In Japan gehörte der Schwertfeger zu den vornehmsten Hand- werkern; sein Stand legte ihm und seinen Angehörigen grosse Ver- pflichtungen auf, vor allem in Reinheit der Sitten und Übung der Mildthätigkeit. Das Schwert wurde in reich geschmückter Werkstätte vollendet, wobei der Meister in seiner vollen Amtstracht im Beisein seiner Familie und seines Auftraggebers das Werk vollbrachte. Vor noch nicht 20 Jahren galt der Verkauf einer Klinge als ein schmäh- licher Handel, und ein Mann der Kriegerkaste, der Samurai, hätte sich eher töten lassen, als sein Schwert zu veräussern. Schwertklingen hervorragender Meister wurden mit 5-, selbst 6000 Gulden bezahlt. Wir bringen am betreffenden Orte eine Liste der hervorragendsten japanesischen Schwertfeger vom 1. bis ins 17. Jahrhundert.
Zu den Anforderungen an eine gute Klinge zählte nicht allein die Güte des Eisens, sondern auch die Schärfe und Korrektheit des Schliffes und dessen feine Polierung. Die Technik des Schleifens ist ohne Zweifel von den Orientalen zu uns gekommen; sie wurde aber schon im 8. Jahrhundert in Europa mit staunenswerter Kunst geübt. Das Schleifen erfolgte auf sogenannten Schleifmühlen, somit auf voll- ständig mechanischem Wege mit Benutzung der Wasserkraft. Nur so sind die wunderbar regelmässigen Hohlschliffe mit schnurgeraden oder kreisförmigen, scharfen Kanten zu erklären. Zur höchsten Stufe der Vollkommenheit brachten es im 14. Jahrhundert die Mailänder. In der Via Mulino delle armi am Kanal bei der Porta Ticinese reihte sich damals Mühle an Mühle, und hier fertigte man jene vielgesuchten Klingen mit unterbrochenen Hohlschliffen, Paternosterklingen u. dgl. noch im 17. Jahrhundert.
Vom Ende des 11. Jahrhunderts werden den Waffenschmieden auch für die Schutzwaffe bedeutendere Aufgaben gestellt. Zunächst wurde das Scheitelstück des Helmes aus einem Stücke erzeugt, eine Technik, die im Oriente schon seit Jahrhunderten mit grosser Ge- schicklichkeit geübt wurde. Ein entsprechend dickes, scheibenförmiges Eisenstück musste dazu in rot glühendem Zustande mittels schwerer Fallhämmer vorerst in eine schalenförmige Form gebracht werden; dann erst wurde das Stück mit Meissel und Hammer feiner ausge- arbeitet. Wie wir bei dem Abschnitte: "Der Helm" erwähnten, wurde das "Treiben" der Helme im 16. Jahrhundert mit solchem Geschick betrieben, dass nicht nur das Scheitelstück, sondern aus diesem auch der in der späteren Zeit, um 1580, oft 12 Centimeter hohe Kamm herausgetrieben wurde -- als Handarbeit eine unglaubliche Leistung. Schon am Beginne des 11. Jahrhunderts wurden die italienischen Rundschilde aus einem Stück erzeugt, eine Leistung, die weniger für die Treibarbeit, als bei der Grösse des Gegenstandes für die vorge- schrittene Eisenbereitung spricht. Mit der Entwickelung dieser Treib- technik bildete sich eine angesehene Gilde, die der "Helmschmiede", die erst gegen das Ende des 15. Jahrhunderts allmählich in jene der
Boeheim, Waffenkunde. 38
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
In Japan gehörte der Schwertfeger zu den vornehmsten Hand- werkern; sein Stand legte ihm und seinen Angehörigen groſse Ver- pflichtungen auf, vor allem in Reinheit der Sitten und Übung der Mildthätigkeit. Das Schwert wurde in reich geschmückter Werkstätte vollendet, wobei der Meister in seiner vollen Amtstracht im Beisein seiner Familie und seines Auftraggebers das Werk vollbrachte. Vor noch nicht 20 Jahren galt der Verkauf einer Klinge als ein schmäh- licher Handel, und ein Mann der Kriegerkaste, der Samurai, hätte sich eher töten lassen, als sein Schwert zu veräuſsern. Schwertklingen hervorragender Meister wurden mit 5-, selbst 6000 Gulden bezahlt. Wir bringen am betreffenden Orte eine Liste der hervorragendsten japanesischen Schwertfeger vom 1. bis ins 17. Jahrhundert.
Zu den Anforderungen an eine gute Klinge zählte nicht allein die Güte des Eisens, sondern auch die Schärfe und Korrektheit des Schliffes und dessen feine Polierung. Die Technik des Schleifens ist ohne Zweifel von den Orientalen zu uns gekommen; sie wurde aber schon im 8. Jahrhundert in Europa mit staunenswerter Kunst geübt. Das Schleifen erfolgte auf sogenannten Schleifmühlen, somit auf voll- ständig mechanischem Wege mit Benutzung der Wasserkraft. Nur so sind die wunderbar regelmäſsigen Hohlschliffe mit schnurgeraden oder kreisförmigen, scharfen Kanten zu erklären. Zur höchsten Stufe der Vollkommenheit brachten es im 14. Jahrhundert die Mailänder. In der Via Mulino delle armi am Kanal bei der Porta Ticinese reihte sich damals Mühle an Mühle, und hier fertigte man jene vielgesuchten Klingen mit unterbrochenen Hohlschliffen, Paternosterklingen u. dgl. noch im 17. Jahrhundert.
