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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.

Fragen wir nach den Meistern, welche dem Waffenwesen sein
künstlerisches Gepräge aufgedrückt und die deutsche Waffenschmiede-
kunst zu ungemeiner Bedeutung erhoben haben, dann stossen wir
nicht allein auf Maler, sondern auch auf Bildhauer, Goldschmiede und
selbst auf einfache Ätzkünstler. Neben den Nürnbergern und den
beiden Burgkmair ist hier noch Hans Holbein d. j., der, wenn
auch von der Heimat fern, doch ersichtlich grossen Einfluss auf
die dekorative Kunst im Waffenwesen Augsburgs gehabt hat. Wie
Augsburg später in den Wettbewerb getreten ist, so fand es auch
bereits eine andere Art des Kunstbetriebes vor. Es lernte die Ent-
würfe von Künstlern grossen Stils allgemach entbehren und fand seine
Ornamentisten in einer Unzahl von Goldschmieden, Emailisten und
Ätzmalern, die, wie Jörg Sorg, Marquart, Christof Lenker,
Schanternell, Attemstätter
, die Ätzmaler Roth und viele andere,
Vorzügliches leisteten. Daneben boten der Industrie die zahlreichen
Ornamentstiche aus dem Weigelschen Verlage und jene aus den
Niederlanden des Hieronymus Cock treffliche Muster. Wir nennen
hier unter anderen Theodor de Bry, Michel le Blon, Cornelis
Floris
und Johann Vredeman Vries. Selbst die Benutzung italie-
nischer Vorlagen ist bei Desiderius Kolman nachzuweisen.

Von nicht geringer Bedeutung war der Einfluss einiger Höfe in
Deutschland auf die Entwickelung des Waffenschmiedewesens. In
Bayern errichtete Herzog Albrecht IV. 1492 zu München die Stuck-
giesserei am Glockenbache, um deren Förderung sich die Familie
Ernst wesentliche Verdienste erwarb. Die Plattnerei war in Lands-
hut
heimisch, ihr hervorragendster Meister war Franz Grosschedel.
In Sachsen wirkte von 1460 an die berühmte Stuckgiesserfamilie
Hilger in Dresden, ebendort waren die Plattner Hans und Sig-
mund Rosenberger
berühmt in ihrem Fache, und in Annaberg
stand die Familie der von Speyer in verdientem Ansehen.*)

Diese von den Kunstzentren Deutschlands entfernten Meister
lassen auf dem dekorativen Gebiete den Einfluss einer bestimmten
Schule nicht erkennen. Sie nehmen ihre Vorbilder überall her, selbst
von Franzosen wie Jacques Ducerceau.

Übrigens tauchen Ornamentisten nach und nach in den
kleinsten Städten auf, wo Kunstarbeiten gefertigt wurden. Besonders
zahlreich scheinen sie in München gewesen zu sein, wie u. a. aus
den von Hefner-Alteneck publizierten Handzeichnungen aus dem kgl.
Kupferstichkabinett zu München zu entnehmen ist. Als ein Hauptmeister
der Ornamentik erscheint dabei Hans Mielich, der Entwürfe zu
Harnischen für Franz I. und Heinrich II. von Frankreich lieferte, ferner
Christof Schwarz aus Ingolstadt, der für einen Harnisch Rudolfs II.

*) Gurlitt, Corn., Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner im 16. Jahr-
hundert. Dresden, 1889.
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.

Fragen wir nach den Meistern, welche dem Waffenwesen sein
künstlerisches Gepräge aufgedrückt und die deutsche Waffenschmiede-
kunst zu ungemeiner Bedeutung erhoben haben, dann stoſsen wir
nicht allein auf Maler, sondern auch auf Bildhauer, Goldschmiede und
selbst auf einfache Ätzkünstler. Neben den Nürnbergern und den
beiden Burgkmair ist hier noch Hans Holbein d. j., der, wenn
auch von der Heimat fern, doch ersichtlich groſsen Einfluſs auf
die dekorative Kunst im Waffenwesen Augsburgs gehabt hat. Wie
Augsburg später in den Wettbewerb getreten ist, so fand es auch
bereits eine andere Art des Kunstbetriebes vor. Es lernte die Ent-
würfe von Künstlern groſsen Stils allgemach entbehren und fand seine
Ornamentisten in einer Unzahl von Goldschmieden, Emailisten und
Ätzmalern, die, wie Jörg Sorg, Marquart, Christof Lenker,
Schanternell, Attemstätter
, die Ätzmaler Roth und viele andere,
Vorzügliches leisteten. Daneben boten der Industrie die zahlreichen
Ornamentstiche aus dem Weigelschen Verlage und jene aus den
Niederlanden des Hieronymus Cock treffliche Muster. Wir nennen
hier unter anderen Theodor de Bry, Michel le Blon, Cornelis
Floris
und Johann Vredeman Vries. Selbst die Benutzung italie-
nischer Vorlagen ist bei Desiderius Kolman nachzuweisen.

