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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
der übrigen Blankwaffen; so finden wir solche mit Giftzügen von ganz
ausserordentlicher Feinheit in der Ausführung. Vorzugsweise war die
Dolchklinge im Oriente der Gegenstand einer minutiösen und kunst-
reichen Ausführung, die in einzelnen Fällen an das Wunderbare
streift.

Aus Indien kommen die damaszierten Klingen, die bei kräftiger
Textur ganz schwarz erscheinen; von da und aus Persien die in
Tausia verzierten; bei diesen finden sich auch Tierfiguren in Silber
und Gold mit Zuhilfenahme des Niello eingestreut. Aus Damaskus,
Bagdad und von den syrischen Küsten stammen jene schönen Dolch-
klingen aus damasziertem Stahle mit Flachreliefs und auch aufgeschla-
gener Tausia an den Ansätzen, in welche zuweilen kleine Korallen

[Abbildung] Fig. 336.

Frän-
kische Dolch-
klinge
von Eisen,
13 cm. lang. Grab-
fund vom Kirchberg
bei Andernach. Pro-
vinzial-Museum in
Bonn.

gefasst sind, eine Zierart, die wir häufig auch an
Handschars und Yatagans treffen. (Fig. 339, 340.)
Eine staunenswerte Technik aber bekunden jene
indischen Klingen, welche dem Grat entlang geschlitzt
sind und in deren Schlitzöffnung eine Reihe kost-
barer Perlen derart eingeschmiedet erscheinen, dass
sie beiderseitig sichtbar sind. Diese wunderbare
Technik findet sich auch an Säbelklingen ver-
treten. Wir haben die Abbildung einer solchen
am betreffenden Orte gebracht. Im Occident ist
gemeiniglich nur der Dolch mit gerader Klinge im
Gebrauche, nicht selten auch das einschneidige
Dolchmesser, welches in Frankreich im 15. Jahr-
hundert von dem Fussvolke geführt wurde, davon
ihr Name coustilliers stammt. Vom 15. Jahrhundert
an finden wir Dolche mit geflammten Klingen.
Eine besondere Verwendung hatten die Degen-
brecher
, welche am Beginne des 16. Jahrhunderts
aus Spanien sich verbreiten. Ihre Klingen besitzen
an einer Seite tiefe, zahnförmige Einschnitte. An
den vorderen Enden der Zähne befinden sich kleinere
bewegliche Zähne, welche zwar das Eindringen
der gegnerischen Klinge in den Einschnitt, nicht aber deren Zurück-
ziehen gestatten. (Fig. 341.) Die Dolche des 14. und 15. Jahr-
hunderts besitzen zumeist drei- oder vierschneidige, starke Klingen.
Die Scheiden jener Zeit sind aus Elfenbein oder aus Holz gefertigt
oder mit Leder überzogen, welche häufig in schönen gotischen
Dessins getrieben oder gepresst sind; an vielen findet sich ein
Besteck für ein kleines Messer, daneben auch wohl für einen Pfriemen.
Auf reichgezierte Dolche wurde im ganzen Mittelalter ein besonderer
Wert gelegt. (Fig. 342, 343.) Landsknechtdolche zeigen lange,
schmale aber starke Klingen. Die Griffe wie die Scheiden sind häufig,
wenn auch nur roh mit Elfenbein- oder Hirschhorneinlagen geziert.

II. Die Angriffswaffen.
der übrigen Blankwaffen; so finden wir solche mit Giftzügen von ganz
auſserordentlicher Feinheit in der Ausführung. Vorzugsweise war die
Dolchklinge im Oriente der Gegenstand einer minutiösen und kunst-
reichen Ausführung, die in einzelnen Fällen an das Wunderbare
streift.

Aus Indien kommen die damaszierten Klingen, die bei kräftiger
Textur ganz schwarz erscheinen; von da und aus Persien die in
Tausia verzierten; bei diesen finden sich auch Tierfiguren in Silber
und Gold mit Zuhilfenahme des Niello eingestreut. Aus Damaskus,
Bagdad und von den syrischen Küsten stammen jene schönen Dolch-
klingen aus damasziertem Stahle mit Flachreliefs und auch aufgeschla-
gener Tausia an den Ansätzen, in welche zuweilen kleine Korallen

[Abbildung] Fig. 336.

