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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Altertum fremd, Bezeichnungen dieser Art kommen bei Antiken nur
ganz vereinzelt vor.

Auch das Mittelalter kannte ihn anfangs nicht, was um deswillen
begreiflich ist, weil nach der christlichen Auffassung alles Bestehende
als Werk Gottes erschien. Erst mit dem Erwachen des humanistischen
Geistes im 14. Jahrhundert wagte es der Meister mit dem Anspruche
an die Schätzung seiner Person und seiner Arbeit hervorzutreten.
In den Passauer Werkstätten hat sich die mittelalterliche Tradition
am längsten erhalten, weshalb nur wenige Namen von den ihr ange-
hörigen Meistern bekannt geworden sind. Waren bis dahin die Ar-
beiten, vorzugsweise die Klingen nur mit dem Stempel der grossen
Genossenschaften versehen, so gesellt sich diesem nun der Name oder
die Marke des Meisters hinzu. Das Studium dieser Marken ist für
die Waffenkunde und speziell für die richtige Schätzung des Wertes
der Waffe von grosser Wichtigkeit, denn überall, wo wir die Beschaf-
fenheit einer Waffe nicht praktisch erproben können, bietet die
Kenntnis des Meisters den Massstab für die Schätzung ihres Wertes,
das gilt auch für das rein Künstlerische und Dekorative.

Es ist leicht begreiflich, dass berühmte Marken, wie der "Wolf",
der "Bischofstab", der "Mohrenkopf", der "Bischofskopf", einige spa-
nische Marken, so der "Espadero del Rey", "Sahagun", "Toledo",
"Ayala" u. a., nicht minder einige von Italienern, wie Piccinino, Caino,
den Ferarra, endlich den Cominazzi herrührende mehr oder weniger
häufig gefälscht worden sind. Derartige Nachahmungen zu erkennen,
ist nicht immer leicht und lernt sich erst durch langjährige Er-
fahrung.

Der Begriff der Fälschung ist übrigens, beim Lichte betrachtet,
soweit es sich um Klingen handelt, ausserordentlich dehnbar, und
von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu beurteilen. Bis ins hohe
Mittelalter hinauf diente die Marke als eine Art Reklame, sie erweist
sich deutlich als eine Spekulation auf den guten Glauben des Käufers.
So führten z. B. die sarazenischen Waffenschmiede Siziliens im 9.
Jahrhundert das verhasste Kreuz auf ihren Klingen mit Rücksicht
auf ihre nahezu ausnahmslos christliche Kundschaft in Europa. Diese
zu hohem Ansehen gelangte Marke wurde dann von den italienischen
Werkstätten in ganz gleicher Form bis ins 14. Jahrhundert angewendet.
Sie sahen sich dazu gezwungen, weil jeder Käufer dieses Zeichen
verlangte, und anders bezeichnete Klingen nicht an den Mann zu
bringen waren. Ein ganz ähnlicher Fall spielte sich im Norden ab.
Der Passauer Wolf war zu solchem Ruhme gelangt, dass die anderen
Werkstätten im eigenen Geschäftsinteresse sich genötigt sahen, den
Wolf auf ihre Klingen zu setzen, nur um nicht zu Grunde zu gehen.
Thatsache ist, dass durch jede zur Berühmtheit gelangte Marke der
Vertrieb von Waren mit anderen Marken erschwert wurde, eine miss-
liche Lage, der sich die Händler dadurch zu erwehren suchten, dass

VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Altertum fremd, Bezeichnungen dieser Art kommen bei Antiken nur
ganz vereinzelt vor.

Auch das Mittelalter kannte ihn anfangs nicht, was um deswillen
begreiflich ist, weil nach der christlichen Auffassung alles Bestehende
als Werk Gottes erschien. Erst mit dem Erwachen des humanistischen
Geistes im 14. Jahrhundert wagte es der Meister mit dem Anspruche
an die Schätzung seiner Person und seiner Arbeit hervorzutreten.
In den Passauer Werkstätten hat sich die mittelalterliche Tradition
am längsten erhalten, weshalb nur wenige Namen von den ihr ange-
hörigen Meistern bekannt geworden sind. Waren bis dahin die Ar-
beiten, vorzugsweise die Klingen nur mit dem Stempel der groſsen
Genossenschaften versehen, so gesellt sich diesem nun der Name oder
die Marke des Meisters hinzu. Das Studium dieser Marken ist für
die Waffenkunde und speziell für die richtige Schätzung des Wertes
der Waffe von groſser Wichtigkeit, denn überall, wo wir die Beschaf-
fenheit einer Waffe nicht praktisch erproben können, bietet die
Kenntnis des Meisters den Maſsstab für die Schätzung ihres Wertes,
das gilt auch für das rein Künstlerische und Dekorative.

Es ist leicht begreiflich, daſs berühmte Marken, wie der „Wolf“,
der „Bischofstab“, der „Mohrenkopf“, der „Bischofskopf“, einige spa-
nische Marken, so der „Espadero del Rey“, „Sahagun“, „Toledo“,
„Ayala“ u. a., nicht minder einige von Italienern, wie Piccinino, Caino,
den Ferarra, endlich den Cominazzi herrührende mehr oder weniger
häufig gefälscht worden sind. Derartige Nachahmungen zu erkennen,
ist nicht immer leicht und lernt sich erst durch langjährige Er-
fahrung.

