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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
vollkommen fertig aus dem Gusse hervor. Mit Zunahme der Fertig-
keit bemühte man sich, immer grössere Geschütze zu giessen; so ent-
standen die grössten, "Hauptstücke" genannten Geschütze. Daneben
aber wurden noch bis ans Ende des 15. Jahrhunderts Geschütze von
geringerem Kaliber und grösserer Rohrlänge aus Eisen geschmiedet.

Die den Hauptbüchsen in der Grösse zunächst stehenden Ge-
schütze wurden Metzen, Scharfmetzen (scharpffmetzen) genannt. Der
rohe Söldnerwitz personifizierte die plumpe Waffe und verglich sie
mit einem weiblichen Wesen. Der Ideengang dabei ist spezifisch
oberdeutsch. Die Bezeichnung selbst aber dürfte sich aus dem Ita-
lienischen "mezza-bombarda" herleiten.

Wie uns die vorhandenen alten Feuerwerksbücher belehren, war
im 14. Jahrhundert bereits das Streben nach Verbesserung des Ge-
schützwesens in technisch-konstruktiver Beziehung, wie nach der
pyrotechnischen Seite hin nicht geringer als heutzutage inmitten des
Zeitalters der Erfindungen. Von allem Anfange an jagte ein Projekt
das andere, suchte der eine Büchsenmeister den anderen zu über-

[Abbildung] Fig. 513.

Viertelbüchse in Lade und Bank. 15. Jahrhundert.
Nach Dolleczek, Geschichte der österr. Artillerie.

bieten. Dadurch entstanden in den verschiedenen Ländern die
mannigfachsten und auch sonderbarsten Geschützformen, so dass es
schwierig wird, in das Chaos ein System zu bringen, um so mehr, als
diese unter zahllosen Namen auftauchen.

Die Bombarde oder "pumhart", wie sie zuerst in deutschen
Ländern genannt wurde, entbehrte anfänglich jeglicher Lafettierung. Sie
wurde einfach auf schwere Kanthölzer gelagert, nach Möglichkeit ge-
richtet und nach langwierigem Laden abgefeuert. Dabei stellte sich
der bedeutende Übelstand des Rückstosses heraus, der meist das Rohr
gänzlich aus seinem Lager warf. Man suchte ihn zwar durch rück-
wärts in die Erde gegrabene starke Balken zu beheben, aber das ge-
lang nur in geringem Masse, da, wie auch die Nürnberger Chronik
berichtet, diese Balken (Preller) alle 3 bis 4 Tage erneuert werden

II. Die Angriffswaffen.
vollkommen fertig aus dem Gusse hervor. Mit Zunahme der Fertig-
keit bemühte man sich, immer gröſsere Geschütze zu gieſsen; so ent-
standen die gröſsten, „Hauptstücke“ genannten Geschütze. Daneben
aber wurden noch bis ans Ende des 15. Jahrhunderts Geschütze von
geringerem Kaliber und gröſserer Rohrlänge aus Eisen geschmiedet.

Die den Hauptbüchsen in der Gröſse zunächst stehenden Ge-
schütze wurden Metzen, Scharfmetzen (scharpffmetzen) genannt. Der
rohe Söldnerwitz personifizierte die plumpe Waffe und verglich sie
mit einem weiblichen Wesen. Der Ideengang dabei ist spezifisch
oberdeutsch. Die Bezeichnung selbst aber dürfte sich aus dem Ita-
lienischen „mezza-bombarda“ herleiten.

Wie uns die vorhandenen alten Feuerwerksbücher belehren, war
im 14. Jahrhundert bereits das Streben nach Verbesserung des Ge-
schützwesens in technisch-konstruktiver Beziehung, wie nach der
pyrotechnischen Seite hin nicht geringer als heutzutage inmitten des
Zeitalters der Erfindungen. Von allem Anfange an jagte ein Projekt
das andere, suchte der eine Büchsenmeister den anderen zu über-

[Abbildung] Fig. 513.

Viertelbüchse in Lade und Bank. 15. Jahrhundert.
Nach Dolleczek, Geschichte der österr. Artillerie.

bieten. Dadurch entstanden in den verschiedenen Ländern die
mannigfachsten und auch sonderbarsten Geschützformen, so daſs es
schwierig wird, in das Chaos ein System zu bringen, um so mehr, als
diese unter zahllosen Namen auftauchen.

Die Bombarde oder „pumhart“, wie sie zuerst in deutschen
Ländern genannt wurde, entbehrte anfänglich jeglicher Lafettierung. Sie
wurde einfach auf schwere Kanthölzer gelagert, nach Möglichkeit ge-
richtet und nach langwierigem Laden abgefeuert. Dabei stellte sich
der bedeutende Übelstand des Rückstoſses heraus, der meist das Rohr
gänzlich aus seinem Lager warf. Man suchte ihn zwar durch rück-
wärts in die Erde gegrabene starke Balken zu beheben, aber das ge-
lang nur in geringem Maſse, da, wie auch die Nürnberger Chronik
berichtet, diese Balken (Preller) alle 3 bis 4 Tage erneuert werden

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[434/0452] II. Die Angriffswaffen. vollkommen fertig aus dem Gusse hervor. Mit Zunahme der Fertig- keit bemühte man sich, immer gröſsere Geschütze zu gieſsen; so ent- standen die gröſsten, „Hauptstücke“ genannten Geschütze. Daneben aber wurden noch bis ans Ende des 15. Jahrhunderts Geschütze von geringerem Kaliber und gröſserer Rohrlänge aus Eisen geschmiedet. Die den Hauptbüchsen in der Gröſse zunächst stehenden Ge- schütze wurden Metzen, Scharfmetzen (scharpffmetzen) genannt. Der rohe Söldnerwitz personifizierte die plumpe Waffe und verglich sie mit einem weiblichen Wesen. Der Ideengang dabei ist spezifisch oberdeutsch. Die Bezeichnung selbst aber dürfte sich aus dem Ita- lienischen „mezza-bombarda“ herleiten. Wie uns die vorhandenen alten Feuerwerksbücher belehren, war im 14. Jahrhundert bereits das Streben nach Verbesserung des Ge- schützwesens in technisch-konstruktiver Beziehung, wie nach der pyrotechnischen Seite hin nicht geringer als heutzutage inmitten des Zeitalters der Erfindungen. Von allem Anfange an jagte ein Projekt das andere, suchte der eine Büchsenmeister den anderen zu über- [Abbildung Fig. 513. Viertelbüchse in Lade und Bank. 15. Jahrhundert. Nach Dolleczek, Geschichte der österr. Artillerie.] bieten. Dadurch entstanden in den verschiedenen Ländern die mannigfachsten und auch sonderbarsten Geschützformen, so daſs es schwierig wird, in das Chaos ein System zu bringen, um so mehr, als diese unter zahllosen Namen auftauchen. Die Bombarde oder „pumhart“, wie sie zuerst in deutschen Ländern genannt wurde, entbehrte anfänglich jeglicher Lafettierung. Sie wurde einfach auf schwere Kanthölzer gelagert, nach Möglichkeit ge- richtet und nach langwierigem Laden abgefeuert. Dabei stellte sich der bedeutende Übelstand des Rückstoſses heraus, der meist das Rohr gänzlich aus seinem Lager warf. Man suchte ihn zwar durch rück- wärts in die Erde gegrabene starke Balken zu beheben, aber das ge- lang nur in geringem Maſse, da, wie auch die Nürnberger Chronik berichtet, diese Balken (Preller) alle 3 bis 4 Tage erneuert werden

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/452>, abgerufen am 21.06.2024.