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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Gürte deine Lenden, -- wir steigen jetzt auf dieser tieri¬
schen Leiter jenseits der Gasträa mit hinan.

Die ältesten Urformen versinken wieder im Nebel unter uns.

Neben uns aber verdämmert auch die unermeßliche Pa¬
rallelleiter der Pflanzenwelt.

Eine tiefe Kluft scheidet die höhere Pflanze vom höheren
Tier jenseits von Volvox und Gasträa. Die Pflanze nimmt
aus der Luft die Kohlensäure und läßt den Sauerstoff, also
gerade das Kraftelement des tierischen Stoffwechsels frei. Sie
wurzelt im Erdreich und verarbeitet unmittelbar Mineralstoffe
in sich, wie es dem Tiere niemals gegeben ist. Die Zelle des
Tieres bedarf zum ewigen Neubau und Wachstum des schon
organisch vorgearbeiteten Stoffs, sei es tierische Substanz selber,
sei es Pflanze, -- die direkte Mineralverarbeitung ist ihr nicht
mehr verliehen. Tief getrennt von der Pflanze im Stamm¬
baum, erscheint das Tier so zugleich angewiesen auf die Pflanze
in den Bedingungen seiner Existenz. Aber es erscheint damit
nicht als das niedere, sondern als das im Ganzen höhere Glied.
Es erscheint als das Leben, das nicht mehr den tiefen Erd¬
grund und seine dunkelsten Lebensgeister, sondern schon ver¬
arbeitetes helles Leben selber braucht. Aus dem Tiere in
seiner höchsten Entfaltung erwächst dann der Mensch, der das
Tier geistig als ein abermals absolut Höheres umfaßt, wie
das Tier die Pflanze, die Pflanze den Erdengrund.

Auch in der Liebe folgen wir mit dem Tier allerorten
unverkennbar dem höheren Prinzip. Wir gehen ja auf den
Menschen los, mit dessen Liebe sich jene höchsten Stockwerke:
Menschenliebe, Allliebe, Liebeszeugung durch die Kunst, über¬
haupt erst klar aufthun.

Es thut aber not, daß wir, einmal für diese einseitige
Bahn entschieden, hier jetzt ganz, ganz langsam aufwärts gehen.

Mit dem biogenetischen Grundgesetze habe ich dir gezeigt,
wie der Mensch noch heute, wie du selber und deine Liebste
durch dich und neben dir zusammenhängt unmittelbar mit dem

Gürte deine Lenden, — wir ſteigen jetzt auf dieſer tieri¬
ſchen Leiter jenſeits der Gaſträa mit hinan.

Die älteſten Urformen verſinken wieder im Nebel unter uns.

Neben uns aber verdämmert auch die unermeßliche Pa¬
rallelleiter der Pflanzenwelt.

Eine tiefe Kluft ſcheidet die höhere Pflanze vom höheren
Tier jenſeits von Volvox und Gaſträa. Die Pflanze nimmt
aus der Luft die Kohlenſäure und läßt den Sauerſtoff, alſo
gerade das Kraftelement des tieriſchen Stoffwechſels frei. Sie
wurzelt im Erdreich und verarbeitet unmittelbar Mineralſtoffe
in ſich, wie es dem Tiere niemals gegeben iſt. Die Zelle des
Tieres bedarf zum ewigen Neubau und Wachstum des ſchon
organiſch vorgearbeiteten Stoffs, ſei es tieriſche Subſtanz ſelber,
ſei es Pflanze, — die direkte Mineralverarbeitung iſt ihr nicht
mehr verliehen. Tief getrennt von der Pflanze im Stamm¬
baum, erſcheint das Tier ſo zugleich angewieſen auf die Pflanze
in den Bedingungen ſeiner Exiſtenz. Aber es erſcheint damit
nicht als das niedere, ſondern als das im Ganzen höhere Glied.
Es erſcheint als das Leben, das nicht mehr den tiefen Erd¬
grund und ſeine dunkelſten Lebensgeiſter, ſondern ſchon ver¬
arbeitetes helles Leben ſelber braucht. Aus dem Tiere in
ſeiner höchſten Entfaltung erwächſt dann der Menſch, der das
Tier geiſtig als ein abermals abſolut Höheres umfaßt, wie
das Tier die Pflanze, die Pflanze den Erdengrund.

Auch in der Liebe folgen wir mit dem Tier allerorten
unverkennbar dem höheren Prinzip. Wir gehen ja auf den
Menſchen los, mit deſſen Liebe ſich jene höchſten Stockwerke:
Menſchenliebe, Allliebe, Liebeszeugung durch die Kunſt, über¬
haupt erſt klar aufthun.

Es thut aber not, daß wir, einmal für dieſe einſeitige
Bahn entſchieden, hier jetzt ganz, ganz langſam aufwärts gehen.

Mit dem biogenetiſchen Grundgeſetze habe ich dir gezeigt,
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[200/0216] Gürte deine Lenden, — wir ſteigen jetzt auf dieſer tieri¬ ſchen Leiter jenſeits der Gaſträa mit hinan. Die älteſten Urformen verſinken wieder im Nebel unter uns. Neben uns aber verdämmert auch die unermeßliche Pa¬ rallelleiter der Pflanzenwelt. Eine tiefe Kluft ſcheidet die höhere Pflanze vom höheren Tier jenſeits von Volvox und Gaſträa. Die Pflanze nimmt aus der Luft die Kohlenſäure und läßt den Sauerſtoff, alſo gerade das Kraftelement des tieriſchen Stoffwechſels frei. Sie wurzelt im Erdreich und verarbeitet unmittelbar Mineralſtoffe in ſich, wie es dem Tiere niemals gegeben iſt. Die Zelle des Tieres bedarf zum ewigen Neubau und Wachstum des ſchon organiſch vorgearbeiteten Stoffs, ſei es tieriſche Subſtanz ſelber, ſei es Pflanze, — die direkte Mineralverarbeitung iſt ihr nicht mehr verliehen. Tief getrennt von der Pflanze im Stamm¬ baum, erſcheint das Tier ſo zugleich angewieſen auf die Pflanze in den Bedingungen ſeiner Exiſtenz. Aber es erſcheint damit nicht als das niedere, ſondern als das im Ganzen höhere Glied. Es erſcheint als das Leben, das nicht mehr den tiefen Erd¬ grund und ſeine dunkelſten Lebensgeiſter, ſondern ſchon ver¬ arbeitetes helles Leben ſelber braucht. Aus dem Tiere in ſeiner höchſten Entfaltung erwächſt dann der Menſch, der das Tier geiſtig als ein abermals abſolut Höheres umfaßt, wie das Tier die Pflanze, die Pflanze den Erdengrund. Auch in der Liebe folgen wir mit dem Tier allerorten unverkennbar dem höheren Prinzip. Wir gehen ja auf den Menſchen los, mit deſſen Liebe ſich jene höchſten Stockwerke: Menſchenliebe, Allliebe, Liebeszeugung durch die Kunſt, über¬ haupt erſt klar aufthun. Es thut aber not, daß wir, einmal für dieſe einſeitige Bahn entſchieden, hier jetzt ganz, ganz langſam aufwärts gehen. Mit dem biogenetiſchen Grundgeſetze habe ich dir gezeigt, wie der Menſch noch heute, wie du ſelber und deine Liebſte durch dich und neben dir zuſammenhängt unmittelbar mit dem

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/216>, abgerufen am 22.11.2024.