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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Doch ich wollte dich eigentlich noch immer ein Stück
weiter bei der Ammenzeugung und mehr oder minder verwandten
Dingen halten, damit du dieses interessante Prinzip bis in alle
seine philosophischen Tiefen auskosten möchtest.

Also: wir waren mit dem Liebesroman der Rhabditis¬
mutter glücklich bis zu der Ecke vorgedrungen, wo die Fort¬
pflanzung nicht bloß den Opfertod des mütterlichen Individuums
als Notwendigkeit umschließt, sondern wo das Junge die Mutter
einfach aufzehrt wie ein Hühnchen im Ei allmählich den gelben
Nahrungsdotter in sich schluckt. Die inneren Organe der Mutter
erschienen wie eine Art wohl ausgesparter erster Wegzehrung
und die Haut der Mutter diente eine Weile zugleich noch als
oberste Schutzhaut des Jungen, als eine Art Organ, das von
der Mutter auf dieses überging.

Es läge nahe, sich mit noch etwas Steigerung nach dieser
Richtung auszudenken, daß das Junge in diese Mutterhaut
schließlich dauernd als in eine eigene hineinwüchse oder sonst
das eine oder andere Organ der Mutter gleich mit übernähme.
Das heißt: das läge nahe, wenn man sich das Tollste aus¬
malen will, was wohl in diesen Sachen noch denkbar ist.

Doch ich wollte dich eigentlich noch immer ein Stück
weiter bei der Ammenzeugung und mehr oder minder verwandten
Dingen halten, damit du dieſes intereſſante Prinzip bis in alle
ſeine philoſophiſchen Tiefen auskoſten möchteſt.

Alſo: wir waren mit dem Liebesroman der Rhabditis¬
mutter glücklich bis zu der Ecke vorgedrungen, wo die Fort¬
pflanzung nicht bloß den Opfertod des mütterlichen Individuums
als Notwendigkeit umſchließt, ſondern wo das Junge die Mutter
einfach aufzehrt wie ein Hühnchen im Ei allmählich den gelben
Nahrungsdotter in ſich ſchluckt. Die inneren Organe der Mutter
erſchienen wie eine Art wohl ausgeſparter erſter Wegzehrung
und die Haut der Mutter diente eine Weile zugleich noch als
oberſte Schutzhaut des Jungen, als eine Art Organ, das von
der Mutter auf dieſes überging.

Es läge nahe, ſich mit noch etwas Steigerung nach dieſer
Richtung auszudenken, daß das Junge in dieſe Mutterhaut
ſchließlich dauernd als in eine eigene hineinwüchſe oder ſonſt
das eine oder andere Organ der Mutter gleich mit übernähme.
Das heißt: das läge nahe, wenn man ſich das Tollſte aus¬
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[266/0282] Doch ich wollte dich eigentlich noch immer ein Stück weiter bei der Ammenzeugung und mehr oder minder verwandten Dingen halten, damit du dieſes intereſſante Prinzip bis in alle ſeine philoſophiſchen Tiefen auskoſten möchteſt. Alſo: wir waren mit dem Liebesroman der Rhabditis¬ mutter glücklich bis zu der Ecke vorgedrungen, wo die Fort¬ pflanzung nicht bloß den Opfertod des mütterlichen Individuums als Notwendigkeit umſchließt, ſondern wo das Junge die Mutter einfach aufzehrt wie ein Hühnchen im Ei allmählich den gelben Nahrungsdotter in ſich ſchluckt. Die inneren Organe der Mutter erſchienen wie eine Art wohl ausgeſparter erſter Wegzehrung und die Haut der Mutter diente eine Weile zugleich noch als oberſte Schutzhaut des Jungen, als eine Art Organ, das von der Mutter auf dieſes überging. Es läge nahe, ſich mit noch etwas Steigerung nach dieſer Richtung auszudenken, daß das Junge in dieſe Mutterhaut ſchließlich dauernd als in eine eigene hineinwüchſe oder ſonſt das eine oder andere Organ der Mutter gleich mit übernähme. Das heißt: das läge nahe, wenn man ſich das Tollſte aus¬ malen will, was wohl in dieſen Sachen noch denkbar iſt.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/282>, abgerufen am 13.05.2024.