schliesslich nur bei Zweikämpfen, dem alten Fusskampf, auftritt. In Italien und Frankreich wird er an einem Haken am Gürtel, häufiger noch am Schwertgriffe geführt, wo er mit dem Handbügel über den Griff gehängt wird. In letzterer Art getragen sehen wir ihn in der Chronik des Froissart in der National- bibliothek um 1440 und in einem Kreu- zigungsbilde des Gerard David in der Berliner Galerie (573). (Fig. 202.) Im 16. Jahrhundert, als die italienischen Fecht- schulen allenthalben mächtigen Einfluss gewannen, kam der Faustschild so sehr in Mode, dass junge Männer jener Zeit denselben an ihren Degengehängen stets mit sich zu führen pflegten. So sehen wir einen jungen Engländer in solcher Ausrüstung in dem Werke des Caspar Rutz von 1557.*) (Fig. 203.) Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts verwarfen die venetianischen Fechtschulen den Faustschild gänzlich und bewehrten die linke Hand mit dem Fechtdolch (soge- nannte "Linkehand"), der um den Be- ginn des 18. Jahrhunderts und in dem Augenblicke ebenfalls verschwand, als das Tempofechten in Aufnahme kam, in wel- chem die Degen- oder Parierklinge eben- sowohl den Ausfall als die Parade durch- zuführen hat. (Fig. 204.)
Im englischen Heere wurden noch am Anfange des 17. Jahrhunderts Rund- schilde geführt, welche in ihrem Mit- telpunkte eine Schiessvorrichtung be- sassen. In diesem Falle war das Schloss im Inneren des Schildes angebracht und ein kleiner, kurzer Lauf ragte aus dem Schildnabel hervor. Derlei Exemplare werden noch im Tower in London be- wahrt.
Vom Beginne des 18. Jahrhunderts kommt der Rundschild im Fussvolke all- gemach ausser Gebrauch, nur in kleinen italienischen Heeren wird er noch bis etwa 1730 geführt, in allen übrigen ist
[Abbildung]
Fig. 202.
Kriegsmann in halbem italienischen Harnisch mit geschobenem Schurze und Schal- lern von späterer Form. Derselbe ist mit einem Krummschwerte (Malchus) bewaffnet, an welches der Faustschild gehängt ist. Figur aus einem Temperabilde, dar- stellend die Kreuzigung, vom Anfange des 16. Jahrhunderts. Kunstsammlung im Chorherrn- stifte Klosterneuburg (27).
schlieſslich nur bei Zweikämpfen, dem alten Fuſskampf, auftritt. In Italien und Frankreich wird er an einem Haken am Gürtel, häufiger noch am Schwertgriffe geführt, wo er mit dem Handbügel über den Griff gehängt wird. In letzterer Art getragen sehen wir ihn in der Chronik des Froissart in der National- bibliothek um 1440 und in einem Kreu- zigungsbilde des Gerard David in der Berliner Galerie (573). (Fig. 202.) Im 16. Jahrhundert, als die italienischen Fecht- schulen allenthalben mächtigen Einfluſs gewannen, kam der Faustschild so sehr in Mode, daſs junge Männer jener Zeit denselben an ihren Degengehängen stets mit sich zu führen pflegten. So sehen wir einen jungen Engländer in solcher Ausrüstung in dem Werke des Caspar Rutz von 1557.*) (Fig. 203.) Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts verwarfen die venetianischen Fechtschulen den Faustschild gänzlich und bewehrten die linke Hand mit dem Fechtdolch (soge- nannte „Linkehand“), der um den Be- ginn des 18. Jahrhunderts und in dem Augenblicke ebenfalls verschwand, als das Tempofechten in Aufnahme kam, in wel- chem die Degen- oder Parierklinge eben- sowohl den Ausfall als die Parade durch- zuführen hat. (Fig. 204.)
