Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
liebtheit gelangten; nicht minder gab die Prachtliebe der beiden bur-
gundischen Herzoge Philipp und Karl Gelegenheit zu einer künst-
lerischen Ausstattung der Waffen. Die am Beginne des 15. Jahr-
hunderts zunehmende Bedeutung der niederländischen Waffenschmiede
kennzeichnet sich dadurch, dass wir von da an Namen von bedeu-
tenderen Meistern in den Urkunden antreffen, so um 1407 Lodequin
Hughes
in Brüssel, um 1423 Jehan Wisseron in Brüssel, um
1438 den Hofplattner Massin de Fromont. Um 1462 wirkt der
berühmte Waffenschmied Ambroise Ruphin; um 1468 aber der
Hofplattner Karls des Kühnen, Lancelot de Gindertale, der in
seiner Leistungsfähigkeit mit dem gleichzeitigen Tomaso Missaglia in
Mailand zu vergleichen ist. Um diese Zeit hatten sich auch die
Zünfte der Armrustmacher mächtig gehoben, die sich später vorzugs-
weise überseeischer Holzarten für die Säulen bedienten. Berühmt
war um 1469 Luc de Muldre.*)

Unter Philipp dem Guten wurde die Geschützgiesserei zu Mecheln
gegründet. Karl V. erneuerte sie 1520, wobei sich der kaiserliche
Büchsenmeister Hans Poppenrieder grosse Verdienste erwarb. Der
letzte bedeutende Giesser in Mecheln war P. F. Dietrich um 1760.

Mit dem Ende Karls des Kühnen, 1477, schien das Waffen-
schmiedhandwerk in Brüssel, Valenciennes, Mecheln etc. einen Rück-
schritt zu machen. Der einzige Plattner von Bedeutung um 1480
war Francis Scroo. Auch die quantitative Leistungsfähigkeit war
in Abnahme. 1495 berief König Maximilian I. die Mailänder Waffen-
schmiede Gabriel und Francesco Merate nach den Niederlanden und
etablierte sie in Arbois.

Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts herrschte in der Erzeugung
der Waffen in diesen Gebieten eine ungemeine Thätigkeit, ihre Be-
deutung ist aber nur nach der technischen Seite hin zu würdigen. Man
kann zwar in der 2. Hälfte des Jahrhunderts ganz gut von einer
Schule des Waffenhandwerks in den Niederlanden sprechen, aber
die künstlerische Fähigkeit, die sie aufwies, blieb weit zurück hinter
jener, die zur Zeit Philipps des Guten und Karls des Kühnen herrschte.
Fast gleichzeitig mit der französischen Gewehrfabrikation um 1640
erhob sich auch die niederländische, und sie erreichte jene auch in
Bezug auf die künstlerische Ausstattung der Erzeugnisse, beeinflusst
von den Amsterdamer Ornamentisten, deren Stil schon vom Ende
des 16. Jahrhunderts an das niederländische Kunsthandwerk be-
herrschte. Örtlich in Verbindung, doch getrennt in politischer Be-
ziehung von den Niederlanden stand das Gebiet von Lüttich. Eine
bedeutende Waffenschmiedestätte, besitzt sie in ihrem genetischen

*) L'art ancien a l'Exposition Nationale Belge, publie sous la Direction de
Camille de Roddaz, Armurerie par E. Vanvinkeroy, Chef de la Section d'armes au
Musee Royal d'antiquites a Bruxelles. Bruxelles et Paris 1881.

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
liebtheit gelangten; nicht minder gab die Prachtliebe der beiden bur-
gundischen Herzoge Philipp und Karl Gelegenheit zu einer künst-
lerischen Ausstattung der Waffen. Die am Beginne des 15. Jahr-
hunderts zunehmende Bedeutung der niederländischen Waffenschmiede
kennzeichnet sich dadurch, daſs wir von da an Namen von bedeu-
tenderen Meistern in den Urkunden antreffen, so um 1407 Lodequin
Hughes
in Brüssel, um 1423 Jehan Wisseron in Brüssel, um
1438 den Hofplattner Massin de Fromont. Um 1462 wirkt der
berühmte Waffenschmied Ambroise Ruphin; um 1468 aber der
Hofplattner Karls des Kühnen, Lancelot de Gindertale, der in
seiner Leistungsfähigkeit mit dem gleichzeitigen Tomaso Missaglia in
Mailand zu vergleichen ist. Um diese Zeit hatten sich auch die
Zünfte der Armrustmacher mächtig gehoben, die sich später vorzugs-
weise überseeischer Holzarten für die Säulen bedienten. Berühmt
war um 1469 Luc de Muldre.*)

Unter Philipp dem Guten wurde die Geschützgieſserei zu Mecheln
gegründet. Karl V. erneuerte sie 1520, wobei sich der kaiserliche
Büchsenmeister Hans Poppenrieder groſse Verdienste erwarb. Der
letzte bedeutende Gieſser in Mecheln war P. F. Dietrich um 1760.

