für das Auge des Zuschauers zu erhöhen. Wir werden im Verlaufe unserer Darstellung Gelegenheit erhalten, diesem Streben Schritt für Schritt zu folgen.
Schon im Verlaufe des 14. Jahrhunderts hatte der Buhurt, nun Turnier genannt, besonders in Südfrankreich und Italien eine Ver- änderung dadurch erfahren, dass die Gegner in der Regel nur einen Speer verstachen und dann zu stumpfen Schwertern griffen, mit denen sie sich unter lautem Geschrei, in Deutschland unter dem Rufe: "Wicha herre, wicha wich!", anfielen, bis eine Partei, von den Streichen des Gegners erschüttert, sich oft unter Rücklassung von ritterlich Ge- fangenen für überwunden erklärte.
In Deutschland kam vom Beginne des 15. Jahrhunderts an das sogenannte Kolbenturnier zu Ross in Gebrauch, das immer nur zwischen zwei Gegnern ausgetragen wurde. Die Waffen in diesem Gange bestanden aus stumpfen, aber schweren Schwertern (Fig. 610) und Kolben. Letzterer, aus hartem Holz gefertigt, hatte eine durch- schnittliche Länge von 80 cm. Die Handhabe besass insgemein einen kugelförmigen Knauf und statt einer Parierstange eine Scheibe aus Eisenblech oder einen Nodus (Fig. 611). Der Kolben selbst hatte einen polygonen Querschnitt und verstärkte sich allmählich gegen das Ende zu.
Diese mächtig wirkenden Waffen waren die nächste Veranlassung zu einer Veränderung der Helmform beim Turnier zu Ross, da ein Schlag mit solchen auf den alten Topfhelm, welcher auf dem Scheitel aufsass oder doch mit diesem in Berührung stand, lebensgefährlich werden konnte. Der neue Helm wurde kugelförmig gebaut, und war so umfangreich, dass ihn der Kopf des Mannes nirgends berührte und ledig- lich auf den Schultern und der Brust aufsass; desungeachtet wurde der Kopf des Trägers durch eine dick mit Werg gefütterte Haube, "har- naschkappe", geschützt. Zum erstenmal finden wir jetzt die Teile am Halse und im Nacken eingezogen. Derlei Kugelhelme kommen in unterschiedlichen Detailformen vor, sehr gebräuchlich waren die Helme, die aus einem starken Eisengerippe bestanden, worüber ein Überzug von starkem, gesottenem Rindsleder kam. An der Stelle des Gesichtes war der Helm offen und dieser Teil durch ein starkes Gitter aus Eisen und Draht geschützt. Das ganze Scheitelstück war mit Leinwand überzogen, mit Kreidegrund bedeckt und mit der Wappenfigur des Eigners in Temperafarben bemalt. Der Hals sowie der Bart- und Rückenteil bestand aus Eisenblech. Die Befestigung an der Brust sowie am Rücken, an dem Lentner oder an dem Platten- harnisch wurde durch Eisenbänder bewirkt, die in entsprechende Naben eingefügt wurden. Ebenso wie der Topfhelm des 12. und 13. Jahrhunderts, so war auch der Kugelhelm mit einer Helmzier am Scheitel, dem sogenannten "Zimier", ausgestattet. Die Formen dieser
III. Die Turnierwaffen.
für das Auge des Zuschauers zu erhöhen. Wir werden im Verlaufe unserer Darstellung Gelegenheit erhalten, diesem Streben Schritt für Schritt zu folgen.
Schon im Verlaufe des 14. Jahrhunderts hatte der Buhurt, nun Turnier genannt, besonders in Südfrankreich und Italien eine Ver- änderung dadurch erfahren, daſs die Gegner in der Regel nur einen Speer verstachen und dann zu stumpfen Schwertern griffen, mit denen sie sich unter lautem Geschrei, in Deutschland unter dem Rufe: „Wicha herre, wicha wich!“, anfielen, bis eine Partei, von den Streichen des Gegners erschüttert, sich oft unter Rücklassung von ritterlich Ge- fangenen für überwunden erklärte.
In Deutschland kam vom Beginne des 15. Jahrhunderts an das sogenannte Kolbenturnier zu Roſs in Gebrauch, das immer nur zwischen zwei Gegnern ausgetragen wurde. Die Waffen in diesem Gange bestanden aus stumpfen, aber schweren Schwertern (Fig. 610) und Kolben. Letzterer, aus hartem Holz gefertigt, hatte eine durch- schnittliche Länge von 80 cm. Die Handhabe besaſs insgemein einen kugelförmigen Knauf und statt einer Parierstange eine Scheibe aus Eisenblech oder einen Nodus (Fig. 611). Der Kolben selbst hatte einen polygonen Querschnitt und verstärkte sich allmählich gegen das Ende zu.