Frän-
kische Dolch-
klinge
von Eisen,
13 cm. lang. Grab-
fund vom Kirchberg
bei Andernach. Pro-
vinzial-Museum in
Bonn.

gefaſst sind, eine Zierart, die wir häufig auch an
Handschars und Yatagans treffen. (Fig. 339, 340.)
Eine staunenswerte Technik aber bekunden jene
indischen Klingen, welche dem Grat entlang geschlitzt
sind und in deren Schlitzöffnung eine Reihe kost-
barer Perlen derart eingeschmiedet erscheinen, daſs
sie beiderseitig sichtbar sind. Diese wunderbare
Technik findet sich auch an Säbelklingen ver-
treten. Wir haben die Abbildung einer solchen
am betreffenden Orte gebracht. Im Occident ist
gemeiniglich nur der Dolch mit gerader Klinge im
Gebrauche, nicht selten auch das einschneidige
Dolchmesser, welches in Frankreich im 15. Jahr-
hundert von dem Fuſsvolke geführt wurde, davon
ihr Name coustilliers stammt. Vom 15. Jahrhundert
an finden wir Dolche mit geflammten Klingen.
Eine besondere Verwendung hatten die Degen-
brecher
, welche am Beginne des 16. Jahrhunderts
aus Spanien sich verbreiten. Ihre Klingen besitzen
an einer Seite tiefe, zahnförmige Einschnitte. An
den vorderen Enden der Zähne befinden sich kleinere
bewegliche Zähne, welche zwar das Eindringen
der gegnerischen Klinge in den Einschnitt, nicht aber deren Zurück-
ziehen gestatten. (Fig. 341.) Die Dolche des 14. und 15. Jahr-
hunderts besitzen zumeist drei- oder vierschneidige, starke Klingen.
Die Scheiden jener Zeit sind aus Elfenbein oder aus Holz gefertigt
oder mit Leder überzogen, welche häufig in schönen gotischen
Dessins getrieben oder gepreſst sind; an vielen findet sich ein
Besteck für ein kleines Messer, daneben auch wohl für einen Pfriemen.
Auf reichgezierte Dolche wurde im ganzen Mittelalter ein besonderer
Wert gelegt. (Fig. 342, 343.) Landsknechtdolche zeigen lange,
schmale aber starke Klingen. Die Griffe wie die Scheiden sind häufig,
wenn auch nur roh mit Elfenbein- oder Hirschhorneinlagen geziert.

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[296/0314] II. Die Angriffswaffen. der übrigen Blankwaffen; so finden wir solche mit Giftzügen von ganz auſserordentlicher Feinheit in der Ausführung. Vorzugsweise war die Dolchklinge im Oriente der Gegenstand einer minutiösen und kunst- reichen Ausführung, die in einzelnen Fällen an das Wunderbare streift. Aus Indien kommen die damaszierten Klingen, die bei kräftiger Textur ganz schwarz erscheinen; von da und aus Persien die in Tausia verzierten; bei diesen finden sich auch Tierfiguren in Silber und Gold mit Zuhilfenahme des Niello eingestreut. Aus Damaskus, Bagdad und von den syrischen Küsten stammen jene schönen Dolch- klingen aus damasziertem Stahle mit Flachreliefs und auch aufgeschla- gener Tausia an den Ansätzen, in welche zuweilen kleine Korallen [Abbildung Fig. 336. Frän- kische Dolch- klinge von Eisen, 13 cm. lang. Grab- fund vom Kirchberg bei Andernach. Pro- vinzial-Museum in Bonn.] gefaſst sind, eine Zierart, die wir häufig auch an Handschars und Yatagans treffen. (Fig. 339, 340.) Eine staunenswerte Technik aber bekunden jene indischen Klingen, welche dem Grat entlang geschlitzt sind und in deren Schlitzöffnung eine Reihe kost- barer Perlen derart eingeschmiedet erscheinen, daſs sie beiderseitig sichtbar sind. Diese wunderbare Technik findet sich auch an Säbelklingen ver- treten. Wir haben die Abbildung einer solchen am betreffenden Orte gebracht. Im Occident ist gemeiniglich nur der Dolch mit gerader Klinge im Gebrauche, nicht selten auch das einschneidige Dolchmesser, welches in Frankreich im 15. Jahr- hundert von dem Fuſsvolke geführt wurde, davon ihr Name coustilliers stammt. Vom 15. Jahrhundert an finden wir Dolche mit geflammten Klingen. Eine besondere Verwendung hatten die Degen- brecher, welche am Beginne des 16. Jahrhunderts aus Spanien sich verbreiten. Ihre Klingen besitzen an einer Seite tiefe, zahnförmige Einschnitte. An den vorderen Enden der Zähne befinden sich kleinere bewegliche Zähne, welche zwar das Eindringen der gegnerischen Klinge in den Einschnitt, nicht aber deren Zurück- ziehen gestatten. (Fig. 341.) Die Dolche des 14. und 15. Jahr- hunderts besitzen zumeist drei- oder vierschneidige, starke Klingen. Die Scheiden jener Zeit sind aus Elfenbein oder aus Holz gefertigt oder mit Leder überzogen, welche häufig in schönen gotischen Dessins getrieben oder gepreſst sind; an vielen findet sich ein Besteck für ein kleines Messer, daneben auch wohl für einen Pfriemen. Auf reichgezierte Dolche wurde im ganzen Mittelalter ein besonderer Wert gelegt. (Fig. 342, 343.) Landsknechtdolche zeigen lange, schmale aber starke Klingen. Die Griffe wie die Scheiden sind häufig, wenn auch nur roh mit Elfenbein- oder Hirschhorneinlagen geziert.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/314>, abgerufen am 23.06.2024.