Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.Einleitung. wächst mit ungemeiner Raschheit. Der lange Schild, so unbequemauch für den Reiter, konnte bei dem unvollkommenen Stande der Kriegskleidung nicht entbehrt werden. Der Helm, noch halbkugel- förmig, selten spitzig zulaufend, wird über die Halsbrünne gesetzt, der Haubert sackartig geschnitten reicht bis über die Kniee hinab. In dieser Ausrüstung erschienen die Deutschen zum erstenmale in der Schlacht bei Merseburg (933) gegen die Ungarn, und der über- raschende Erfolg gegen ein vollkommen orientalisch ausgerüstetes und ganz nach Art der Morgenländer fechtendes Heer führte zu dem Glauben der Unübertrefflichkeit einer schweren Reiterei. Diese bald allgemein gewordene Vorstellung wurde selbst durch die herben Erfahrungen in den Kreuzzügen nicht ganz berichtigt. Für den Fussknecht gab es keine Regel, er handhabt den oft selbstgefertigten Streitkolben, das Beil, den Spiess mit starkem Schafte. Bogenschützen bezogen die deutschen Herrscher meist aus fremden Ländern. Hier zeigen sich die ersten Anfänge des Söldnerwesens. Nicht so entschieden wie in Deutschland und Frankreich hatte sich das Rittertum in Italien herausgebildet. Es war zu jeder Zeit weniger zahlreich, aber bald mächtiger und ungeberdiger. In Venedig und Genua herrschte der Adel in seiner Vereinigung, anderwärts warfen sich die Mächtigeren zu Alleinherrschern auf, zahlreiche kleinere Staaten bildend. Das Volk in Masse war vom Altertume an unfrei und überlastet. Bei dem masslos ehrgeizigen Streben der zahlreichen Herrscher musste sich hier zuerst ein Söldnerwesen herausbilden. Im frühen Mittelalter war die Bewaffnung in Italien noch nach antikem Zuschnitte, ander- weitige Einflüsse machten sich nur vom Oriente her geltend, die Intelligenz dieser Nachkommen der Römer, deren bewegliches Naturell thaten das übrige, um die Bewaffnung gegen jene der Deutschen eigenartig erscheinen zu lassen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass das Fussvolk von jeher in Italien die Hauptwaffe war und auch im allgemeinen blieb. Erst im 12. Jahrhundert zeigen sich Bestrebungen, um sich deutsche Fechtweise anzueignen; trotzdem gelangte das Fuss- volk als Waffe nicht zu jener Missachtung wie in Deutschland. Der Grundcharakter der italienischen Bewaffnung war ihre In Spanien traten nur die Keltiberer in ihrer Bewaffnung aus Einleitung. wächst mit ungemeiner Raschheit. Der lange Schild, so unbequemauch für den Reiter, konnte bei dem unvollkommenen Stande der Kriegskleidung nicht entbehrt werden. Der Helm, noch halbkugel- förmig, selten spitzig zulaufend, wird über die Halsbrünne gesetzt, der Haubert sackartig geschnitten reicht bis über die Kniee hinab. In dieser Ausrüstung erschienen die Deutschen zum erstenmale in der Schlacht bei Merseburg (933) gegen die Ungarn, und der über- raschende Erfolg gegen ein vollkommen orientalisch ausgerüstetes und ganz nach Art der Morgenländer fechtendes Heer führte zu dem Glauben der Unübertrefflichkeit einer schweren Reiterei. Diese bald allgemein gewordene Vorstellung wurde selbst durch die herben Erfahrungen in den Kreuzzügen nicht ganz berichtigt. Für den Fuſsknecht gab es keine Regel, er handhabt den oft selbstgefertigten Streitkolben, das Beil, den Spieſs mit starkem Schafte. Bogenschützen bezogen die deutschen Herrscher meist aus fremden Ländern. Hier zeigen sich die ersten Anfänge des Söldnerwesens. Nicht so entschieden wie in Deutschland und Frankreich hatte sich das Rittertum in Italien herausgebildet. Es war zu jeder Zeit weniger zahlreich, aber bald mächtiger und ungeberdiger. In Venedig und Genua herrschte der Adel in seiner Vereinigung, anderwärts warfen sich die Mächtigeren zu Alleinherrschern auf, zahlreiche kleinere Staaten bildend. Das Volk in Masse war vom Altertume an unfrei und überlastet. Bei dem maſslos ehrgeizigen Streben der zahlreichen Herrscher muſste sich hier zuerst ein Söldnerwesen herausbilden. Im frühen Mittelalter war die Bewaffnung in Italien noch nach antikem Zuschnitte, ander- weitige Einflüsse machten sich nur vom Oriente her geltend, die Intelligenz dieser Nachkommen der Römer, deren bewegliches Naturell thaten das übrige, um die Bewaffnung gegen jene der Deutschen eigenartig erscheinen zu lassen. Dabei ist nicht zu übersehen, daſs das Fuſsvolk von jeher in Italien die Hauptwaffe war und auch im allgemeinen blieb. Erst im 12. Jahrhundert zeigen sich Bestrebungen, um sich deutsche Fechtweise anzueignen; trotzdem gelangte das Fuſs- volk als Waffe nicht zu jener Miſsachtung wie in Deutschland. 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Einleitung.
