Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
in Deutschland die Kürisser als Muster einer schweren Reitertruppe. Vielfach noch aus adeligen Elementen bestehend, erhielten sich in ihnen noch manche Traditionen der feudalen Heere. Ihre Ausrüstung und Bewaffnung, an sich sehr sorgfältig, war doch selbst für den starken Pferdeschlag zu schwer. Mann und Pferd waren mit Eisen- platten bedeckt, der Reisspiess, das Kürissschwert waren die Angriffs- waffen. Offiziere und Rottmeister führten den eleganten, aber wenig brauchbaren Reiterhammer, Oberste den Regimentsstab. Die leichten Reitertruppen bildeten sich nach italienischem Muster. Sie waren nur in leichte Harnische mit Sturmhauben gekleidet und führten neben dem Haudegen das Faustrohr und die Arkebuse, eine Art leichter Reitergewehre mit deutschen Radschlössern.
Mit staunenswerter Raschheit entwickelte sich das Geschützwesen. Um 1520 bestanden schon nahezu sämtliche Feldgeschütze aus Bronze, und auch eine oberflächliche Bestimmung der Kaliber hatte, von Nürn- berg angeregt, Platz gegriffen. Die sogenannten 4 Geschlechter: der 48pfünder oder die Kartaune, der 24pfünder, die Halbkartaune, der 12pfünder oder Falke, endlich der 6pfünder oder Schlange konnten trotz der vielen Zwischenformen als Grundformen angesehen werden. Das Wurfgeschütz, die Mörser für Steingeschosse, hatten noch keinen bestimmten Kaliber, doch wurden auch sie in Bronze gegossen und es schieden sich aus ihnen eigenartige Formen zum Werfen von Feuerwerkskörpern ab. Auch die Ballistik machte Fortschritte; man kannte schon um 1480 den Quadranten und bediente sich um 1500 hie- und da bereits der Richtmaschinen. Die alte Karrenlafette machte der Protzlafette Platz, und die Lade, in welcher früher das Kanonenrohr befestigt war, verschwand, dafür entstand die Balance- lagerung des Rohres in den Schildzapfen, die zuerst bei kleineren Kalibern in Anwendung kam. Der Büchsenmeister erhielt den charakteristischen Luntenspiess, der halb als Waffe, halb als Werkzeug anzusehen ist.
Das Fussvolk war je nach der Art seines Aufbringens und seiner Herkunft noch sehr verschiedenartig gestaltet. Städtische Truppe war ziemlich gleichmässig und gut, immer aber eigenartig und wenig für den Angriff tauglich ausgerüstet. In ihr überwog in der Regel das Feuerrohr als Luntengewehr, daneben erschienen die Spiessknechte mit gemeinen Spiessen oder Helmbarten. Armrustschützen ver- schwanden nun gänzlich. Fussknechthaufen, welche noch zuweilen Adelige gegen Besoldung stellten -- ein Schatten der alten Feudal- einrichtung -- bestanden zumeist aus unbeholfenen Bauern und anderen wenig kriegsgeübten Elementen. Ihre Bewaffnung war die verschiedenartigste und schlechteste.
Anders war es mit jener Elitetruppe, welche die Franzosen in ihren Schweizerregimentern besassen. Sie war mit langen Spiessen, Kurzschwertern und Dolchen, ein Teil mit allerdings schweren Bock-
Boeheim, Waffenkunde. 2
Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
in Deutschland die Kürisser als Muster einer schweren Reitertruppe. Vielfach noch aus adeligen Elementen bestehend, erhielten sich in ihnen noch manche Traditionen der feudalen Heere. Ihre Ausrüstung und Bewaffnung, an sich sehr sorgfältig, war doch selbst für den starken Pferdeschlag zu schwer. Mann und Pferd waren mit Eisen- platten bedeckt, der Reisspieſs, das Küriſsschwert waren die Angriffs- waffen. Offiziere und Rottmeister führten den eleganten, aber wenig brauchbaren Reiterhammer, Oberste den Regimentsstab. Die leichten Reitertruppen bildeten sich nach italienischem Muster. Sie waren nur in leichte Harnische mit Sturmhauben gekleidet und führten neben dem Haudegen das Faustrohr und die Arkebuse, eine Art leichter Reitergewehre mit deutschen Radschlössern.
Mit staunenswerter Raschheit entwickelte sich das Geschützwesen. Um 1520 bestanden schon nahezu sämtliche Feldgeschütze aus Bronze, und auch eine oberflächliche Bestimmung der Kaliber hatte, von Nürn- berg angeregt, Platz gegriffen. Die sogenannten 4 Geschlechter: der 48pfünder oder die Kartaune, der 24pfünder, die Halbkartaune, der 12pfünder oder Falke, endlich der 6pfünder oder Schlange konnten trotz der vielen Zwischenformen als Grundformen angesehen werden. Das Wurfgeschütz, die Mörser für Steingeschosse, hatten noch keinen bestimmten Kaliber, doch wurden auch sie in Bronze gegossen und es schieden sich aus ihnen eigenartige Formen zum Werfen von Feuerwerkskörpern ab. Auch die Ballistik machte Fortschritte; man kannte schon um 1480 den Quadranten und bediente sich um 1500 hie- und da bereits der Richtmaschinen. Die alte Karrenlafette machte der Protzlafette Platz, und die Lade, in welcher früher das Kanonenrohr befestigt war, verschwand, dafür entstand die Balance- lagerung des Rohres in den Schildzapfen, die zuerst bei kleineren Kalibern in Anwendung kam. Der Büchsenmeister erhielt den charakteristischen Luntenspieſs, der halb als Waffe, halb als Werkzeug anzusehen ist.