Der Begriff der Fälschung ist übrigens, beim Lichte betrachtet,
soweit es sich um Klingen handelt, auſserordentlich dehnbar, und
von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu beurteilen. Bis ins hohe
Mittelalter hinauf diente die Marke als eine Art Reklame, sie erweist
sich deutlich als eine Spekulation auf den guten Glauben des Käufers.
So führten z. B. die sarazenischen Waffenschmiede Siziliens im 9.
Jahrhundert das verhaſste Kreuz auf ihren Klingen mit Rücksicht
auf ihre nahezu ausnahmslos christliche Kundschaft in Europa. Diese
zu hohem Ansehen gelangte Marke wurde dann von den italienischen
Werkstätten in ganz gleicher Form bis ins 14. Jahrhundert angewendet.
Sie sahen sich dazu gezwungen, weil jeder Käufer dieses Zeichen
verlangte, und anders bezeichnete Klingen nicht an den Mann zu
bringen waren. Ein ganz ähnlicher Fall spielte sich im Norden ab.
Der Passauer Wolf war zu solchem Ruhme gelangt, daſs die anderen
Werkstätten im eigenen Geschäftsinteresse sich genötigt sahen, den
Wolf auf ihre Klingen zu setzen, nur um nicht zu Grunde zu gehen.
Thatsache ist, daſs durch jede zur Berühmtheit gelangte Marke der
Vertrieb von Waren mit anderen Marken erschwert wurde, eine miſs-
liche Lage, der sich die Händler dadurch zu erwehren suchten, daſs

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[642/0660] VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc. Altertum fremd, Bezeichnungen dieser Art kommen bei Antiken nur ganz vereinzelt vor. Auch das Mittelalter kannte ihn anfangs nicht, was um deswillen begreiflich ist, weil nach der christlichen Auffassung alles Bestehende als Werk Gottes erschien. Erst mit dem Erwachen des humanistischen Geistes im 14. Jahrhundert wagte es der Meister mit dem Anspruche an die Schätzung seiner Person und seiner Arbeit hervorzutreten. In den Passauer Werkstätten hat sich die mittelalterliche Tradition am längsten erhalten, weshalb nur wenige Namen von den ihr ange- hörigen Meistern bekannt geworden sind. Waren bis dahin die Ar- beiten, vorzugsweise die Klingen nur mit dem Stempel der groſsen Genossenschaften versehen, so gesellt sich diesem nun der Name oder die Marke des Meisters hinzu. Das Studium dieser Marken ist für die Waffenkunde und speziell für die richtige Schätzung des Wertes der Waffe von groſser Wichtigkeit, denn überall, wo wir die Beschaf- fenheit einer Waffe nicht praktisch erproben können, bietet die Kenntnis des Meisters den Maſsstab für die Schätzung ihres Wertes, das gilt auch für das rein Künstlerische und Dekorative. Es ist leicht begreiflich, daſs berühmte Marken, wie der „Wolf“, der „Bischofstab“, der „Mohrenkopf“, der „Bischofskopf“, einige spa- nische Marken, so der „Espadero del Rey“, „Sahagun“, „Toledo“, „Ayala“ u. a., nicht minder einige von Italienern, wie Piccinino, Caino, den Ferarra, endlich den Cominazzi herrührende mehr oder weniger häufig gefälscht worden sind. Derartige Nachahmungen zu erkennen, ist nicht immer leicht und lernt sich erst durch langjährige Er- fahrung. Der Begriff der Fälschung ist übrigens, beim Lichte betrachtet, soweit es sich um Klingen handelt, auſserordentlich dehnbar, und von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu beurteilen. Bis ins hohe Mittelalter hinauf diente die Marke als eine Art Reklame, sie erweist sich deutlich als eine Spekulation auf den guten Glauben des Käufers. So führten z. B. die sarazenischen Waffenschmiede Siziliens im 9. Jahrhundert das verhaſste Kreuz auf ihren Klingen mit Rücksicht auf ihre nahezu ausnahmslos christliche Kundschaft in Europa. Diese zu hohem Ansehen gelangte Marke wurde dann von den italienischen Werkstätten in ganz gleicher Form bis ins 14. Jahrhundert angewendet. Sie sahen sich dazu gezwungen, weil jeder Käufer dieses Zeichen verlangte, und anders bezeichnete Klingen nicht an den Mann zu bringen waren. Ein ganz ähnlicher Fall spielte sich im Norden ab. Der Passauer Wolf war zu solchem Ruhme gelangt, daſs die anderen Werkstätten im eigenen Geschäftsinteresse sich genötigt sahen, den Wolf auf ihre Klingen zu setzen, nur um nicht zu Grunde zu gehen. Thatsache ist, daſs durch jede zur Berühmtheit gelangte Marke der Vertrieb von Waren mit anderen Marken erschwert wurde, eine miſs- liche Lage, der sich die Händler dadurch zu erwehren suchten, daſs

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/660>, abgerufen am 23.11.2024.