Von nicht geringer Bedeutung war der Einfluſs einiger Höfe in
Deutschland auf die Entwickelung des Waffenschmiedewesens. In
Bayern errichtete Herzog Albrecht IV. 1492 zu München die Stuck-
gieſserei am Glockenbache, um deren Förderung sich die Familie
Ernst wesentliche Verdienste erwarb. Die Plattnerei war in Lands-
hut
heimisch, ihr hervorragendster Meister war Franz Grosschedel.
In Sachsen wirkte von 1460 an die berühmte Stuckgieſserfamilie
Hilger in Dresden, ebendort waren die Plattner Hans und Sig-
mund Rosenberger
berühmt in ihrem Fache, und in Annaberg
stand die Familie der von Speyer in verdientem Ansehen.*)

Diese von den Kunstzentren Deutschlands entfernten Meister
lassen auf dem dekorativen Gebiete den Einfluſs einer bestimmten
Schule nicht erkennen. Sie nehmen ihre Vorbilder überall her, selbst
von Franzosen wie Jacques Ducerceau.

Übrigens tauchen Ornamentisten nach und nach in den
kleinsten Städten auf, wo Kunstarbeiten gefertigt wurden. Besonders
zahlreich scheinen sie in München gewesen zu sein, wie u. a. aus
den von Hefner-Alteneck publizierten Handzeichnungen aus dem kgl.
Kupferstichkabinett zu München zu entnehmen ist. Als ein Hauptmeister
der Ornamentik erscheint dabei Hans Mielich, der Entwürfe zu
Harnischen für Franz I. und Heinrich II. von Frankreich lieferte, ferner
Christof Schwarz aus Ingolstadt, der für einen Harnisch Rudolfs II.

*) Gurlitt, Corn., Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner im 16. Jahr-
hundert. Dresden, 1889.
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[614/0632] V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. Fragen wir nach den Meistern, welche dem Waffenwesen sein künstlerisches Gepräge aufgedrückt und die deutsche Waffenschmiede- kunst zu ungemeiner Bedeutung erhoben haben, dann stoſsen wir nicht allein auf Maler, sondern auch auf Bildhauer, Goldschmiede und selbst auf einfache Ätzkünstler. Neben den Nürnbergern und den beiden Burgkmair ist hier noch Hans Holbein d. j., der, wenn auch von der Heimat fern, doch ersichtlich groſsen Einfluſs auf die dekorative Kunst im Waffenwesen Augsburgs gehabt hat. Wie Augsburg später in den Wettbewerb getreten ist, so fand es auch bereits eine andere Art des Kunstbetriebes vor. Es lernte die Ent- würfe von Künstlern groſsen Stils allgemach entbehren und fand seine Ornamentisten in einer Unzahl von Goldschmieden, Emailisten und Ätzmalern, die, wie Jörg Sorg, Marquart, Christof Lenker, Schanternell, Attemstätter, die Ätzmaler Roth und viele andere, Vorzügliches leisteten. Daneben boten der Industrie die zahlreichen Ornamentstiche aus dem Weigelschen Verlage und jene aus den Niederlanden des Hieronymus Cock treffliche Muster. Wir nennen hier unter anderen Theodor de Bry, Michel le Blon, Cornelis Floris und Johann Vredeman Vries. Selbst die Benutzung italie- nischer Vorlagen ist bei Desiderius Kolman nachzuweisen. Von nicht geringer Bedeutung war der Einfluſs einiger Höfe in Deutschland auf die Entwickelung des Waffenschmiedewesens. In Bayern errichtete Herzog Albrecht IV. 1492 zu München die Stuck- gieſserei am Glockenbache, um deren Förderung sich die Familie Ernst wesentliche Verdienste erwarb. Die Plattnerei war in Lands- hut heimisch, ihr hervorragendster Meister war Franz Grosschedel. In Sachsen wirkte von 1460 an die berühmte Stuckgieſserfamilie Hilger in Dresden, ebendort waren die Plattner Hans und Sig- mund Rosenberger berühmt in ihrem Fache, und in Annaberg stand die Familie der von Speyer in verdientem Ansehen. *) Diese von den Kunstzentren Deutschlands entfernten Meister lassen auf dem dekorativen Gebiete den Einfluſs einer bestimmten Schule nicht erkennen. Sie nehmen ihre Vorbilder überall her, selbst von Franzosen wie Jacques Ducerceau. Übrigens tauchen Ornamentisten nach und nach in den kleinsten Städten auf, wo Kunstarbeiten gefertigt wurden. Besonders zahlreich scheinen sie in München gewesen zu sein, wie u. a. aus den von Hefner-Alteneck publizierten Handzeichnungen aus dem kgl. Kupferstichkabinett zu München zu entnehmen ist. Als ein Hauptmeister der Ornamentik erscheint dabei Hans Mielich, der Entwürfe zu Harnischen für Franz I. und Heinrich II. von Frankreich lieferte, ferner Christof Schwarz aus Ingolstadt, der für einen Harnisch Rudolfs II. *) Gurlitt, Corn., Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner im 16. Jahr- hundert. Dresden, 1889.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/632>, abgerufen am 27.05.2024.