Diese mächtig wirkenden Waffen waren die nächste Veranlassung zu einer Veränderung der Helmform beim Turnier zu Roſs, da ein Schlag mit solchen auf den alten Topfhelm, welcher auf dem Scheitel aufsaſs oder doch mit diesem in Berührung stand, lebensgefährlich werden konnte. Der neue Helm wurde kugelförmig gebaut, und war so umfangreich, daſs ihn der Kopf des Mannes nirgends berührte und ledig- lich auf den Schultern und der Brust aufsaſs; desungeachtet wurde der Kopf des Trägers durch eine dick mit Werg gefütterte Haube, „har- naschkappe“, geschützt. Zum erstenmal finden wir jetzt die Teile am Halse und im Nacken eingezogen. Derlei Kugelhelme kommen in unterschiedlichen Detailformen vor, sehr gebräuchlich waren die Helme, die aus einem starken Eisengerippe bestanden, worüber ein Überzug von starkem, gesottenem Rindsleder kam. An der Stelle des Gesichtes war der Helm offen und dieser Teil durch ein starkes Gitter aus Eisen und Draht geschützt. Das ganze Scheitelstück war mit Leinwand überzogen, mit Kreidegrund bedeckt und mit der Wappenfigur des Eigners in Temperafarben bemalt. Der Hals sowie der Bart- und Rückenteil bestand aus Eisenblech. Die Befestigung an der Brust sowie am Rücken, an dem Lentner oder an dem Platten- harnisch wurde durch Eisenbänder bewirkt, die in entsprechende Naben eingefügt wurden. Ebenso wie der Topfhelm des 12. und 13. Jahrhunderts, so war auch der Kugelhelm mit einer Helmzier am Scheitel, dem sogenannten „Zimier“, ausgestattet. Die Formen dieser
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III. Die Turnierwaffen.
für das Auge des Zuschauers zu erhöhen. Wir werden im Verlaufe
unserer Darstellung Gelegenheit erhalten, diesem Streben Schritt für
Schritt zu folgen.
Schon im Verlaufe des 14. Jahrhunderts hatte der Buhurt, nun
Turnier genannt, besonders in Südfrankreich und Italien eine Ver-
änderung dadurch erfahren, daſs die Gegner in der Regel nur einen
Speer verstachen und dann zu stumpfen Schwertern griffen, mit denen
sie sich unter lautem Geschrei, in Deutschland unter dem Rufe:
„Wicha herre, wicha wich!“, anfielen, bis eine Partei, von den Streichen
des Gegners erschüttert, sich oft unter Rücklassung von ritterlich Ge-
fangenen für überwunden erklärte.
In Deutschland kam vom Beginne des 15. Jahrhunderts an das
sogenannte Kolbenturnier zu Roſs in Gebrauch, das immer nur
zwischen zwei Gegnern ausgetragen wurde. Die Waffen in diesem
Gange bestanden aus stumpfen, aber schweren Schwertern (Fig. 610)
und Kolben. Letzterer, aus hartem Holz gefertigt, hatte eine durch-
schnittliche Länge von 80 cm. Die Handhabe besaſs insgemein
einen kugelförmigen Knauf und statt einer Parierstange eine Scheibe
aus Eisenblech oder einen Nodus (Fig. 611). Der Kolben selbst hatte
einen polygonen Querschnitt und verstärkte sich allmählich gegen
das Ende zu.
Diese mächtig wirkenden Waffen waren die nächste Veranlassung
zu einer Veränderung der Helmform beim Turnier zu Roſs, da ein
Schlag mit solchen auf den alten Topfhelm, welcher auf dem Scheitel
aufsaſs oder doch mit diesem in Berührung stand, lebensgefährlich
werden konnte. Der neue Helm wurde kugelförmig gebaut, und war so
umfangreich, daſs ihn der Kopf des Mannes nirgends berührte und ledig-
lich auf den Schultern und der Brust aufsaſs; desungeachtet wurde der
Kopf des Trägers durch eine dick mit Werg gefütterte Haube, „har-
naschkappe“, geschützt. Zum erstenmal finden wir jetzt die Teile
am Halse und im Nacken eingezogen. Derlei Kugelhelme kommen
in unterschiedlichen Detailformen vor, sehr gebräuchlich waren die
Helme, die aus einem starken Eisengerippe bestanden, worüber ein
Überzug von starkem, gesottenem Rindsleder kam. An der Stelle
des Gesichtes war der Helm offen und dieser Teil durch ein starkes
Gitter aus Eisen und Draht geschützt. Das ganze Scheitelstück war
mit Leinwand überzogen, mit Kreidegrund bedeckt und mit der
Wappenfigur des Eigners in Temperafarben bemalt. Der Hals sowie
der Bart- und Rückenteil bestand aus Eisenblech. Die Befestigung
an der Brust sowie am Rücken, an dem Lentner oder an dem Platten-
harnisch wurde durch Eisenbänder bewirkt, die in entsprechende
Naben eingefügt wurden. Ebenso wie der Topfhelm des 12. und
13. Jahrhunderts, so war auch der Kugelhelm mit einer Helmzier am
Scheitel, dem sogenannten „Zimier“, ausgestattet. Die Formen dieser
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/541>, abgerufen am 22.11.2024.
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