Das Fuſsvolk war je nach der Art seines Aufbringens und seiner Herkunft noch sehr verschiedenartig gestaltet. Städtische Truppe war ziemlich gleichmäſsig und gut, immer aber eigenartig und wenig für den Angriff tauglich ausgerüstet. In ihr überwog in der Regel das Feuerrohr als Luntengewehr, daneben erschienen die Spieſsknechte mit gemeinen Spieſsen oder Helmbarten. Armrustschützen ver- schwanden nun gänzlich. Fuſsknechthaufen, welche noch zuweilen Adelige gegen Besoldung stellten — ein Schatten der alten Feudal- einrichtung — bestanden zumeist aus unbeholfenen Bauern und anderen wenig kriegsgeübten Elementen. Ihre Bewaffnung war die verschiedenartigste und schlechteste.
Anders war es mit jener Elitetruppe, welche die Franzosen in ihren Schweizerregimentern besaſsen. Sie war mit langen Spieſsen, Kurzschwertern und Dolchen, ein Teil mit allerdings schweren Bock-
Boeheim, Waffenkunde. 2
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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
in Deutschland die Kürisser als Muster einer schweren Reitertruppe.
Vielfach noch aus adeligen Elementen bestehend, erhielten sich in
ihnen noch manche Traditionen der feudalen Heere. Ihre Ausrüstung
und Bewaffnung, an sich sehr sorgfältig, war doch selbst für den
starken Pferdeschlag zu schwer. Mann und Pferd waren mit Eisen-
platten bedeckt, der Reisspieſs, das Küriſsschwert waren die Angriffs-
waffen. Offiziere und Rottmeister führten den eleganten, aber wenig
brauchbaren Reiterhammer, Oberste den Regimentsstab. Die leichten
Reitertruppen bildeten sich nach italienischem Muster. Sie waren
nur in leichte Harnische mit Sturmhauben gekleidet und führten
neben dem Haudegen das Faustrohr und die Arkebuse, eine Art
leichter Reitergewehre mit deutschen Radschlössern.
Mit staunenswerter Raschheit entwickelte sich das Geschützwesen.
Um 1520 bestanden schon nahezu sämtliche Feldgeschütze aus Bronze,
und auch eine oberflächliche Bestimmung der Kaliber hatte, von Nürn-
berg angeregt, Platz gegriffen. Die sogenannten 4 Geschlechter: der
48pfünder oder die Kartaune, der 24pfünder, die Halbkartaune, der
12pfünder oder Falke, endlich der 6pfünder oder Schlange konnten
trotz der vielen Zwischenformen als Grundformen angesehen werden.
Das Wurfgeschütz, die Mörser für Steingeschosse, hatten noch keinen
bestimmten Kaliber, doch wurden auch sie in Bronze gegossen und
es schieden sich aus ihnen eigenartige Formen zum Werfen von
Feuerwerkskörpern ab. Auch die Ballistik machte Fortschritte; man
kannte schon um 1480 den Quadranten und bediente sich um 1500
hie- und da bereits der Richtmaschinen. Die alte Karrenlafette
machte der Protzlafette Platz, und die Lade, in welcher früher das
Kanonenrohr befestigt war, verschwand, dafür entstand die Balance-
lagerung des Rohres in den Schildzapfen, die zuerst bei kleineren
Kalibern in Anwendung kam. Der Büchsenmeister erhielt den
charakteristischen Luntenspieſs, der halb als Waffe, halb als Werkzeug
anzusehen ist.
Das Fuſsvolk war je nach der Art seines Aufbringens und
seiner Herkunft noch sehr verschiedenartig gestaltet. Städtische Truppe
war ziemlich gleichmäſsig und gut, immer aber eigenartig und wenig
für den Angriff tauglich ausgerüstet. In ihr überwog in der Regel
das Feuerrohr als Luntengewehr, daneben erschienen die Spieſsknechte
mit gemeinen Spieſsen oder Helmbarten. Armrustschützen ver-
schwanden nun gänzlich. Fuſsknechthaufen, welche noch zuweilen
Adelige gegen Besoldung stellten — ein Schatten der alten Feudal-
einrichtung — bestanden zumeist aus unbeholfenen Bauern und
anderen wenig kriegsgeübten Elementen. Ihre Bewaffnung war die
verschiedenartigste und schlechteste.
Anders war es mit jener Elitetruppe, welche die Franzosen in
ihren Schweizerregimentern besaſsen. Sie war mit langen Spieſsen,
Kurzschwertern und Dolchen, ein Teil mit allerdings schweren Bock-
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/35>, abgerufen am 23.11.2024.
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