Mit dem Ende Karls des Kühnen, 1477, schien das Waffen-
schmiedhandwerk in Brüssel, Valenciennes, Mecheln etc. einen Rück-
schritt zu machen. Der einzige Plattner von Bedeutung um 1480
war Francis Scroo. Auch die quantitative Leistungsfähigkeit war
in Abnahme. 1495 berief König Maximilian I. die Mailänder Waffen-
schmiede Gabriel und Francesco Merate nach den Niederlanden und
etablierte sie in Arbois.

Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts herrschte in der Erzeugung
der Waffen in diesen Gebieten eine ungemeine Thätigkeit, ihre Be-
deutung ist aber nur nach der technischen Seite hin zu würdigen. Man
kann zwar in der 2. Hälfte des Jahrhunderts ganz gut von einer
Schule des Waffenhandwerks in den Niederlanden sprechen, aber
die künstlerische Fähigkeit, die sie aufwies, blieb weit zurück hinter
jener, die zur Zeit Philipps des Guten und Karls des Kühnen herrschte.
Fast gleichzeitig mit der französischen Gewehrfabrikation um 1640
erhob sich auch die niederländische, und sie erreichte jene auch in
Bezug auf die künstlerische Ausstattung der Erzeugnisse, beeinfluſst
von den Amsterdamer Ornamentisten, deren Stil schon vom Ende
des 16. Jahrhunderts an das niederländische Kunsthandwerk be-
herrschte. Örtlich in Verbindung, doch getrennt in politischer Be-
ziehung von den Niederlanden stand das Gebiet von Lüttich. Eine
bedeutende Waffenschmiedestätte, besitzt sie in ihrem genetischen