wächst mit ungemeiner Raschheit. Der lange Schild, so unbequem
auch für den Reiter, konnte bei dem unvollkommenen Stande der
Kriegskleidung nicht entbehrt werden. Der Helm, noch halbkugel-
förmig, selten spitzig zulaufend, wird über die Halsbrünne gesetzt,
der Haubert sackartig geschnitten reicht bis über die Kniee hinab.
In dieser Ausrüstung erschienen die Deutschen zum erstenmale in der
Schlacht bei Merseburg (933) gegen die Ungarn, und der über-
raschende Erfolg gegen ein vollkommen orientalisch ausgerüstetes und
ganz nach Art der Morgenländer fechtendes Heer führte zu dem Glauben
der Unübertrefflichkeit einer schweren Reiterei. Diese bald allgemein
gewordene Vorstellung wurde selbst durch die herben Erfahrungen in
den Kreuzzügen nicht ganz berichtigt. Für den Fuſsknecht gab es
keine Regel, er handhabt den oft selbstgefertigten Streitkolben, das
Beil, den Spieſs mit starkem Schafte. Bogenschützen bezogen die
deutschen Herrscher meist aus fremden Ländern. Hier zeigen sich
die ersten Anfänge des Söldnerwesens. Nicht so entschieden wie
in Deutschland und Frankreich hatte sich das Rittertum in Italien
herausgebildet. Es war zu jeder Zeit weniger zahlreich, aber bald
mächtiger und ungeberdiger. In Venedig und Genua herrschte der
Adel in seiner Vereinigung, anderwärts warfen sich die Mächtigeren
zu Alleinherrschern auf, zahlreiche kleinere Staaten bildend. Das Volk
in Masse war vom Altertume an unfrei und überlastet. Bei dem
maſslos ehrgeizigen Streben der zahlreichen Herrscher muſste sich
hier zuerst ein Söldnerwesen herausbilden. Im frühen Mittelalter
war die Bewaffnung in Italien noch nach antikem Zuschnitte, ander-
weitige Einflüsse machten sich nur vom Oriente her geltend, die
Intelligenz dieser Nachkommen der Römer, deren bewegliches Naturell
thaten das übrige, um die Bewaffnung gegen jene der Deutschen
eigenartig erscheinen zu lassen. Dabei ist nicht zu übersehen, daſs
das Fuſsvolk von jeher in Italien die Hauptwaffe war und auch im
allgemeinen blieb. Erst im 12. Jahrhundert zeigen sich Bestrebungen,
um sich deutsche Fechtweise anzueignen; trotzdem gelangte das Fuſs-
volk als Waffe nicht zu jener Miſsachtung wie in Deutschland.
Der Grundcharakter der italienischen Bewaffnung war ihre
Leichtigkeit. Die Schwerter waren kurz und spitz zulaufend, daher
auch auf den Stich berechnet, die Spieſsklingen schmal und nicht
selten mit Widerhaken versehen, die Spieſsschäfte lang und dünn,
der Schild kreisrund von geringem Durchmesser, der Dolch war
häufiger in Anwendung. Der Helm deckte nach Art einer Haube den
ganzen Kopf. Die Hauberte erschienen in verschiedenster Ausstattung;
als Schuppenwerk, mit aufgenieteten Ringen oder Plättchen oder als
Maschenpanzer, immer aber kürzer und leichter als die der Deutschen.
In Spanien traten nur die Keltiberer in ihrer Bewaffnung aus
dem antiken Rahmen heraus. Sie trugen lange, zweischneidige
Schwerter, kleine, aus Tiersehnen geflochtene Schilde und ganz aus
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