. Iſt das Terrain aber klar, Ruhe
ringsum und die volle Freiheit zu völlig einſiedleriſchen Thaten
gegeben, ſo beginnt er dort ein geheimnisvolles Werk.

Zunächſt ſchleppt er allerlei Material an, wie es der
Waſſergrund bietet, Wurzeln, Stücke von Waſſerpflanzen, Halme
und Geniſt vielfältiger Art. Manchen paſſenden Teil reißt er
gewaltſam erſt da und dort los und läßt ihn prüfend dann
noch einmal fallen, ob er wohl als zu leichtes Schwemm¬
material vom bewegten Waſſer mitgenommen werde oder zu
Boden ſinke und ſich durch eigene Schwere ſelbſt verankere.
Nur das ſchwere Blatt, den ſchweren Halm nimmt er als
brauchbar mit. Wie ein Star lange Strohfäden einer Fahne
gleich hinter ſich herſchleppt, ſo macht es ihm nichts aus, mit
Pflanzenſtücken im Maule anzukommen, die länger ſind als ſein
ganzer Leib.

Am guten Ort, im Süßwaſſer (denn er lebt hier ſo gut
wie in der See) meiſt auf ſandigem Grunde, über dem das
Waſſer nicht ſtagniert, ſondern hell und raſch fließt, wird das
gewonnene Rohmaterial angehäuft und mit unendlicher Sorg¬
falt nach und nach zu einem kunſtvollen, feſt vernieteten Bau
verarbeitet.

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[344/0360] War er vorher ein Unruhſtifter und unverbeſſerlicher Balgbruder, ſo kommt es jetzt mit dem bunten Frack über ihn wie vollkommenſte Welt- und Mitfiſchverachtung. Sein galliges Temperament erſcheint auf dem Höhepunkt und das ſcheinbare Hochzeitsrot nur als die in Permanenz erklärte Puterfarbe des individualiſtiſchen Fanatikers, dem ſchon der einfache An¬ blick eines zweiten Weſens die Wutadern beinahe zum Platzen bringt. Das freie Herumſchweifen im Waſſer ſteckt er plötzlich auf. Er ſucht ſich einen feſten Fleck, von dem er nicht mehr gewillt ſcheint zu weichen. Wer ſich naht, den verjagt er wie ein Raſender, Mann wie Weib. Iſt das Terrain aber klar, Ruhe ringsum und die volle Freiheit zu völlig einſiedleriſchen Thaten gegeben, ſo beginnt er dort ein geheimnisvolles Werk. Zunächſt ſchleppt er allerlei Material an, wie es der Waſſergrund bietet, Wurzeln, Stücke von Waſſerpflanzen, Halme und Geniſt vielfältiger Art. Manchen paſſenden Teil reißt er gewaltſam erſt da und dort los und läßt ihn prüfend dann noch einmal fallen, ob er wohl als zu leichtes Schwemm¬ material vom bewegten Waſſer mitgenommen werde oder zu Boden ſinke und ſich durch eigene Schwere ſelbſt verankere. Nur das ſchwere Blatt, den ſchweren Halm nimmt er als brauchbar mit. Wie ein Star lange Strohfäden einer Fahne gleich hinter ſich herſchleppt, ſo macht es ihm nichts aus, mit Pflanzenſtücken im Maule anzukommen, die länger ſind als ſein ganzer Leib. Am guten Ort, im Süßwaſſer (denn er lebt hier ſo gut wie in der See) meiſt auf ſandigem Grunde, über dem das Waſſer nicht ſtagniert, ſondern hell und raſch fließt, wird das gewonnene Rohmaterial angehäuft und mit unendlicher Sorg¬ falt nach und nach zu einem kunſtvollen, feſt vernieteten Bau verarbeitet. Den Grund bildet eine Höhlung im Sande, durch Kies¬ körner geſtützt. Darauf erhebt ſich allmählich eine rundliche

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/360>, abgerufen am 22.11.2024.