*) L’art ancien à l’Exposition Nationale Belge, publié sous la Direction de
Camille de Roddaz, Armurerie par E. Vanvinkeroy, Chef de la Section d’armes au
Musée Royal d’antiquités à Bruxelles. Bruxelles et Paris 1881.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0628" n="610"/><fw place="top" type="header">V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.</fw><lb/>
liebtheit gelangten; nicht minder gab die Prachtliebe der beiden bur-<lb/>
gundischen Herzoge Philipp und Karl Gelegenheit zu einer künst-<lb/>
lerischen Ausstattung der Waffen. Die am Beginne des 15. Jahr-<lb/>
hunderts zunehmende Bedeutung der niederländischen Waffenschmiede<lb/>
kennzeichnet sich dadurch, da&#x017F;s wir von da an Namen von bedeu-<lb/>
tenderen Meistern in den Urkunden antreffen, so um 1407 <hi rendition="#g">Lodequin<lb/>
Hughes</hi> in Brüssel, um 1423 <hi rendition="#g">Jehan Wisseron</hi> in Brüssel, um<lb/>
1438 den Hofplattner <hi rendition="#g">Massin de Fromont</hi>. Um 1462 wirkt der<lb/>
berühmte Waffenschmied <hi rendition="#g">Ambroise Ruphin</hi>; um 1468 aber der<lb/>
Hofplattner Karls des Kühnen, <hi rendition="#g">Lancelot de Gindertale</hi>, der in<lb/>
seiner Leistungsfähigkeit mit dem gleichzeitigen Tomaso Missaglia in<lb/>
Mailand zu vergleichen ist. Um diese Zeit hatten sich auch die<lb/>
Zünfte der Armrustmacher mächtig gehoben, die sich später vorzugs-<lb/>
weise überseeischer Holzarten für die Säulen bedienten. Berühmt<lb/>
war um 1469 <hi rendition="#g">Luc de Muldre</hi>.<note place="foot" n="*)">L&#x2019;art ancien à l&#x2019;Exposition Nationale Belge, publié sous la Direction de<lb/>
Camille de Roddaz, Armurerie par E. Vanvinkeroy, Chef de la Section d&#x2019;armes au<lb/>
Musée Royal d&#x2019;antiquités à Bruxelles. Bruxelles et Paris 1881.</note></p><lb/>
        <p>Unter Philipp dem Guten wurde die Geschützgie&#x017F;serei zu Mecheln<lb/>
gegründet. Karl V. erneuerte sie 1520, wobei sich der kaiserliche<lb/>
Büchsenmeister Hans Poppenrieder gro&#x017F;se Verdienste erwarb. Der<lb/>
letzte bedeutende Gie&#x017F;ser in Mecheln war P. F. Dietrich um 1760.</p><lb/>
        <p>Mit dem Ende Karls des Kühnen, 1477, schien das Waffen-<lb/>
schmiedhandwerk in Brüssel, Valenciennes, Mecheln etc. einen Rück-<lb/>
schritt zu machen. Der einzige Plattner von Bedeutung um 1480<lb/>
war <hi rendition="#g">Francis Scroo</hi>. Auch die quantitative Leistungsfähigkeit war<lb/>
in Abnahme. 1495 berief König Maximilian I. die Mailänder Waffen-<lb/>
schmiede Gabriel und Francesco Merate nach den Niederlanden und<lb/>
etablierte sie in Arbois.</p><lb/>
        <p>Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts herrschte in der Erzeugung<lb/>
der Waffen in diesen Gebieten eine ungemeine Thätigkeit, ihre Be-<lb/>
deutung ist aber nur nach der technischen Seite hin zu würdigen. Man<lb/>
kann zwar in der 2. Hälfte des Jahrhunderts ganz gut von einer<lb/>
Schule des Waffenhandwerks in den Niederlanden sprechen, aber<lb/>
die künstlerische Fähigkeit, die sie aufwies, blieb weit zurück hinter<lb/>
jener, die zur Zeit Philipps des Guten und Karls des Kühnen herrschte.<lb/>
Fast gleichzeitig mit der französischen Gewehrfabrikation um 1640<lb/>
erhob sich auch die niederländische, und sie erreichte jene auch in<lb/>
Bezug auf die künstlerische Ausstattung der Erzeugnisse, beeinflu&#x017F;st<lb/>
von den Amsterdamer Ornamentisten, deren Stil schon vom Ende<lb/>
des 16. Jahrhunderts an das niederländische Kunsthandwerk be-<lb/>
herrschte. Örtlich in Verbindung, doch getrennt in politischer Be-<lb/>
ziehung von den Niederlanden stand das Gebiet von Lüttich. Eine<lb/>
bedeutende Waffenschmiedestätte, besitzt sie in ihrem genetischen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[610/0628] V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. liebtheit gelangten; nicht minder gab die Prachtliebe der beiden bur- gundischen Herzoge Philipp und Karl Gelegenheit zu einer künst- lerischen Ausstattung der Waffen. Die am Beginne des 15. Jahr- hunderts zunehmende Bedeutung der niederländischen Waffenschmiede kennzeichnet sich dadurch, daſs wir von da an Namen von bedeu- tenderen Meistern in den Urkunden antreffen, so um 1407 Lodequin Hughes in Brüssel, um 1423 Jehan Wisseron in Brüssel, um 1438 den Hofplattner Massin de Fromont. Um 1462 wirkt der berühmte Waffenschmied Ambroise Ruphin; um 1468 aber der Hofplattner Karls des Kühnen, Lancelot de Gindertale, der in seiner Leistungsfähigkeit mit dem gleichzeitigen Tomaso Missaglia in Mailand zu vergleichen ist. Um diese Zeit hatten sich auch die Zünfte der Armrustmacher mächtig gehoben, die sich später vorzugs- weise überseeischer Holzarten für die Säulen bedienten. Berühmt war um 1469 Luc de Muldre. *) Unter Philipp dem Guten wurde die Geschützgieſserei zu Mecheln gegründet. Karl V. erneuerte sie 1520, wobei sich der kaiserliche Büchsenmeister Hans Poppenrieder groſse Verdienste erwarb. Der letzte bedeutende Gieſser in Mecheln war P. F. Dietrich um 1760. Mit dem Ende Karls des Kühnen, 1477, schien das Waffen- schmiedhandwerk in Brüssel, Valenciennes, Mecheln etc. einen Rück- schritt zu machen. Der einzige Plattner von Bedeutung um 1480 war Francis Scroo. Auch die quantitative Leistungsfähigkeit war in Abnahme. 1495 berief König Maximilian I. die Mailänder Waffen- schmiede Gabriel und Francesco Merate nach den Niederlanden und etablierte sie in Arbois. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts herrschte in der Erzeugung der Waffen in diesen Gebieten eine ungemeine Thätigkeit, ihre Be- deutung ist aber nur nach der technischen Seite hin zu würdigen. Man kann zwar in der 2. Hälfte des Jahrhunderts ganz gut von einer Schule des Waffenhandwerks in den Niederlanden sprechen, aber die künstlerische Fähigkeit, die sie aufwies, blieb weit zurück hinter jener, die zur Zeit Philipps des Guten und Karls des Kühnen herrschte. Fast gleichzeitig mit der französischen Gewehrfabrikation um 1640 erhob sich auch die niederländische, und sie erreichte jene auch in Bezug auf die künstlerische Ausstattung der Erzeugnisse, beeinfluſst von den Amsterdamer Ornamentisten, deren Stil schon vom Ende des 16. Jahrhunderts an das niederländische Kunsthandwerk be- herrschte. Örtlich in Verbindung, doch getrennt in politischer Be- ziehung von den Niederlanden stand das Gebiet von Lüttich. Eine bedeutende Waffenschmiedestätte, besitzt sie in ihrem genetischen *) L’art ancien à l’Exposition Nationale Belge, publié sous la Direction de Camille de Roddaz, Armurerie par E. Vanvinkeroy, Chef de la Section d’armes au Musée Royal d’antiquités à Bruxelles. Bruxelles et Paris 1881.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/628
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/628>, abgerufen am 22.11.2024.