1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
Stück für wenige Goldstücke erwerben, während für gar viele Gegen- stände von höchst mässigem Werte geradezu ungeheure Summen ver- langt und leider auch bezahlt werden.
Zum Besten der Menschenklasse, die das Fälscherhandwerk treibt, ist zu sagen, dass die meisten ihrer Glieder durch das Publikum selbst auf die unsittliche Bahn gedrängt wurden. Die überwiegend grösste Zahl der Käufer nimmt die beste, schönste Imitation alter Kunst- werke nur dann, wenn sie für "alt" ausgegeben wird. Was will dann der Erzeuger machen? Über dieses missliche Verhältnis haben dem Verfasser schon viele talentvolle Kunstarbeiter ihr Leid geklagt. Ein sicheres Mittel, um sich durch die Beteuerungen von der Echtheit eines Gegenstandes nicht irre leiten zu lassen, bleibt immer die Gegenfrage: ob der Verkäufer geneigt sei, die Echtheit schriftlich zu bescheinigen.
Es kann nicht die Aufgabe des Verfassers sein, die zur Beur- teilung der Echtheit und des Wertes einer Waffe unbedingt nötigen Disziplinen ins Auge zu fassen. Der aufmerksame Leser wird in den anderen Kapiteln dieses Buches zahlreiche Anhaltspunkte finden, die seine Kenntnis des Gegenstandes für diesen Zweck unterstützen; wohl aber wird es dem Bedürfnisse des Publikums entsprechen, jene Grund- sätze anzuführen, die, auf der Kenntnis des Gegenstandes fussend, massgebend bleiben müssen, um das Echte vom Falschen unterscheiden zu lernen, um eine rationellere Basis für den Wert des einzelnen Stückes zu schaffen und so der heutigen Zerfahrenheit in der Wert- bestimmung zu steuern.
Beginnen wir mit der Beurteilung der Echtheit eines Gegen- standes als der ersten Bedingung für dessen Wert, so müssen wir vorweg den Kardinalsatz aufstellen, dass jeder angebotene Gegenstand, der mit den heutigen Mitteln nicht um den geforderten Preis zu fertigen ist, die Vermutung der Echtheit für sich hat. Dies ist ganz einfach daraus zu erklären, dass derjenige, der zu dem Mittel der Fälschung greift, viel mehr, als mit ehrlicher Arbeit möglich ist, ver- dienen will. Wenn das nicht erreichbar ist, lohnt sich der redliche Erwerb besser als der betrügerische. Ist der Preis im Verhältnisse zum Werte der Arbeit höher, dann treten alle Massregeln der Vor- sicht in ihre Rechte, und es sind dann allerdings unzählige Umstände zu berücksichtigen, um den Fälscherkniffen auf die Spur zu kommen, von denen wir nur die bemerkenswertesten hier anführen können.
Vorerst muss die allgemeine Form zum angegebenen Zeitalter stimmen; das ist bei Zuschreibung an bestimmte historische Personen oder Thatsachen von besonderer Wichtigkeit. Beigaben dekorativer Natur, Inschriften, Wappen müssen in Form und Technik unver- dächtig erscheinen, denn oft wird derlei nachträglich selbst an echten Stücken hinzugefügt, um den Wert zu erhöhen. Jedes Zeitalter hat seinen eigenen Stil in Schrift und Bild und seine eigene Technik.
1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
Stück für wenige Goldstücke erwerben, während für gar viele Gegen- stände von höchst mäſsigem Werte geradezu ungeheure Summen ver- langt und leider auch bezahlt werden.
Zum Besten der Menschenklasse, die das Fälscherhandwerk treibt, ist zu sagen, daſs die meisten ihrer Glieder durch das Publikum selbst auf die unsittliche Bahn gedrängt wurden. Die überwiegend gröſste Zahl der Käufer nimmt die beste, schönste Imitation alter Kunst- werke nur dann, wenn sie für „alt“ ausgegeben wird. Was will dann der Erzeuger machen? Über dieses miſsliche Verhältnis haben dem Verfasser schon viele talentvolle Kunstarbeiter ihr Leid geklagt. Ein sicheres Mittel, um sich durch die Beteuerungen von der Echtheit eines Gegenstandes nicht irre leiten zu lassen, bleibt immer die Gegenfrage: ob der Verkäufer geneigt sei, die Echtheit schriftlich zu bescheinigen.
Es kann nicht die Aufgabe des Verfassers sein, die zur Beur- teilung der Echtheit und des Wertes einer Waffe unbedingt nötigen Disziplinen ins Auge zu fassen. Der aufmerksame Leser wird in den anderen Kapiteln dieses Buches zahlreiche Anhaltspunkte finden, die seine Kenntnis des Gegenstandes für diesen Zweck unterstützen; wohl aber wird es dem Bedürfnisse des Publikums entsprechen, jene Grund- sätze anzuführen, die, auf der Kenntnis des Gegenstandes fuſsend, maſsgebend bleiben müssen, um das Echte vom Falschen unterscheiden zu lernen, um eine rationellere Basis für den Wert des einzelnen Stückes zu schaffen und so der heutigen Zerfahrenheit in der Wert- bestimmung zu steuern.