Im englischen Heere wurden noch am Anfange des 17. Jahrhunderts Rund- schilde geführt, welche in ihrem Mit- telpunkte eine Schieſsvorrichtung be- saſsen. In diesem Falle war das Schloſs im Inneren des Schildes angebracht und ein kleiner, kurzer Lauf ragte aus dem Schildnabel hervor. Derlei Exemplare werden noch im Tower in London be- wahrt.
Vom Beginne des 18. Jahrhunderts kommt der Rundschild im Fuſsvolke all- gemach auſser Gebrauch, nur in kleinen italienischen Heeren wird er noch bis etwa 1730 geführt, in allen übrigen ist
[Abbildung]
Fig. 202.
Kriegsmann in halbem italienischen Harnisch mit geschobenem Schurze und Schal- lern von späterer Form. Derselbe ist mit einem Krummschwerte (Malchus) bewaffnet, an welches der Faustschild gehängt ist. Figur aus einem Temperabilde, dar- stellend die Kreuzigung, vom Anfange des 16. Jahrhunderts. Kunstsammlung im Chorherrn- stifte Klosterneuburg (27).
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9. Der Schild.
schlieſslich nur bei Zweikämpfen, dem alten Fuſskampf, auftritt. In
Italien und Frankreich wird er an einem Haken am Gürtel, häufiger
noch am Schwertgriffe geführt, wo er mit dem Handbügel über den
Griff gehängt wird. In letzterer Art getragen sehen wir ihn in der
Chronik des Froissart in der National-
bibliothek um 1440 und in einem Kreu-
zigungsbilde des Gerard David in der
Berliner Galerie (573). (Fig. 202.) Im
16. Jahrhundert, als die italienischen Fecht-
schulen allenthalben mächtigen Einfluſs
gewannen, kam der Faustschild so sehr
in Mode, daſs junge Männer jener Zeit
denselben an ihren Degengehängen stets
mit sich zu führen pflegten. So sehen
wir einen jungen Engländer in solcher
Ausrüstung in dem Werke des Caspar
Rutz von 1557. *) (Fig. 203.) Gegen
das Ende des 16. Jahrhunderts verwarfen
die venetianischen Fechtschulen den
Faustschild gänzlich und bewehrten die
linke Hand mit dem Fechtdolch (soge-
nannte „Linkehand“), der um den Be-
ginn des 18. Jahrhunderts und in dem
Augenblicke ebenfalls verschwand, als das
Tempofechten in Aufnahme kam, in wel-
chem die Degen- oder Parierklinge eben-
sowohl den Ausfall als die Parade durch-
zuführen hat. (Fig. 204.)
Im englischen Heere wurden noch
am Anfange des 17. Jahrhunderts Rund-
schilde geführt, welche in ihrem Mit-
telpunkte eine Schieſsvorrichtung be-
saſsen. In diesem Falle war das Schloſs
im Inneren des Schildes angebracht und
ein kleiner, kurzer Lauf ragte aus dem
Schildnabel hervor. Derlei Exemplare
werden noch im Tower in London be-
wahrt.
Vom Beginne des 18. Jahrhunderts
kommt der Rundschild im Fuſsvolke all-
gemach auſser Gebrauch, nur in kleinen
italienischen Heeren wird er noch bis
etwa 1730 geführt, in allen übrigen ist
[Abbildung Fig. 202. Kriegsmann in
halbem italienischen Harnisch mit
geschobenem Schurze und Schal-
lern von späterer Form. Derselbe
ist mit einem Krummschwerte
(Malchus) bewaffnet, an welches
der Faustschild gehängt ist. Figur
aus einem Temperabilde, dar-
stellend die Kreuzigung, vom
Anfange des 16. Jahrhunderts.
Kunstsammlung im Chorherrn-
stifte Klosterneuburg (27).]
*) Rutz, Caspar. Omne pene gentium imagines. 1557.
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/209>, abgerufen am 16.02.2025.
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