Vom Ende des 11. Jahrhunderts werden den Waffenschmieden auch für die Schutzwaffe bedeutendere Aufgaben gestellt. Zunächst wurde das Scheitelstück des Helmes aus einem Stücke erzeugt, eine Technik, die im Oriente schon seit Jahrhunderten mit groſser Ge- schicklichkeit geübt wurde. Ein entsprechend dickes, scheibenförmiges Eisenstück muſste dazu in rot glühendem Zustande mittels schwerer Fallhämmer vorerst in eine schalenförmige Form gebracht werden; dann erst wurde das Stück mit Meiſsel und Hammer feiner ausge- arbeitet. Wie wir bei dem Abschnitte: „Der Helm“ erwähnten, wurde das „Treiben“ der Helme im 16. Jahrhundert mit solchem Geschick betrieben, daſs nicht nur das Scheitelstück, sondern aus diesem auch der in der späteren Zeit, um 1580, oft 12 Centimeter hohe Kamm herausgetrieben wurde — als Handarbeit eine unglaubliche Leistung. Schon am Beginne des 11. Jahrhunderts wurden die italienischen Rundschilde aus einem Stück erzeugt, eine Leistung, die weniger für die Treibarbeit, als bei der Gröſse des Gegenstandes für die vorge- schrittene Eisenbereitung spricht. Mit der Entwickelung dieser Treib- technik bildete sich eine angesehene Gilde, die der „Helmschmiede“, die erst gegen das Ende des 15. Jahrhunderts allmählich in jene der
Boeheim, Waffenkunde. 38
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0611"n="593"/><fwplace="top"type="header">V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.</fw><lb/><p>In Japan gehörte der Schwertfeger zu den vornehmsten Hand-<lb/>
werkern; sein Stand legte ihm und seinen Angehörigen groſse Ver-<lb/>
pflichtungen auf, vor allem in Reinheit der Sitten und Übung der<lb/>
Mildthätigkeit. Das Schwert wurde in reich geschmückter Werkstätte<lb/>
vollendet, wobei der Meister in seiner vollen Amtstracht im Beisein<lb/>
seiner Familie und seines Auftraggebers das Werk vollbrachte. Vor<lb/>
noch nicht 20 Jahren galt der Verkauf einer Klinge als ein schmäh-<lb/>
licher Handel, und ein Mann der Kriegerkaste, der Samurai, hätte<lb/>
sich eher töten lassen, als sein Schwert zu veräuſsern. Schwertklingen<lb/>
hervorragender Meister wurden mit 5-, selbst 6000 Gulden bezahlt.<lb/>
Wir bringen am betreffenden Orte eine Liste der hervorragendsten<lb/>
japanesischen Schwertfeger vom 1. bis ins 17. Jahrhundert.</p><lb/><p>Zu den Anforderungen an eine gute Klinge zählte nicht allein<lb/>
die Güte des Eisens, sondern auch die Schärfe und Korrektheit des<lb/>
Schliffes und dessen feine Polierung. Die Technik des Schleifens ist<lb/>
ohne Zweifel von den Orientalen zu uns gekommen; sie wurde aber<lb/>
schon im 8. Jahrhundert in Europa mit staunenswerter Kunst geübt.<lb/>
Das Schleifen erfolgte auf sogenannten Schleifmühlen, somit auf voll-<lb/>
ständig mechanischem Wege mit Benutzung der Wasserkraft. Nur so<lb/>
sind die wunderbar regelmäſsigen Hohlschliffe mit schnurgeraden oder<lb/>
kreisförmigen, scharfen Kanten zu erklären. Zur höchsten Stufe der<lb/>
Vollkommenheit brachten es im 14. Jahrhundert die Mailänder. In<lb/>
der Via Mulino delle armi am Kanal bei der Porta Ticinese reihte<lb/>
sich damals Mühle an Mühle, und hier fertigte man jene vielgesuchten<lb/>
Klingen mit unterbrochenen Hohlschliffen, Paternosterklingen u. dgl.<lb/>
noch im 17. Jahrhundert.</p><lb/><p>Vom Ende des 11. Jahrhunderts werden den Waffenschmieden<lb/>
auch für die Schutzwaffe bedeutendere Aufgaben gestellt. Zunächst<lb/>
wurde das Scheitelstück des Helmes aus einem Stücke erzeugt, eine<lb/>
Technik, die im Oriente schon seit Jahrhunderten mit groſser Ge-<lb/>
schicklichkeit geübt wurde. Ein entsprechend dickes, scheibenförmiges<lb/>
Eisenstück muſste dazu in rot glühendem Zustande mittels schwerer<lb/>
Fallhämmer vorerst in eine schalenförmige Form gebracht werden;<lb/>
dann erst wurde das Stück mit Meiſsel und Hammer feiner ausge-<lb/>
arbeitet. Wie wir bei dem Abschnitte: „Der Helm“ erwähnten, wurde<lb/>
das „Treiben“ der Helme im 16. Jahrhundert mit solchem Geschick<lb/>
