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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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schon verwirklicht hat, was du von weiberfeindlicher Zukunft
erhofftest.

Ach, unsere menschlichen Träume sind so dünn: wir bauen
die großartigsten Utopieen, einen neuen Himmel über Wolken¬
kuckucksheim, im Jahre 3000 oder noch später. Die Natur
hat das aber in Wahrheit alles längst vor uns gemacht, hat
es durchgeprobt und durchgesiebt in der Erfahrung längst ver¬
flossener Jahrtausende. Hat es aber zu leicht gefunden, um
es in die große Lichtlinie Tier-Mensch aufzunehmen. So
daß es uns heute nur noch wie eine krause Reliquie aus
irgend einem Sumpfwinkel anglotzt .....

Der Mann und dreimal der Mann ist der Held im
Lebensepos der Stichlingheit. Das Weib ist besten Falles nur
eine Episode darin. Der Mann ist der Vertreter der ganzen
Gattungsmoral, der nicht bloß als Individuum zu Selbst¬
zwecken existiert, sondern gleichsam noch Bürger einer höheren
Gemeinschaft ist, die als Gattung durch die Jahrtausende geht.
Das Weib ist daneben wirklich nichts anderes, als eine schweifende
Zigeunerin, die ohne Gewissenspflichten in den Tag lebt.
Damit es so sein kann, ist denn allerdings ein verwickelter
Roman nötig, der sich in grünen Wassertiefen spinnt.

Herr Stachelinsky hat von Natur einen knurrigen, herri¬
schen, mißgünstigen Zug im Temperament. Unermüdlich balgt
er sich mit seinesgleichen, und nur wenn ein gemeinsamer
großer Feind, ein Raubfisch etwa, der die Stacheln der
kleinen Ungeheuer nicht fürchtet oder noch nicht kennt, in der
Nähe auftaucht, fährt eine vorübergehende Solidarität in eine
ganze Bande solcher raufboldigen Stachelinskys zum Zweck ge¬
meinsamer Verteidigung.

Das "Weib" im Sinne eines liebenswerten Wesens oder
gar einer treuen Genossin in Kampf und Arbeit existiert im
gewöhnlichen Zustande für den räuberischen Stachelindividualisten
nicht. Gelegentlich, auf einem Beutezug, gerät er wohl einmal
unter die "Weiber", die sich gewohnheitsmäßig in gesonderter

ſchon verwirklicht hat, was du von weiberfeindlicher Zukunft
erhoffteſt.

Ach, unſere menſchlichen Träume ſind ſo dünn: wir bauen
die großartigſten Utopieen, einen neuen Himmel über Wolken¬
kuckucksheim, im Jahre 3000 oder noch ſpäter. Die Natur
hat das aber in Wahrheit alles längſt vor uns gemacht, hat
es durchgeprobt und durchgeſiebt in der Erfahrung längſt ver¬
floſſener Jahrtauſende. Hat es aber zu leicht gefunden, um
es in die große Lichtlinie Tier-Menſch aufzunehmen. So
daß es uns heute nur noch wie eine krauſe Reliquie aus
irgend einem Sumpfwinkel anglotzt .....

Der Mann und dreimal der Mann iſt der Held im
Lebensepos der Stichlingheit. Das Weib iſt beſten Falles nur
eine Epiſode darin. Der Mann iſt der Vertreter der ganzen
Gattungsmoral, der nicht bloß als Individuum zu Selbſt¬
zwecken exiſtiert, ſondern gleichſam noch Bürger einer höheren
Gemeinſchaft iſt, die als Gattung durch die Jahrtauſende geht.
Das Weib iſt daneben wirklich nichts anderes, als eine ſchweifende
Zigeunerin, die ohne Gewiſſenspflichten in den Tag lebt.
Damit es ſo ſein kann, iſt denn allerdings ein verwickelter
Roman nötig, der ſich in grünen Waſſertiefen ſpinnt.

Herr Stachelinsky hat von Natur einen knurrigen, herri¬
ſchen, mißgünſtigen Zug im Temperament. Unermüdlich balgt
er ſich mit ſeinesgleichen, und nur wenn ein gemeinſamer
großer Feind, ein Raubfiſch etwa, der die Stacheln der
kleinen Ungeheuer nicht fürchtet oder noch nicht kennt, in der
Nähe auftaucht, fährt eine vorübergehende Solidarität in eine
ganze Bande ſolcher raufboldigen Stachelinskys zum Zweck ge¬
meinſamer Verteidigung.

Das „Weib“ im Sinne eines liebenswerten Weſens oder
gar einer treuen Genoſſin in Kampf und Arbeit exiſtiert im
gewöhnlichen Zuſtande für den räuberiſchen Stachelindividualiſten
nicht. Gelegentlich, auf einem Beutezug, gerät er wohl einmal
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[342/0358] ſchon verwirklicht hat, was du von weiberfeindlicher Zukunft erhoffteſt. Ach, unſere menſchlichen Träume ſind ſo dünn: wir bauen die großartigſten Utopieen, einen neuen Himmel über Wolken¬ kuckucksheim, im Jahre 3000 oder noch ſpäter. Die Natur hat das aber in Wahrheit alles längſt vor uns gemacht, hat es durchgeprobt und durchgeſiebt in der Erfahrung längſt ver¬ floſſener Jahrtauſende. Hat es aber zu leicht gefunden, um es in die große Lichtlinie Tier-Menſch aufzunehmen. So daß es uns heute nur noch wie eine krauſe Reliquie aus irgend einem Sumpfwinkel anglotzt ..... Der Mann und dreimal der Mann iſt der Held im Lebensepos der Stichlingheit. Das Weib iſt beſten Falles nur eine Epiſode darin. Der Mann iſt der Vertreter der ganzen Gattungsmoral, der nicht bloß als Individuum zu Selbſt¬ zwecken exiſtiert, ſondern gleichſam noch Bürger einer höheren Gemeinſchaft iſt, die als Gattung durch die Jahrtauſende geht. Das Weib iſt daneben wirklich nichts anderes, als eine ſchweifende Zigeunerin, die ohne Gewiſſenspflichten in den Tag lebt. Damit es ſo ſein kann, iſt denn allerdings ein verwickelter Roman nötig, der ſich in grünen Waſſertiefen ſpinnt. Herr Stachelinsky hat von Natur einen knurrigen, herri¬ ſchen, mißgünſtigen Zug im Temperament. Unermüdlich balgt er ſich mit ſeinesgleichen, und nur wenn ein gemeinſamer großer Feind, ein Raubfiſch etwa, der die Stacheln der kleinen Ungeheuer nicht fürchtet oder noch nicht kennt, in der Nähe auftaucht, fährt eine vorübergehende Solidarität in eine ganze Bande ſolcher raufboldigen Stachelinskys zum Zweck ge¬ meinſamer Verteidigung. Das „Weib“ im Sinne eines liebenswerten Weſens oder gar einer treuen Genoſſin in Kampf und Arbeit exiſtiert im gewöhnlichen Zuſtande für den räuberiſchen Stachelindividualiſten nicht. Gelegentlich, auf einem Beutezug, gerät er wohl einmal unter die „Weiber“, die ſich gewohnheitsmäßig in geſonderter

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/358>, abgerufen am 23.11.2024.