Beginnen wir mit der Beurteilung der Echtheit eines Gegen- standes als der ersten Bedingung für dessen Wert, so müssen wir vorweg den Kardinalsatz aufstellen, daſs jeder angebotene Gegenstand, der mit den heutigen Mitteln nicht um den geforderten Preis zu fertigen ist, die Vermutung der Echtheit für sich hat. Dies ist ganz einfach daraus zu erklären, daſs derjenige, der zu dem Mittel der Fälschung greift, viel mehr, als mit ehrlicher Arbeit möglich ist, ver- dienen will. Wenn das nicht erreichbar ist, lohnt sich der redliche Erwerb besser als der betrügerische. Ist der Preis im Verhältnisse zum Werte der Arbeit höher, dann treten alle Maſsregeln der Vor- sicht in ihre Rechte, und es sind dann allerdings unzählige Umstände zu berücksichtigen, um den Fälscherkniffen auf die Spur zu kommen, von denen wir nur die bemerkenswertesten hier anführen können.
Vorerst muſs die allgemeine Form zum angegebenen Zeitalter stimmen; das ist bei Zuschreibung an bestimmte historische Personen oder Thatsachen von besonderer Wichtigkeit. Beigaben dekorativer Natur, Inschriften, Wappen müssen in Form und Technik unver- dächtig erscheinen, denn oft wird derlei nachträglich selbst an echten Stücken hinzugefügt, um den Wert zu erhöhen. Jedes Zeitalter hat seinen eigenen Stil in Schrift und Bild und seine eigene Technik.
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1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
Stück für wenige Goldstücke erwerben, während für gar viele Gegen-
stände von höchst mäſsigem Werte geradezu ungeheure Summen ver-
langt und leider auch bezahlt werden.
Zum Besten der Menschenklasse, die das Fälscherhandwerk treibt,
ist zu sagen, daſs die meisten ihrer Glieder durch das Publikum selbst
auf die unsittliche Bahn gedrängt wurden. Die überwiegend gröſste
Zahl der Käufer nimmt die beste, schönste Imitation alter Kunst-
werke nur dann, wenn sie für „alt“ ausgegeben wird. Was will dann
der Erzeuger machen? Über dieses miſsliche Verhältnis haben dem
Verfasser schon viele talentvolle Kunstarbeiter ihr Leid geklagt. Ein
sicheres Mittel, um sich durch die Beteuerungen von der Echtheit
eines Gegenstandes nicht irre leiten zu lassen, bleibt immer die
Gegenfrage: ob der Verkäufer geneigt sei, die Echtheit schriftlich zu
bescheinigen.
Es kann nicht die Aufgabe des Verfassers sein, die zur Beur-
teilung der Echtheit und des Wertes einer Waffe unbedingt nötigen
Disziplinen ins Auge zu fassen. Der aufmerksame Leser wird in den
anderen Kapiteln dieses Buches zahlreiche Anhaltspunkte finden, die
seine Kenntnis des Gegenstandes für diesen Zweck unterstützen; wohl
aber wird es dem Bedürfnisse des Publikums entsprechen, jene Grund-
sätze anzuführen, die, auf der Kenntnis des Gegenstandes fuſsend,
maſsgebend bleiben müssen, um das Echte vom Falschen unterscheiden
zu lernen, um eine rationellere Basis für den Wert des einzelnen
Stückes zu schaffen und so der heutigen Zerfahrenheit in der Wert-
bestimmung zu steuern.
Beginnen wir mit der Beurteilung der Echtheit eines Gegen-
standes als der ersten Bedingung für dessen Wert, so müssen wir
vorweg den Kardinalsatz aufstellen, daſs jeder angebotene Gegenstand,
der mit den heutigen Mitteln nicht um den geforderten Preis zu
fertigen ist, die Vermutung der Echtheit für sich hat. Dies ist ganz
einfach daraus zu erklären, daſs derjenige, der zu dem Mittel der
Fälschung greift, viel mehr, als mit ehrlicher Arbeit möglich ist, ver-
dienen will. Wenn das nicht erreichbar ist, lohnt sich der redliche
Erwerb besser als der betrügerische. Ist der Preis im Verhältnisse
zum Werte der Arbeit höher, dann treten alle Maſsregeln der Vor-
sicht in ihre Rechte, und es sind dann allerdings unzählige Umstände
zu berücksichtigen, um den Fälscherkniffen auf die Spur zu kommen,
von denen wir nur die bemerkenswertesten hier anführen können.
Vorerst muſs die allgemeine Form zum angegebenen Zeitalter
stimmen; das ist bei Zuschreibung an bestimmte historische Personen
oder Thatsachen von besonderer Wichtigkeit. Beigaben dekorativer
Natur, Inschriften, Wappen müssen in Form und Technik unver-
dächtig erscheinen, denn oft wird derlei nachträglich selbst an echten
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/591>, abgerufen am 25.11.2024.
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