betrieben, daſs nicht nur das Scheitelstück, sondern aus diesem auch<lb/>
der in der späteren Zeit, um 1580, oft 12 Centimeter hohe Kamm<lb/>
herausgetrieben wurde — als Handarbeit eine unglaubliche Leistung.<lb/>
Schon am Beginne des 11. Jahrhunderts wurden die italienischen<lb/>
Rundschilde aus einem Stück erzeugt, eine Leistung, die weniger für<lb/>
die Treibarbeit, als bei der Gröſse des Gegenstandes für die vorge-<lb/>
schrittene Eisenbereitung spricht. Mit der Entwickelung dieser Treib-<lb/>
technik bildete sich eine angesehene Gilde, die der „Helmschmiede“,<lb/>
die erst gegen das Ende des 15. Jahrhunderts allmählich in jene der<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Boeheim</hi>, Waffenkunde. 38</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[593/0611]
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
In Japan gehörte der Schwertfeger zu den vornehmsten Hand-
werkern; sein Stand legte ihm und seinen Angehörigen groſse Ver-
pflichtungen auf, vor allem in Reinheit der Sitten und Übung der
Mildthätigkeit. Das Schwert wurde in reich geschmückter Werkstätte
vollendet, wobei der Meister in seiner vollen Amtstracht im Beisein
seiner Familie und seines Auftraggebers das Werk vollbrachte. Vor
noch nicht 20 Jahren galt der Verkauf einer Klinge als ein schmäh-
licher Handel, und ein Mann der Kriegerkaste, der Samurai, hätte
sich eher töten lassen, als sein Schwert zu veräuſsern. Schwertklingen
hervorragender Meister wurden mit 5-, selbst 6000 Gulden bezahlt.
Wir bringen am betreffenden Orte eine Liste der hervorragendsten
japanesischen Schwertfeger vom 1. bis ins 17. Jahrhundert.
Zu den Anforderungen an eine gute Klinge zählte nicht allein
die Güte des Eisens, sondern auch die Schärfe und Korrektheit des
Schliffes und dessen feine Polierung. Die Technik des Schleifens ist
ohne Zweifel von den Orientalen zu uns gekommen; sie wurde aber
schon im 8. Jahrhundert in Europa mit staunenswerter Kunst geübt.
Das Schleifen erfolgte auf sogenannten Schleifmühlen, somit auf voll-
ständig mechanischem Wege mit Benutzung der Wasserkraft. Nur so
sind die wunderbar regelmäſsigen Hohlschliffe mit schnurgeraden oder
kreisförmigen, scharfen Kanten zu erklären. Zur höchsten Stufe der
Vollkommenheit brachten es im 14. Jahrhundert die Mailänder. In
der Via Mulino delle armi am Kanal bei der Porta Ticinese reihte
sich damals Mühle an Mühle, und hier fertigte man jene vielgesuchten
Klingen mit unterbrochenen Hohlschliffen, Paternosterklingen u. dgl.
noch im 17. Jahrhundert.
Vom Ende des 11. Jahrhunderts werden den Waffenschmieden
auch für die Schutzwaffe bedeutendere Aufgaben gestellt. Zunächst
wurde das Scheitelstück des Helmes aus einem Stücke erzeugt, eine
Technik, die im Oriente schon seit Jahrhunderten mit groſser Ge-
schicklichkeit geübt wurde. Ein entsprechend dickes, scheibenförmiges
Eisenstück muſste dazu in rot glühendem Zustande mittels schwerer
Fallhämmer vorerst in eine schalenförmige Form gebracht werden;
dann erst wurde das Stück mit Meiſsel und Hammer feiner ausge-
arbeitet. Wie wir bei dem Abschnitte: „Der Helm“ erwähnten, wurde
das „Treiben“ der Helme im 16. Jahrhundert mit solchem Geschick
betrieben, daſs nicht nur das Scheitelstück, sondern aus diesem auch
der in der späteren Zeit, um 1580, oft 12 Centimeter hohe Kamm
herausgetrieben wurde — als Handarbeit eine unglaubliche Leistung.
Schon am Beginne des 11. Jahrhunderts wurden die italienischen
Rundschilde aus einem Stück erzeugt, eine Leistung, die weniger für
die Treibarbeit, als bei der Gröſse des Gegenstandes für die vorge-
schrittene Eisenbereitung spricht. Mit der Entwickelung dieser Treib-
technik bildete sich eine angesehene Gilde, die der „Helmschmiede“,
die erst gegen das Ende des 15. Jahrhunderts allmählich in jene der
Boeheim, Waffenkunde. 38
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/611>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.